Richard Golz im Interview: "Der Torhüter ist der wichtigste Mann"
Herthas neuer Torwarttrainer Richard Golz über das Training mit Herthas Torhütern, die Rückkehr nach Berlin und eine Zukunft als Manager.
Herr Golz, Sie haben Abitur gemacht, ein BWL-Studium begonnen, besitzen die Trainer-A-Lizenz und haben ein Sportmanagementstudium abgeschlossen. Sind Sie als Torwarttrainer nicht überqualifiziert?
Ich habe ja noch ein paar Jahre vor mir. (lacht) Und mich interessieren einfach viele Dinge. Nach meiner Zeit als Spieler bin ich gleich in den Trainerjob reingerutscht. Da habe ich nicht lange nachgedacht – weil es mir die Möglichkeit eröffnet hat, mich erst einmal zu orientieren. Damals war mir noch nicht so klar, wo mein Weg hingeht.
Und jetzt? Haben Sie einen Karriereplan?
Was heißt Karriereplan? Man kann mit 70 noch Torwarttrainer sein. Vielleicht ist es aber auch mit 50 gesundheitlich nicht mehr so möglich, wie ich mir das vorstelle. Im Moment macht mir der Job viel Spaß, und das ist doch wunderbar: das machen zu dürfen, was Spaß macht.
Sie haben gerade ein Sport-und-Eventmanagement-Studium abgeschlossen. Das deutet auf eine Zukunft im Management hin.
Das habe ich ja schon oft gesagt, dass ich mir eine Tätigkeit im Management vorstellen kann. Aber ich habe das Studium nicht gemacht, weil ich kurzfristig in diesem Bereich arbeiten will. Ich hatte nach meiner Profikarriere einfach das Gefühl, ein Studium abschließen zu wollen. Beim HSV …
… wo Sie Co- und Torwarttrainer der U 23 waren …
… hatte ich genügend Zeit und Kapazität dafür. Und so ein Studium macht dich mit Sicherheit nicht dümmer. Das war eine richtig fruchtbare Zeit für mich: in eine andere Welt einzutauchen, neue Dinge aufzunehmen. Die Wochenendblöcke an der Universität in Krems waren wie Urlaub.
Waren Sie da „der Fußballer“?
Am Anfang wird man schon komisch angeguckt. Das hat sich aber mit der Zeit gegeben – als die gemerkt haben, dass ich auch ein Mensch bin.
Der Hamburger SV hat in diesem Frühjahr einen neuen Manager gesucht. Haben Sie mal Ihr Interesse signalisiert?
Nein, ich habe mich nicht beworben. Es hat auch niemand gefragt. Natürlich kann man oben anfangen. Aber ich finde, man sollte einen anderen Weg gehen. So wie Michael Preetz, der erst als Assistent von Dieter Hoeneß gearbeitet hat.
Haben Sie bei Preetz mal vorgefühlt?
Nein, nein, nein! Ich bin als Torwarttrainer hier! (lacht)
Welchen Gestaltungsspielraum haben Sie?
Viele glauben wahrscheinlich, wir sind nur dazu da, den Torwart warmzuschießen, damit er beim Abschlusstraining mitspielen kann. Ich glaube, man kann selbst mit über dreißig noch lernen. Ich habe zum Beispiel unseren Mann von Hertha-TV angehalten, mit seiner Kamera bei unseren Übungen draufzuhalten, damit wir die Technik analysieren und vielleicht das Verhalten verändern können.
Erinnern Sie sich noch an das Torwarttraining zu Beginn Ihrer Karriere?
Das gab’s nicht. Den ersten richtigen Torwarttrainer hatte ich in Hannover – mit 38. Beim HSV bin ich zwei Jahre von Rudi Kargus trainiert worden, bis er wegen einer Arthrose nicht mehr konnte. In Freiburg hat sich der Co-Trainer um uns gekümmert. Das empfand ich schon als großen Fortschritt.
Ihr Training war das Torschusstraining?
So ungefähr. Der Co-Trainer hat einem noch ein paar Bälle in die Hände geschossen, das war’s.
Es fällt auf, dass Sie viel mit dem Ball am Fuß trainieren lassen.
Es gibt Untersuchungen, dass 70 Prozent der Arbeit von Torhütern inzwischen mit dem Fuß erledigt wird. Im heutigen Fußball geht es viel um Ballbesitz. Da ist es schon gut, dass der Torhüter den Ball im Spiel halten kann. Trotzdem: Bei den wichtigen Bällen werden die Hände benutzt.
Haben Sie eine eigene Philosophie vom Torwartspiel?
Philosophie ist übertrieben. Aber ich finde, dass der Torhüter der wichtigste Mann ist. Ohne Torwart gewinnt man keinen Blumentopf. Ich versuche immer, meinen Jungs klarzumachen, wie groß ihr Einfluss auf die Mannschaft ist. Wenn ich mir einen Torwart im Spiel anschaue, erfahre ich sehr viel über die Mannschaft.
Wie meinen Sie das?
