Skisprung-Trainer Schuster: Der Psychologe aus Österreich
Werner Schuster hat die deutschen Skispringer zurück in die Weltspitze geführt. Seit der Österreicher 2008 seine Aufgabe im DSV übernommen hat, ist das gesamte Förderungs- und Nachwuchssystem umgekrempelt worden.
Im Frühjahr 2010 erlebte Horst Hüttel seine bisher schwersten Tage im Amt als Sportlicher Leiter der Disziplin Skisprung im Deutschen Skiverband. „Fünf Wochen nach den Olympischen Spielen von Vancouver war unsere Form weg und wir sind komplett zerrissen worden.“ Beim Weltcupspringen in Oslo kam kein einziger deutscher Springer in den zweiten Durchgang der besten 30. Horst Hüttel aber hielt an seinem Bundestrainer Werner Schuster fest – und sieht sich heute bestätigt: „Jetzt fügen sich ein paar Dinge zusammen, auf die man vier Jahre hingearbeitet hat.“
Wenn am Sonntag (16 Uhr, live im ZDF) in Oberstdorf die Vierschanzentournee startet, zählen die deutschen Springer erstmals seit langem wieder zu den Mitfavoriten. Severin Freund kann sich Hoffnungen auf den Gesamtsieg machen, der 17 Jahre alte Andreas Wellinger und Richard Freitag könnten bei der Vergabe der Podestplätze oder den Tagessiegen eine Rolle spielen. So zahlreich erstarkt ist die junge deutsche Skisprung-Mannschaft, dass sogar der Olympiasieger Stephan Hocke für sich keine sportliche Chance mehr sieht und nun mit 29 Jahren seine Karriere beendet hat.
„Wir haben eine produktive Teamdynamik, die uns erstmalig auch realistische Chancen gibt, bei der Vierschanzentournee nicht zu reagieren, sondern zu agieren“, sagt Bundestrainer Werner Schuster. Der 44 Jahre alte Österreicher steht hinter der Rückkehr der deutschen Mannschaft in die Weltspitze. Das weiß auch der Cheftrainer der seit Jahren dominierenden österreichischen Skispringer, wenngleich Alexander Pointner sein Lob etwas süffisant ausdrückt: „Der Wissenstransfer aus Österreich ist mit Sicherheit in Deutschland angekommen.“ Schusters Vorgesetzter hingegen schwärmt offen von dessen Fachkompetenz und seinem Gespür für Situationen und Talente. „Er wackelt nicht von einem Monat hin und her, sondern verfolgt klare Ziele“, sagt Horst Hüttel, „und er zeigt die Bereitschaft, sich Experten ins Team zu holen und sagt nicht: Ich weiß alles.“
Seit Schuster 2008 seine Aufgabe im DSV übernommen hat, ist das gesamte Förderungs- und Nachwuchssystem umgekrempelt worden. Eine Arbeit, die sich in dieser Saison erstmals wirklich auszahlt. „Das Wichtige an den Erfolgen der Nachwuchsspringer Andreas Wellinger und Karl Geiger ist, dass sie uns zeigen, dass man mit unserem deutschen System Weltklasse werden kann“, sagt Hüttel.
Schusters persönliche Erfolge als Skispringer blieben dagegen bescheiden
Kein Wunder, dass er am liebsten sofort den Vertrag mit dem Skisprung-Bundestrainer über das Jahr 2015 hinaus verlängern würde: „Unser Fernziel ist es, ihn extrem lang an uns zu binden.“ Das könnte gelingen, an eine Gehaltserhöhung für die neuen Erfolge denkt Werner Schuster derzeit jedenfalls nicht. „Ich habe 2008 in einer schwierigen Situation das Vertrauen des DSV erhalten, der Verband hat auch in weniger guten Zeiten zu mir gestanden, da gibt es keinen Grund, irgendwelche Forderungen zu stellen“, sagt Schuster.
Horst Hüttel sieht unter Schuster die besten Chancen, die hochgesteckten Ziele des Verbandes in den nächsten Jahren zu erreichen. „Wir wollen wieder Titel gewinnen“, sagt der Sportliche Leiter. Bei den Weltmeisterschaften 2013 und 2015 und bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi sollen wieder deutsche Skispringer auf dem obersten Siegertreppchen stehen.
Werner Schusters persönliche Erfolge als Skispringer blieben dagegen bescheiden. „Ich war ein guter Jugendspringer, habe dann ein bisschen den Anschluss verloren“, sagt er. Einst sprang er gemeinsam mit Alexander Poitner. „Wir waren beide keine Heroen, sondern ordentliche Springer“, sagt Schuster. „Dass jeder seinen Weg gemacht hat und in der internationalen Skisprungszene seinen Platz gefunden hat, ist doch toll.“
Werner Schuster hat in Innsbruck Sport und Psychologie studiert, sein Schwerpunkt liegt in der Ausbildung von Nachwuchsspringern. „Das ist mein Kerngeschäft, das habe ich gelernt“, sagt er. Einst trainierte er im österreichischen Skigymnasium Stams eineinhalb Jahre lang einen jungen Österreicher namens Gregor Schlierenzauer. Der Olympiasieger, fünfmalige Weltmeister und Vierschanzentourneesieger äußerte sich zuletzt verhalten über seinen ehemaligen Trainer: „Er ist psychologisch nicht schlecht für junge Athleten, er hat eine tolle Philosophie, aber er ist nicht der Trainer, unter dem ich das Skispringen verstanden habe.“ Irgendwie verständlich, dass er den Trainer seiner größten Konkurrenten nicht zu sehr loben will. Weshalb wiederum seine Zurückhaltung trotzdem als Hochachtung verstanden werden kann.