WM 2014 - vor Deutschland gegen Algerien: Deutschland hat selten gegen Teams aus Nordafrika gewonnen
In der WM-Historie hatte Deutschland stets Probleme mit Teams aus Nordafrika – gegen Algerien ist die Bilanz sogar negativ. Ist das ein schlechtes Omen für das Achtelfinale?
Helmut Schön hatte es geahnt. In der Pause warnte er seine Spieler, dass die Marokkaner mit aller Macht versuchen würden, das Spiel zu verschleppen. Und der Bundestrainer sollte recht behalten. Als der Schiedsrichter in Leon zur zweiten Halbzeit anpfeifen will, stehen nur acht nordafrikanische Spieler auf dem Feld, ihr Torhüter schafft es erst kurz nach Wiederbeginn zurück auf seinen Platz. Doch selbst diesen strategischen Vorteil weiß die Nationalelf nicht für sich zu nutzen, und so wird es ein zäher Kampf, ehe sie den Außenseiter in ihrem ersten Spiel bei der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko mit 2:1 bezwungen hat.
Zehn Minuten vor dem Ende fällt der Siegtreffer für die Deutschen – aber „zu Hause in Deutschland war der Teufel los“, schreibt Helmut Schön in seinen Memoiren. „Man übergoss uns mit beißender Kritik.“ Das erste WM-Spiel der Deutschen gegen eine afrikanische Mannschaft hat gewissermaßen den Grundton vorgegeben. Gerade gegen Teams aus dem Norden des Kontinents haben sie sich immer erstaunlich schwergetan.
Im Achtelfinale gegen Algerien trifft die Nationalmannschaft heute zum fünften Mal auf einen Gegner aus dem Maghreb. Mit zwei knappen Siegen, einem Unentschieden und einer Niederlage fällt die Bilanz mäßig aus. Eine gewisse Überheblichkeit hat dabei ganz sicher eine Rolle gespielt. Das ist schon 1970 so, als Schön das Gefühl hat, seine Mannschaft spiele nach der Devise: „Na ja, lass sie mal kommen.“ Das tun die Marokkaner auch: Nach 20 Minuten erzielt Houmane Jarir das 1:0. Erst nach der Pause drehen Uwe Seeler und Gerd Müller mit ihren Toren das Spiel.
Noch dramatischer wirkt sich der deutsche Übermut zwölf Jahre später in Gijon aus. Schöns Nachfolger Jupp Derwall hat angekündigt, bei einer Niederlage gegen Algerien umgehend mit dem Zug aus Nordspanien nach Hause zurückzufahren. „Meine Spieler würden mich für doof erklären, wenn ich ihnen was über Algerien erzählen wollte“, sagt er. Und Torhüter Toni Schumacher prophezeit einen Sieg mit vier bis acht Toren, um gleich mit dem richtigen Rhythmus ins Turnier zu starten. Der Rhythmus wird dann nachhaltig gestört. 2:1 heißt es am Ende für die Nordafrikaner, woraufhin der „Kicker“ Bundestrainer Derwall eine Zugverbindung raussucht, bei der er mit vier Mal Umsteigen die Heimat erreicht.
Eine mäßige Bilanz
Auch die beiden anderen WM-Spiele gegen nordafrikanische Gegner bereiten den Deutschen viel Mühe. 1978 quält sich der Weltmeister zu einem 0:0 gegen den WM-Neuling Tunesien. Immerhin scheitern die Deutschen ein bisschen auch an sich selbst. Tunesiens Trainer Abdel Majid Chetali ist nicht nur mit einer Deutschen aus Düsseldorf verheiratet, er hat auch 1969 bei Hennes Weisweiler in Köln seinen Trainerschein erworben – zusammen mit Berti Vogts, der die Deutschen in Cordoba als Kapitän aufs Feld führt.
Nach einem 0:0 sieht es auch acht Jahre später im Achtelfinale gegen Marokko aus. „Nothing happens in Monterrey“, ätzt der Reporter des englischen Fernsehens Mitte der zweiten Hälfte. Nichts passiert in der mexikanischen Nachmittagshitze – bis Lothar Matthäus in der 88. Minute einen Freistoß aus 30 Metern flach an der Drei-Mann-Mauer vorbei zum 1:0 ins Eck zirkelt.
Der heutige Achtelfinalgegner Algerien hat wie der mögliche Viertelfinalgegner Frankreich und der mögliche Halbfinalgegner Brasilien eine positive Länderspielbilanz gegen das DFB-Team. Algerien ist sogar das einzige Land, gegen das die Deutschen mehr als einmal gespielt und immer verloren haben. Beim ersten Aufeinandertreffen am Neujahrstag 1964 gewinnen die Algerier auf einem Aschenplatz in Algier 2:0 – und das kann nicht daran liegen, dass die Deutschen vom Vorabend noch angeschlagen sind. Die Spieler sind zwar vom deutschen Botschafter zur Silvesterfeier eingeladen worden, müssen auf Geheiß von Bundestrainer Sepp Herberger allerdings schon um zehn ins Bett.
Trotz all der Warnungen aus der Geschichte sagt Bundestrainer Joachim Löw vor dem heutigen Achtelfinale: „Wir gehen in dieses Spiel mit großem Selbstbewusstsein.“ Wer allerdings denke, man bekomme es mit einem leichten Gegner zu tun, der mache einen riesengroßen Fehler: „Konzentration und Anspannung sind das Gebot der Stunde.“
Zumal das Spiel von den Algeriern offenbar als Revanche für den Nichtangriffspakt von Gijon und ihr damit verbundenes Vorrundenaus verstanden wird. Löw hat sich von solchen Rachegelüsten ein wenig irritiert gezeigt, schließlich gibt es in seinem Kader nur zwei Spieler, die 1982 schon geboren waren: Miroslav Klose und Roman Weidenfeller. „Auch bei mehrmaligem Nachfragen konnten sie sich nicht erinnern, was damals passiert ist“, sagt Löw. Klose war vier Jahre alt, Weidenfeller nicht mal zwei.