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Thomas Schmidberger (links) und Thomas Brüchle gewannen Silber.
© dpa

Starke Bilanz bei den Paralympics: Deutsches Tischtennisteam setzt noch einen drauf

Im Para-Tischtennis gewinnt das deutschen Team eine weitere Silbermedaille. Schmidberger ist nach der Finalniederlage „todesenttäuscht“.

Eine Umarmung mit dem chinesischen Gegner muss sein. Trotz aller Enttäuschung. Thomas Schmidberger hat bei den Paralympics im Mannschaftswettkampf der Tischtennisspieler gemeinsam mit Thomas Brüchle die Silbermedaille gewonnen. Und doch war nach einer starken Leistung mehr drin gewesen. Die beiden Deutschen hatten die Goldmedaille fest vor Augen. Mit zwei Sätzen lagen sie bereits in Führung. Doch dann holten die Chinesen auf. Der Verlauf des Spiels erinnerte an das Finale im Einzelwettkampf vor wenigen Tagen.

Der Schiedsrichter hob die rechte Hand. 8:1 steht es da für Schmidberger im Einzelfinale. Es ist der dritte Satz, in dem er sich mit Feng Panfeng die Bälle über den Tisch hinweg zuschmettert. Zu diesem Zeitpunkt liegt Schmidberger zwei Sätze hinten. Doch jetzt läuft es gut. Ob Feng nervös wird oder Schmidberger zu besonderer Hochform aufläuft – sicher ist, der vierte Satz geht mit 11:4 an den Deutschen. Der entscheidende Unterschied zum Mannschaftsfinale am Donnerstag jedoch: während es Schmidberger nicht gelingt, Feng Panfeng im fünften Satz zu besiegen, krönen die Chinesen ihre Aufholjagd.

„Wir sind einfach todesenttäuscht. Jetzt haben wir Silber, aber gerade fühlt es sich an wie der letzte Platz. Es tut mir todesleid für Thomas“, sagte der untröstliche Schmidberger: „Erst lief alles perfekt, dann lief gar nichts mehr. Ich habe keine Erklärung, und ich suche sie jetzt auch nicht. Eine 2:0-Führung darf man in einem solchen Spiel, auf meinem Niveau, niemals aus der Hand geben.“

Zuvor schon Gold verpasst

Das Einzel-Duell Schmidberger-Panfeng beschreibt Sportmoderator Yorck Polus in der ARD als das spannendste, das er bei den Paralympischen Spielen zu diesem Zeitpunkt gesehen habe. Im Nachgespräch mit Thomas Schmidberger wird sein Ballwechsel aus dem fünften Satz eingeblendet. Kurz darauf steht für ihn fest: Silber in der Wettkampfklasse 3. Schmidberger verpasst die Goldmedaille denkbar knapp, dennoch konnte sich der deutsche Athlet über seine bereits fünfte paralympische Medaille freuen. In Rio war Schmidberger im Einzel sowie in der Mannschaft erfolgreich und belegte inzwischen Platz eins der Weltrangliste. Letzteres nicht nur durch sein Auftreten an der paralympischen Platte: neun deutsche Meistertitel, 2018 und 2019 jeweils WM-Zweiter im Einzel, 2017 im Mannschaftswettkampf Erster. Auch auf europäischer Ebene verpasste er selten das Siegerpodest.

Der im niederbayerischen Viechtach aufgewachsene Schmidberger ist seit einem Unfall in seiner Kindheit querschnittgelähmt. Zum Tischtennissport gekommen ist durch die Schulpausen gekommen. Er hatte nicht als Außenseiter gelten wollen und nahm einen Schläger in die Hand. Die richtige Entscheidung wie sich bald zeigte, denn schon im Alter von 18 Jahren schmetterte er sich an der Weltspitze.

„Valentin ist Abteilung Attacke – eindeutig“

Schmidbergers Verein Borussia Düsseldorf gehören weitere erfolgreiche Para-Tischtennisspieler an. „Ich habe geheult wie ein Schlosshund“, sagt er zur Goldmedaillen seines Kollegen Valentin Baus. Der 25 Jahre alte Bochumer schaffte es in Tokio, sich in seiner Partie gegen Cao Ningning zu behaupten, gegen den er bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro noch verloren hatte. „Valentin war mental unglaublich stark“, sagte Volker Ziegler, Bundestrainer der deutschen Para-Tischtennisspieler: „Er hat den Gegner richtig dominiert.“ Ziegler vertraut seinen Spielern. Während der Spiele nimmt sich der Trainer zurück. Seine Spieler strotzen auch so vor Selbstmotivation und bräuchten keine Arschtritte. Er gäbe lediglich einige „taktische Hinweise“. Valentin Baus habe er beispielsweise noch einmal dazu angeregt, mutiger zu spielen. „Valentin ist Abteilung Attacke – eindeutig.“ Der Trainer bleibt für Zuschauende unverständlich ruhig. „Außenstehende haben sicherlich bei mir eine gewisse Anspannung wahrgenommen. Ich selbst nicht. Ich kenne das Gefühl und weiß dann, dass ich bereit bin“, antwortet er auf die Frage, wie es ihm vor den Finalspielen ging.

Abteilung Attacke. Valentin Baus fährt mit Gold nach Hause.
Abteilung Attacke. Valentin Baus fährt mit Gold nach Hause.
© imago images/Mika Volkmann

Valentin selbst waren nach dem Spiel die Freude und der Stolz anzusehen. Seine erste Aussage „mir fehlen die Worte“, musste er recht bald revidieren. Denn er hatte schließlich etwas zu erzählen. „Es sind so viele Jahre, die ich dafür gearbeitet habe, um dies zu erreichen. Die Medaille bleibt erst einmal um meinen Hals.“ Doch noch wichtiger als die Trophäe ist Valentin sein Schläger. „Der Schläger ist heilig […]. Das ist eine Wissenschaft für sich“, erzählt er im Sportschau-Interview. Nur einmal geklebt habe er den Schläger in der diesjährigen Spielserie. Eigentlich hatte er es sich anders vorgenommen, aber er hatte ein gutes Gefühl – zurecht. „Der Gegner nutzt übrigens die gleichen Schlägerbelege, das identische Material“, ergänzt Volker Ziegler. „Valentin hat gewonnen, weil er der bessere Spieler ist, nicht aufgrund seines Schlägers“.

Mit fünf Medaillen erzielte das deutsche Para-Tischtennisteam eine erfolgreiche Bilanz in Tokio. „Wir haben uns frühzeitig körperlich wie mental auf die Bedingungen hier vorbereitet. Und es hat sich gelohnt: die Fitness hilft dabei, die Hitze, die Luftfeuchtigkeit und die Zeitumstellung tolerieren zu können“, sagte Trainer Ziegler. Neben Gold für Valentin Baus und Silber für Thomas Schmidtberger im Einzel gewann Stephanie Grebe Bronze. Im Mannschaftswettbewerb sprang für Björn Schnake und Thomas Rau ebenfalls Bronze heraus, für Schmidberger und Thomas Brüchle reichte es nach der Aufholjagd der Chinesen zu Silber.

Obwohl es Einzelmedaillen sind, die verliehen wurden, ist es doch eine Mannschaftsleistung. Dies erfreut Volker Ziegler ganz besonders. Auf die Frage, was das bislang schönste Erlebnis der Spiele für ihn gewesen sei, antwortet er: „Teil unseres tollen Teams zu sein und das Anfeuern durch alle für alle zu erleben.“

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier. Alle aktuellen Entscheidungen und Entwicklungen lesen Sie in unserem Paralympics Blog. 

Lilith Diringer

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