Niederlage im Halbfinale der Fußball-WM: Deutsche Frauen gegen die USA ohne Plan B
Beim 0:2 im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen die USA offenbart sich, dass den deutschen Frauen zum WM-Titel einiges fehlt.
Celia Sasic wollte einfach nur allein sein. Nach Spielende saß sie auf einem der rot gepolsterten Sitze der deutschen Ersatzbank – weit weg von ihren Mitspielerinnen. Mit roten Augen blickte sie entweder zu Boden oder in die Weite des Olympiastadions von Montréal. Worum ihre Gedanken kreisten, war klar, auch später kämpfte sie noch mit den Tränen. „Ich fühle mich beschissen“, sagte die 26-Jährige und schluchzte. „Der Elfmeter war eine riesengroße Chance. Es tut mir so leid.“
Sasic hätte die Heldin des WM-Halbfinals gegen die USA werden können. Mitte der zweiten Halbzeit trat sie zu einem Foulelfmeter an. Doch die Stürmerin, die noch im Viertelfinale gegen Frankreich zwei Elfmeter verwandelt hatte und als sicherste deutsche Schützin gilt, schoss daneben. Kurz danach traf stattdessen Carli Lloyd per Strafstoß für die US-Amerikanerinnen zum 1:0, und Kelley O’Hara sicherte den 2:0 (0:0)-Sieg der USA gegen die Deutschen. Statt zum Finale nach Vancouver flog die Nationalmannschaft am Mittwoch nach Edmonton. Dort spielt sie am Samstag um Platz drei, das zweite Halbfinale zwischen Japan und England fand in der Nacht zu Donnerstag nach Redaktionsschluss statt.
Die traurige Sasic und ihre enttäuschten Teamkolleginnen hätten die Niederlage auf vieles schieben können. Auf den vergebenen Elfmeter zum Beispiel. Oder auf die Fehlentscheidung der rumänischen Schiedsrichterin Teodora Albon vor dem Elfmeter der US-Amerikanerinnen, Annike Krahn hatte Alex Morgan außerhalb des Strafraums gefoult. Oder auf die mehr als 51 000 lautstarken Fans der USA, die sie gegen sich hatten. Aber sie taten nichts dergleichen. Und das war völlig richtig. Zu unterlegen waren sie ihren Gegnerinnen – in allen Bereichen.
Wie schon gegen Frankreich wurden die deutschen Fußballerinnen in der ersten Hälfte nahezu überrannt. In der Abwehr ließen sie viel zu viel zu, dem physischen Spiel der US-Amerikanerinnen hatten sie kaum etwas entgegenzusetzen. Immer wieder musste Torhüterin Nadine Angerer all ihr Können aufbieten, um ihr Team im Spiel zu halten. In der Offensive konnten sich die Deutschen kaum durchsetzen. Das war dann auch Silvia Neids Hauptkritikpunkt. „Wir hatten wenige Chancen und die Abschlüsse waren nicht gut genug“, sagte die Bundestrainerin.
Doch auch Neid muss sich nach diesem ernüchternden Halbfinale Kritik gefallen lassen. Die 51-Jährige hatte ihrer Mannschaft ein aggressives Pressing verordnet, aber als dieses nach den ersten Minuten verpufft war, hatte sie darauf keine Antwort mehr. Und ihre Spielerinnen waren nur noch in der Rolle der Reagierenden. Neid spielte den USA auch mit ihrer 4-2-3-1-Formation in die Karten – denn es war genau die gleiche wie immer bei dieser WM. So war die Taktik der Deutschen für US-Trainerin Jill Ellis leicht auszurechnen. Die USA passten ihr System an, gaben der überragenden Lloyd mehr Freiheiten in der Offensive als zuvor im Turnier und überrumpelten damit die DFB-Elf.
Neid wiederum hielt starr an ihrem Plan A fest. Sie änderte nichts, als die US-Amerikanerinnen immer druckvoller agierten. Zudem wechselte sie lediglich einmal aus: Anja Mittag, bis dahin die gefährlichste Stürmerin, wurde gegen Dzsenifer Marozsan ausgetauscht. Andere Offensivspielerinnen brachte Neid nicht, obwohl viele Stammkräfte erschöpft waren und einen äußerst durchwachsenen Tag erwischt hatten. Sasic konnte kaum einen Ball behaupten und auch ihre Sturmkollegin Alexandra Popp war überaus harmlos – doch beide gehören zu Neids Lieblingsspielerinnen und an denen hält sie fest.
Die Bundestrainerin beeilte sich, direkt nach Spielschluss zu betonen, wie stolz sie auf die Leistung ihrer Mannschaft bei dieser WM sei. Das Halbfinale zu erreichen ist natürlich gut, jedoch hatten auch die Spielerinnen selbst das Finale und den Titel als Ziel ausgegeben. Aber in den Partien gegen Frankreich und die USA wurde den Weltranglistenersten offenbart, dass sie nicht die Besten der Welt sind. Die US-Spielerinnen besitzen besonders in der Offensive deutlich mehr Qualität. Und die Französinnen haben gezeigt, dass sie den Deutschen technisch klar überlegen sind. So hatte auch Ralf Kellermann, Coach des VfL Wolfsburg und Welttrainer 2014, am Rande des Turniers gesagt, Frankreich spiele derzeit den modernsten Fußball und man müsse sich hierzulande ebenfalls in diese Richtung entwickeln. Am einstigen Vorreiter Deutschland sind mittlerweile also einige vorbeigezogen.
Neid wird nach Olympia 2016 aufhören und nur noch begrenzt Impulse geben, ihre Nachfolgerin Steffi Jones hat noch nie als Trainerin gearbeitet. Die Frage ist also, ob es beim DFB an den entsprechenden Trainern in den Toppositionen mangelt, um den Rückstand wieder aufzuholen. An Talenten mangelt es jedenfalls nicht. Neid setzt dabei jedoch vor allem auf ein simples Prinzip: Hoffnung. „Niederlagen“, sagte sie, „wirken sich auch positiv aus.“
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