Wie fühlt sich ein Geisterspiel an?: „Der Spaß liegt eher im Minusbereich“
Alexander Klitzpera war 2004 dabei, als Alemannia Aachen und der 1. FC Nürnberg vor leeren Rängen spielen mussten. Im Interview erinnert er sich.
Alexander Klitzpera, 42, war Spieler und Sportdirektor bei Alemannia Aachen. Im Januar 2004 stand er beim ersten Geisterspiel des deutschen Fußballs auf dem Platz, als die Alemannia wegen Ausschreitungen ihrer Fans gegen den 1. FC Nürnberg vor leeren Rängen antreten musste. Aachen gewann die Begegnung 3:2. Inzwischen ist Klitzpera beim Zweitligisten Hannover 96 als Sportkoordinator tätig.
Herr Klitzpera, auf einer Skala von 1 bis 10: Wie viel Spaß macht ein Geisterspiel?
Der Spaß liegt eher im Minusbereich. Mit einem normalen Fußballspiel und der typischen Stadionatmosphäre hatte das damals nichts zu tun. Im Gegenteil. Das hatte eher einen Trainings- oder Freundschaftsspielcharakter. Und war doch noch mal anders, weil in einem leeren Stadion einfach eine ganz andere Akustik herrscht.
Wegen Zuschauerausschreitungen war die Zweitligapartie zwischen Alemannia Aachen und dem 1. FC Nürnberg annulliert worden. Die Wiederholung fand Ende Januar 2004 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Was ist Ihnen von diesem ersten Geisterspiel des deutschen Fußballs in Erinnerung geblieben?
Das Spiel ist damals eine Woche vor Rückrundenbeginn nachgeholt worden. Mit einem Sieg konnten wir noch Herbstmeister werden, was wir dann auch geschafft haben.
Aachen gewann 3:2.
Genau. Deswegen waren wir grundsätzlich sehr positiv gestimmt, unabhängig von den Begleitumständen des Spiels. Du versuchst auch die Begebenheiten auszublenden, aber das geht gar nicht. Du hast gehört, was jeder einzelne Spieler gesagt hat. Du hast gehört, was der Trainer oder die Betreuer von der Seitenlinie reingerufen haben. Dadurch bist du als Spieler auch irritiert, weil du es anders gewohnt warst.
Der Aachener Tivoli galt in jener Zeit als besonders stimmungsvoll. Die Diskrepanz zu einem normalen Spiel muss dadurch noch krasser gewesen sein.
Auf jeden Fall. In jener Phase war eigentlich jedes Spiel von uns ausverkauft, es gab eine extreme Euphorie in der Stadt, auch im Stadion. Schon in der Kabine vor dem Anpfiff hast du gehört, wie die Massen auf der Tribüne getobt haben. Und auf einmal war es das extreme Gegenteil. Du hast gar nichts gehört.
Sind die besonderen Bedingungen des Spiels vorab thematisiert worden?
Wir haben damals unser Abschlusstraining häufiger im Stadion abgehalten, auch ohne Zuschauer. Deswegen kannten wir die Situation zumindest ein bisschen. Aber ein Spiel ist noch etwas anderes. Man sollte sich darauf vorbereiten, wird sich aber nicht endgültig darauf vorbereiten können – weil man es nicht kennt. Und selbst wenn man es weiß, fühlt es sich noch einmal anders an. Das eine ist Wissen, das andere Erleben. Der einzige Vorteil war, dass du die Anweisungen deines Trainers auch am anderen Ende des Platzes noch gehört hast. Das ist bei einem normalen Spiel mit Zuschauern nicht der Fall.
Es war also ein bisschen wie in der A-Jugend, wenn nur ein paar Verwandte am Spielfeldrand stehen.
In der Jugend spielst du ja nicht in einem leeren Stadion mit Tribünen an allen Seiten. Gegen Nürnberg im Stadion war es noch mal anders. Einfach weil es so gehallt hat. Wenn ich einem Kollegen etwas zugerufen habe, gab es ein leichtes Echo, so als würdest du dich doppelt hören.
Hat das dazu geführt, dass Sie im Spiel weniger geredet haben als sonst?
Der eine oder andere wird mit Sicherheit weniger gesprochen haben, weil er sein eigenes Wort permanent gehört hat. Aber ich war ein recht kommunikativer Spieler. Und du versuchst in einem solchen Spiel ja auch, die Umstände irgendwie auszublenden, dich trotz allem auf deinen Job zu fokussieren.
Gab es Anfeuerungen von den Ordnern oder den Sanitätern, die ins Stadion durften?
Es gab Sprechchöre, ja. Aber wenn die von ein paar wenigen Leuten kommen, klingt das natürlich anders. Ich meine, es hätten sich auch Fans vor dem Stadion getroffen, die versucht haben, Stimmung zu machen, ohne dass sie das Spiel verfolgen konnten.
Man hat von der Begegnung vor allem das Gespenst vor Augen, das bei dem Geisterspiel auf den leeren Rängen umherlief. Ist das von Alemannia inszeniert worden?
Ja, hab’ ich im Nachhinein erfahren.
Sie wissen also, wer unter dem weißen Laken steckte.
Ich weiß es, ja.
Und? Sagen Sie es uns?
(Lacht.) Da müssen Sie noch ein bisschen recherchieren.