Unter dem neuen Trainer Oliver Glasner: Der VfL Wolfsburg soll mutig werden
Der VfL Wolfsburg war unter Bruno Labbadia sehr erfolgreich. Trotzdem hat der Klub den Trainer gewechselt. Von Oliver Glasner erhofft man sich mehr Spektakel.
Es klingt fast wie Hypnose. Wie ein Versuch, das Spielsystem seiner Mannschaft als mentale Blaupause zu hinterlegen. „Wichtig ist, dass wir in die Köpfe der Spieler kommen“, sagt Oliver Glasner. Wenn der neue Cheftrainer des VfL Wolfsburg über den modernen Fußball an sich und dem Spielstil des von ihm betreuten Team im Besonderen referiert, hört sich das alles sehr komplex an. Seine Referate über Pressing und Gegenpressing implizieren Denksport für Fortgeschrittene. Glasner ist auch deshalb nach Wolfsburg geholt worden, damit der VfL den nächsten Entwicklungsschritt macht. Glasner hat eine klare Idee, die er konsequent verfolgt. Seine Art ist fördernd und sehr fordernd.
Immer wieder unterbricht er seine Übungseinheiten. Ständig gibt es etwas zu besprechen und zu optimieren. Glasner hat bei seiner Premiere in der Fußball-Bundesliga einen 2:1-Heimsieg gegen den 1. FC Köln geschafft. „Das war schon ganz gut. Aber 100 Prozent werden wir nie erreichen“, findet der 44-Jährige. Trotzdem darf dem Konkurrenten Hertha BSC für dessen Heimspiel am Sonntag prognostiziert werden, dass sich ein neuer, ganz anderer VfL Wolfsburg vorstellen wird. Aus dem Franzosen Josuha Guilavogui, dem Abräumer vor der Verteidigung, ist die zentrale Figur einer sehr resoluten Dreier-Abwehrkette geworden. Der Österreicher Xaver Schlager (Neuzugang aus Salzburg) sorgt im Mittelfeld dafür, dass viele Ballgewinne gelingen und gleich schnelle Pässe in die Spitze folgen.
„Unser Spiel mit mehr Tempo nach vorne macht mehr Spaß“, findet Kapitän Guilavogui. Der Trainer mag den Begriff nicht. Aber die Wolfsburger zeigen kurz nach dem Saisonstart schon sehr viel vom so genannten Glasner-Fußball. „Der wichtigste Hebel ist, dass man als Mannschaft auf dem Platz alles zusammen angeht. Und den setzt Oliver Glasner im direkten Austausch mit den Spielern an“, erklärt Sportdirektor Marcel Schäfer.
Eigentlich ist das immer noch merkwürdig. In der vergangenen Saison war der VfL Wolfsburg nach zwei desolaten Spielzeiten bis in die Europa League gestürmt. Trotzdem gelang es nicht, sich mit Bruno Labbadia auf eine weitere Zusammenarbeit zu einigen. Mit Glasner als neuem Cheftrainer klingt auf einmal alles ein wenig moderner, flotter und zeitgemäßer – was gegenüber Labbadia ungerecht ist. Auch er wusste, wie man eine Mannschaft fit und leistungswillig macht.
Das Publikum soll wieder begeistert werden
Aber nicht wenige Wolfsburger Zuschauer und Fans waren ermüdet von der Idee, dass man bei Ballbesitz nach dem Strickmuster „Zwei Pässe nach vorne, aber zur Sicherheit auch gleich wieder einen zurück“ lieber sicheren statt mutigen Fußball spielen lässt. Die Prognose sei erlaubt: Unter der Regie von Glasner wird Wolfsburg mehr Tore schießen und kassieren als in der Ära Labbadia. Das liegt an seiner Bereitschaft, mit Mut attackieren zu lassen und die eigene Defensive zu entblößen. Wer aus drei Hünen ein Abwehrtrio zusammenstellt, wird viele Kopfballduelle gewinnen und zugleich viele Pässe in den Rücken der eigenen Abwehr provozieren.
Der Strategiewechsel, den Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Sportdirektor Schäfer mit Glasner eingeleitet haben, könnte ein eher unangenehmes Problem lösen. Mit jedem Sieg und jedem attraktiven Auftritt steigt die Chance, dass das Wolfsburger Publikum wieder Lust hat, einmal genauer hinzusehen, was sich da im heimischen Stadion tut. Der Zuschauerzuspruch lässt nach sportlich mageren Jahren mit akuter Abstiegsgefahr zu wünschen übrig. Glasner, vom Linzer ASK geholt, macht seiner Mannschaft Beine und fordert neue Ideen. Im Training kurven seine Profis durch Lichtschranken. Nach dem Training sprechen sie dann mit einem Vorgesetzten, der wie ein ganz normaler Mensch auftritt und gut zuhören kann. Das Wolfsburger Miteinander ist unter Glaser, der extern viel Charme versprüht und intern sehr klare Worte finden kann, ein anderes geworden. „Die Mannschaft ist fit. Sie will und hat Mentalität. Das sind schon mal Dinge, auf die man aufbauen kann“, sagt Jörg Schmadtke. In seiner Sprachwahl ist das ein Lob für Glasner.