Anklage gegen Zwanziger, Niersbach und Schmidt: Der Rechtsstaat spielt jetzt gegen den Fußball auf Angriff
Die Widersprüche um eine Zahlung bei der WM 2006 sind immer noch ungeklärt. Gut, dass sie nun von einem ordentlichen Gericht aufgeklärt werden sollen. Ein Kommentar.
Das Sommermärchen könnte jetzt also auch noch vor Gericht landen. Zwölf Jahre nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland droht den ehemaligen Funktionären des Deutschen Fußball-Bundes Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt ein Prozess wegen Steuerhinterziehung. Es geht immer noch um die kuriosen Wege, die 6,7 Millionen Euro vor der WM genommen haben. Erst zum Fifa-Exekutivmitglied Mohamed Bin Hammam, womöglich als Bestechungsgeld, später über die Fifa zum ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Jedenfalls sind sie am Fiskus vorbeigegangen, und die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hält die Funktionäre für verantwortlich.
Zwanziger, während der WM 2006 Präsident des DFB, ist Jurist genug, um dazu eine plausibel klingende Einschätzung zu geben. Er habe keine Veranlassung gehabt, den DFB noch reicher zu machen. Die Staatsanwaltschaft wolle diese "heiße Kartoffel" nur loswerden und weiterschieben in den Gerichtsaal, sagte Zwanziger der "Bild". Diese Selbstverteidigung ist sein gutes Recht, ebenso die Erklärungen von Niersbach und Schmidt, dass die Vorwürfe, die Finanzbehörden getäuscht zu haben, völlig haltlos seien. Doch zugleich ist auch die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nachvollziehbar. Es gibt zu viele Widersprüche und Anschuldigungen rund um die Vergabe der WM bis hin zu Datenlöschaktionen und warum sollten die nicht mit den Mitteln geklärt werden, die in einem Strafprozess zur Verfügung stehen? Die Aufklärung innerhalb der Sportverbände hat jedenfalls nicht funktioniert, auch nicht mit Prüfberichten irgendwelcher Großkanzleien.
Das Pendel schlägt zurück
Vor Gericht könnte nun geklärt werden, wer beim Sommermärchen zu den Märchenerzählern gehört. Das ist auch deshalb folgerichtig, weil Strafverfolgungsbehörden nicht unabhängig vom Zeitgeist ermitteln. Früher hätte es im Zweifel noch passieren können, dass Vorwürfe unter den Tisch gefallen wären, der Deutsche Fußball-Bund galt doch als ehrenhaft und systemrelevant für nationale Befindlichkeiten. Inzwischen ist das Pendel zurückgeschlagen, es ist zu viel ans Licht gekommen über das Gebaren bei der Vergabe von internationalen Megaereignissen wie die Fußball-WM eins ist. Aus der Abwehrhaltung wurde eine Angriffshaltung in den Ermittlungsbehörden. Auf einen Prozess darf man gespannt sein. Das Mindeste, was dabei herauskommen könnte, wäre eine Mahnung. Dass es für den großen Fußball kein Sonderrecht gibt, nur weil es um den Gefühlsrausch eines ganzen Landes geht.