Langlauf-Event in Dresden: Der Winter für den Weltcup kommt aus dem LKW
Zum vorerst letzten Mal starten die Langläufer:innen an der Elbe. Was Umweltaktivisten freut, ist für die Branche ein Rückschlag.
In den vergangenen Tagen ist der Schnee nach Dresden zurückgekehrt. Er fiel nicht vom Himmel, dafür ist es mit Temperaturen rund um die fünf Grad deutlich zu warm, sondern wurde in LKWs vom Flughafen der sächsischen Landeshauptstadt, wo die wertvolle Ware erst hergestellt und dann geschützt vor Sonneneinstrahlung gelagert wurde, ins Zentrum gebracht. Also genau dorthin, wo er am Wochenende benötigt wird, um einen Sprint-Weltcup der Langläufer:innen am Ufer der Elbe ausrichten zu können, obwohl die Witterung nicht so recht dazu passt.
Angesichts der voranschreitenden Klimakrise sehen sich die Wintersport-Verbände ohnehin mit einer zunehmenden Kritik konfrontiert. Eine Veranstaltung mitten in der Großstadt, wo es eines besonderen Aufwands bedarf, um überhaupt eine passende Unterlage zum Skilaufen zu schaffen, wirkt für manchen natürlich besonders aus der Zeit gefallen. Die Umweltorganisation Bund prangerte anlässlich dieses Formats stets die „Energieverschwendung“ an, die der Weltcup mit sich bringt, der vorerst zum letzten Mal Station in Dresden macht. Von der Bewegung Extinction Rebellion kam der Vorschlag, doch lieber einen Rollski-Weltcup auszurichten.
Peter Schlickenrieder, Bundestrainer der deutschen Langläufer:innen, kennt die Vorbehalte natürlich und nimmt diese auch ernst. Der 41 Jahre alte ehemalige Spitzenathlet, der bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City die Silbermedaille gewann, ist jedoch der Meinung, dass bei der Organisation dieses Wettkampfformates – bei allem Aufwand – Standards gesetzt werden.
„Es wird eine kurze Runde ausgelegt, die die Sportler zweimal laufen: Das ist zum einen attraktiv, weil man im Stadion die Läufer öfter sieht, zum anderen ist es energieschonend, weil somit die Fläche, die man mit Schnee bedeckt, minimiert wird.“ Die Strecke reduziere man so von einst 800 auf 650 Meter. Das Regenwasser, das für die Produkt des Kunstschnees benötigt wird, stammt aus einer 10 000 Liter fassenden Regenwasser-Zisterne vom Dach des Flughafens.
Leere an den künstlichen Langlauf-Loipen
Doch nicht allein die Kunstschnee-Produktion bestimmt über die Klimabilanz eines Weltcups. „Du kannst den Einkaufsbummel verbinden mit einem Besuch der Langlaufstrecke. Die Leute hier müssen nicht im Auto sitzen und eine lange Strecke absolvieren“, sagt Schlickenrieder. In der Summe sei Dresden „eines der Events mit dem geringsten Energieaufwand“.
Für die Langlauf-Branche, die wie alle anderen Sportarten darum kämpft Nachwuchs zu gewinnen, ist der Abstecher in die Stadt auch eine willkommene Gelegenheit, „den Kindern und Menschen, die nicht täglich Gelegenheit haben sich im Schnee zu bewegen, den Wintersport näherzubringen“, wie Schlickenrieder sagt. Bei der Premiere 2018 tummelten sich 25.000 Besucher rund um die Strecken.
Diesmal herrscht wegen Corona Leere an den künstlichen Loipen. „Wenn das Vor-Ort-Feeling nicht möglich ist, gibt es weniger Motivation, den Sport selbst mal auszuprobieren“, weiß der Bundestrainer. In früheren Jahren gab es für Interessierte die Möglichkeit, die Ski anzuschnallen und eine Runde zu laufen. Immerhin die sogenannte Schulsport-Woche bleibt bestehen. Wenn der Weltcup-Tross weitergezogen ist, gehört der Schnee den Schüler: innen.
Gerade den deutschen Sprinter:innen hätte etwas Unterstützung von den Zuschauenden auch gutgetan. In dieser besonders herausfordernden Teil-Disziplin des Langlaufens fällt es dem Deutschen Ski-Verband (DSV) seit jeher schwerer als über die Distanzstrecken, zumindest in die Reichweite der Besten zu kommen.
„Die sportlichen Erwartungen sind nicht allzu hoch. Wir setzen gerade bei den Männern eine komplett junge Truppe ein, die aus der U-23-Mannschaft kommen. Sie haben nicht Olympia im Kopf, sondern eher die U-23- oder die Junioren-Weltmeisterschaften, die sehr spät in der Saison stattfinden“, sagt Schlickenrieder. Zwei Platzierungen unter den Top-30 wären ein Erfolg.
Hohe Inzidenz in Dresden
Etwas besser sieht es bei den Frauen aus. Coletta Rydzek, die im vergangenen Jahr das Halbfinale erreichte, sagt: „Die Erwartungen für den Weltcup in Dresden sind bestimmt einen Tick höher als die vor einem anderen Weltcup-Ort, da die letzten beiden Jahre dort sehr gut bei mir liefen. Ich mag es, sehr hohe Geschwindigkeiten zu laufen. Darum liegt mir die Strecke.“
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Alle Wettkämpfe in diesem Winter sind begleitet von besonderen Sicherheitsvorkehrungen, um mit Blick auf Olympia das Risiko zu minimieren, sich mit Covid-19 anzustecken. „Eine Infektion wäre der Worst Case“, sagt Schlickenrieder. Dresden wies am Freitag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 741,6 auf, da heißt es entsprechend wachsam zu sein. „Je näher wir Richtung Olympia kommen, desto neuralgischer wird das Infektionsschutzkonzept.“ Für die Langläufer:innen geht es dieser Tage darum, den richtigen Zeitpunkt für die Auffrischungsimpfung zu finden. Einige Athletinnen und Athleten haben sich bewusst dafür entschieden, den vergangenen Weltcup in Davos auszulassen, um sich boostern zu lassen und nun für Dresden den bestmöglichen Schutz zu haben.
Benedikt Paetzholdt