Tennis - Wimbledon - Williams: Der Serena-Slam ist perfekt
Grand-Slam-Sieg Nummer 21 - und der vierte in Folge: Serena Williams gewinnt zum sechsten Mal in Wimbledon und nennt damit aktuell alle großen Titel im Tennis ihr Eigen. Dieses Gefühl kennt sie schon.
Serena Williams hatte einfach auf stumm geschaltet. Sie wollte partout nichts hören in den vergangenen zwei Wochen in Wimbledon. Wann immer das Gespräch auf ihren möglichen Rekord kam, auf ihr nächstes Rendezvous mit der Tennishistorie, blockte Williams sofort wie einer der berühmten drei Affen ab. „Die Stummtaste fühlt sich sehr gut an“, sagte Williams vor ihrem achten Wimbledon-Finale, „kein Druck, kein Gedanke daran – mein Kopf ist völlig frei.“
Doch so einfach ausblenden lässt sich Geschichte eben nicht, schon gar nicht in den ehrwürdigen Mauern des All England Clubs, wo man die großen Tage des Tennissports förmlich atmen kann. Und die Ausnahmespielerin Serena Williams war kurz davor ein weiteres, dickes Kapitel aufzuschlagen. Als sie den Centre Court betrat, unter den Augen etlicher Tennislegenden wie Martina Navratilova und Virginia Wade, erwischte Williams das Gewicht der Erwartungen dann doch mit voller Wucht. Stummtaste hin oder her. Sie begann so nervös, wie man es eigentlich von ihrer unerfahrenen spanischen Gegnerin Garbiñe Muguruza befürchtet hatte. Doch dann untermauerte die 33-jährige US-Amerikanerin, was sie einzigartig macht.
Es dauerte einen Moment, bis es Williams wirklich glauben konnte. Dann hüpfte sie doch noch wie ein Flummi über den Rasen und hörte nicht mehr auf zu strahlen. Der Druck fiel von ihr ab. „Es fühlt sich toll an“, jubelte Williams, „sie hat so gut gespielt und am Ende war es nochmal eng – ich war froh, als es vorbei war.“ Mit 6:4, 6:4 hatte sie mehr als nur ihren sechsten Wimbledon-Titel gewonnen. In ihrem 25. Grand-Slam-Finale holte sie ihre insgesamt 21. Trophäe und damit fehlt ihr nur noch eine, um mit dem Rekord von Steffi Graf gleichzuziehen.
Steffi Graf war 1988 die letzte Spielerin, die den echten Grand-Slam schaffte
Graf war auch die letzte Spielerin, der es 1988 gelang, alle vier Major-Turniere innerhalb eines Kalenderjahres zu gewinnen. Williams hat sich mit ihrem Triumph in Wimbledon die Option auf dieses seltene Kunststück, den echten Grand Slam, noch offen gehalten. Doch eine weitere Bestmarke knackte Williams bereits jetzt: Sie gewann die letzten vier Grand-Slam-Turniere seit den US Open 2014 und machte damit den zweiten „Serena Slam“ nach 2002/03 perfekt. „Es ist so cool, dass ich das wieder geschafft habe“, freute sie sich.
Dabei hatte die Favoritin einen katastrophalen Start hingelegt. Mit allein drei Doppelfehlern, erschreckenden Unsicherheiten und Streuungen in den Schlägen schenkte sie der 21-jährigen Spanierin quasi ihr erstes Aufschlagspiel, das acht Minuten dauerte. Muguruza, die als Erste ihres Landes seit Arantxa Sanchez-Vicario 1996 im Wimbledon-Finale stand und als Erste seit Conchita Martinez 1994 den Titel für Spanien gewinnen wollte, bot dagegen eine mutige Vorstellung. Mit ihrem kraftvollen, modernen Offensivspiel hatte sie sich in ihr erstes Endspiel gekämpft und trieb Williams zu Wutausbrüchen.
Serena Williams hatte 13 Jahre nach ihrem ersten Wimbledon-Sieg wieder triumphiert
Im ersten Satz schrie sich Williams den Frust heraus, als ihr endlich das Re-Break zum 4:4 gelang. Die Nummer eins der Welt gewann anschließend den ersten Durchgang und machte fünf Spiele in Folge zur 5:1-Führung im zweiten Satz. Doch Muguruza bäumte sich noch einmal auf und verzückte mit ihrer furiosen Aufholjagd die 15 000 Zuschauer auf den Rängen. Die Weltranglisten-20. kam auf 4:5 heran, wehrte gar einen Matchball ab.
Doch Williams wollte um jeden Preis gewinnen. Als Muguruza eine Vorhand neben die Linie setzte, hatte Williams 13 Jahre nach ihrem ersten Wimbledon-Sieg wieder triumphiert, als älteste Spielerin der Profi-Ära. Der Spanierin blieben die Sympathien der Fans und die Aussicht auf eine goldene Zukunft. „Sei nicht traurig, Garbiñe“, sagte Williams, „du wirst diese Trophäe schon bald halten.“
Wenn Serena Williams irgendwann einmal nicht mehr triumphieren sollte.
Petra Philippsen