Als Torwart ist man immer abhängig von seinen Kollegen. Wenn das Verhältnis nicht stimmt, steht man ganz schnell im Regen. Ein Torwart muss viel sprechen, es kommt aber auch darauf an, wie er das tut. Man kann jemanden mit Kritik auch kaputtmachen. Und was hilft es, wenn ein Torwart sagt: „Einer muss den jetzt angreifen“? Einer ist keiner. Konkrete und klare Ansagen sind wichtig.
Sie sind kein großer Anhänger der Einzelkämpferschule, für die Oliver Kahn steht.
Man muss kein Einzelgänger sein, um ein guter Torhüter zu sein. Und die Torhüter heute sind im Schnitt weniger Einzelgänger als vor 20 Jahren. Natürlich ist man in gewissen Situationen auf sich gestellt. Aber es war auch bei Kahn nicht so, wie man immer dachte. Ohne gute Mannschaft wäre er nicht so weit gekommen.
Welche Rolle spielt mentale Stärke?
Es gibt viele Leute, die gut Fußball spielen können. Was den Unterschied ausmacht, ist der Kopf, beim Torwart noch viel mehr als bei Feldspielern. Die erfolgreichsten Torhüter sind nicht unbedingt die, die über die beste Technik verfügen. Kahn ist ein gutes Beispiel. Durch seine mentale Stärke hat er das Maximale rausgeholt. Damit kann man viel kompensieren. Ich glaube, dass da längst noch nicht alle Potenziale ausgeschöpft sind.
"Ich bin schon als Kind ins Olympiastadion gegangen, Unterrang Mitte."
In der Zweiten Liga hat Herthas Torhüter Thomas Kraft oft wenig zu tun bekommen. In der Bundesliga wird das vermutlich anders sein. Wie bereiten Sie ihn darauf vor?
In der Bundesliga wird das gegenseitige Coaching noch wichtiger werden. Jos Luhukay legt großen Wert darauf, dass sich die Mannschaft kompakt verschiebt. Wenn auch die Torhüter ihren Beitrag dazu leisten, müssen sie gar nicht mehr zu tun bekommen. Weil die Chancen für den Gegner dann nicht entstehen.
Haben Sie schon mal mit Ihrem Vorgänger Christian Fiedler gesprochen?
Bisher noch nicht. Ich wollte mir erst einen eigenen Eindruck verschaffen, bevor ich mit ihm spreche. Außerdem ist das auch für mich eine komische Situation.
Kraft hatte ein gutes Verhältnis zu Fiedler. Hatten Sie ein mulmiges Gefühl vor dem ersten Aufeinandertreffen?
Das nicht. Es ist normal, dass man als Torwarttrainer ein intensives Verhältnis zu seinen Schützlingen hat. Einen Tag vor dem offiziellen Trainingsstart haben wir uns getroffen: die drei Torhüter, Jos Luhukay und ich. Da saßen wir eine Stunde zusammen. Ich bin schnell zu der Überzeugung gelangt, dass wir uns gut verstehen und gut zusammenarbeiten werden.
Kraft wirkt oft sehr herrisch. Muss er sein Verhalten ändern?
Ich habe nicht das Gefühl, dass es da Probleme gibt. Man sieht schon, dass Thomas als Torwart eine gewisse Dominanz ausstrahlt. Aber das ist auch gut.
Wissen Sie eigentlich, wie Luhukay auf Sie gekommen ist?
Er hatte bestimmte Kriterien, die der neue Torwarttrainer erfüllen sollte: Erfahrung als Spieler, Erfahrung als Trainer. Dazu kommt, dass Hertha relativ junge Torhüter hat und ich zuvor im Nachwuchs gearbeitet habe. Das waren schon Argumente, die für mich gesprochen haben. Vielleicht hat sich auch herumgesprochen, dass die Situation beim HSV ein bisschen kompliziert war. Jedenfalls war die Bereitschaft, etwas Neues zu machen, bei mir besonders ausgeprägt.
Welche Rolle hat Berlin gespielt?
Eine große. Das Hauptargument war, in der Ersten Liga zu arbeiten, aber ich weiß nicht, ob ich zu einem Verein gewechselt wäre, zu dem ich keine Beziehung habe. Hertha und Berlin waren für mich sozusagen der Zusatznutzen. Ich musste nicht lange nachdenken.
Sie sind 1985 aus Berlin weggegangen. Erkennen Sie Ihre Heimatstadt noch wieder?
Nee, eben nicht. 50 Prozent der Stadt muss ich erst noch kennenlernen. Das macht Berlin ja so spannend.
Und Hertha?
Ich bin schon als Kind ins Olympiastadion gegangen, Unterrang Mitte. Mein Favorit war damals Gregor Quasten. Ich weiß noch, dass er ein silbernes Uhlsport-Trikot getragen hat. Das habe ich mir auch besorgt und mit rotem Edding das Sparkassenlogo vom Sponsor daraufgemalt. Damals war das Merchandising noch nicht so professionell wie heute.