Volleyball-WM: Deutschland unterliegt Polen im Halbfinale 1:3
Spiel der vergebenen Chancen: Die deutschen Volleyballer haben den Einzug ins WM-Finale verpasst. Sie unterlagen am Samstag gegen Polen 1:3. Doch aber eine Medaillenchance bleibt noch.
Es herrschte schon vor diesem wichtigsten Spiel für den deutschen Männervolleyball seit über vier Jahrzehnten Gänsehautatmosphäre in der Spodek-Arena von Kattowitz. 12.500 Zuschauer sangen voller Inbrunst die polnische Nationalhymne und brüllten im Chor „Polska, Polska“. Dieses WM-Halbfinale war eine Herausforderung für die Nerven, und der hielten die Gastgeber auch mit einer guten Portion Glück und der Unterstützung des Referees besser stand: Mit 1:3 (24:26, 26:28, 25:23, 21:25) unterlag das starke deutsche Team um Superstar Georg Grozer. Es war ein Spiel der vergebenen Chancen: Unter anderem wurden drei Satzbälle im zweiten Durchgang verschenkt.
Es bleibt nun noch ein Möglichkeit auf die erste deutsche WM-Medaille seit 44 Jahren. Im „kleinen Finale“ am Sonntag trifft Deutschland auf Frankreich, das im ersten Semifinale mit 2:3 gegen Titelverteidiger Brasilien verloren hatte. „Wir haben großartig gespielt, aber haben unsere Möglichkeiten nicht genutzt. Wir hätten schon den ersten und zweiten Satz gewinnen können. Ich bin stolz auf meine Mannschaft – wir holen uns die Medaille noch“, sagte Bundestrainer Vital Heynen.
Vor diesem so wichtigen Spiel hatte es noch eine ganz spezielle Botschaft von einem deutschen Volleyball-Helden der Vergangenheit gegeben. Arno Schulz hatte die DDR als Hauptangreifer 1970 zu WM-Gold, der bislang einzigen deutschen Medaille der Geschichte geführt. „Wir sind reif für eine Medaille. Es wäre für alle ein Quantensprung für unsere Sportart Volleyball. Ich denke, wir gehen gegen Polen als Sieger vom Feld.“
Doch hinter den Gastgebern steht in diesen WM-Tagen eine ganze Nation – und an diesem Samstagabend 12.500 fanatische Zuschauer in der ganz ins polnische rot-weiß gehüllten Arena. Es war tatsächlich das von Kapitän Jochen Schöps vorhergesagte „einmalige Erlebnis“. Bundestrainer Vital Heynen hatte versucht, die Gastgeber mit dem erstmaligen Einsatz von Angreifer Christian Fromm zu überraschen. Dieser Plan ging zunächst auf, obwohl das deutsche Team bei jedem Aufschlag gellend ausgepfiffen wurde.
Ein Ass von Star Georg Grozer mit 109 Stundenkilometern bescherte die 8:4-Führung, vor allem der im WM-Verlauf kaum eingesetzte Fromm punktete immer wieder erfolgreich. Weil die deutsche Annahme plötzlich wackelte und Polen in der Feldabwehr plötzlich unmöglich scheinende Bälle vom Boden kratzte, wurde das Satzende dramatisch: Christian Fromm wehrte den ersten Satzball noch ab, doch dann bedeutete ein Annahmefehler von Libero Markus Steuerwald das 0:1.
Das war ein völlig unnötiger Satzverlust, der dem deutschen Team mental sichtlich zu schaffen machte. Viele Aufschläge landeten im Netz, jeder Fehler der Deutschen wurde vom fanatischen Publikum frenetisch bejubelt, das zeigte sichtlich Wirkung. Beim 10:17 schien die Mannschaft bereits aussichtslos im Rückstand, doch sie kämpfte sich mit riesigem Kampfgeist wieder zurück. Ein Angriff von Grozer brachte den ersten Satzball, den Max Günthör nutzte. Das deutsche Team drehte bereits jubelnd ab, doch der slowakische Referee Juraj Mokry hatte einen technischen Fehler von Günthör über dem Netz gesehen – eine mehr als umstrittene Entscheidung.
Danach wehrten die Polen zwei weitere Satzbälle ab. Der Unterschied an diesem emotionalen Abend: Die Gastgeber nutzten gleich ihre erste Chance zum 2:0, die ganz in rot-weiß getauchte Halle tobte. Doch die deutsche Mannschaft fightete . Chefcoach Heynen brachte mit Kapitän Jochen Schöps für den unter Oberschenkelproblemen leidenden Grozer sowie Dirk Westphal neues Personal und diesmal hielten in der entscheidenden Phase die Nerven. Der immer stärker werdende Denis Kaliberda nutzte beim 24:23 gleich den ersten Satzball zum 1:2. Auch im vierten Satz hielt das deutsche Team lange mit, doch am Ende waren die Gastgeber mit der Unterstützung ihrer fanatischen Fans einfach einen Tick stärker.
Dem deutschen Team bleibt nach diesem Spiel der vergebenen Chancen nur noch das Bronzematch als letzte Hoffnung auf die Erfüllung des Medaillentraums. Gegen Frankreich hat die deutsche Mannschaft am vergangenen Dienstag zwar klar verloren. Aber es bleibt Hoffnung. „Wir haben hier bei der WM noch nie zwei Spiele in Serie verloren. Wir holen uns Bronze“, so Schöps.
Lars Becker