Nationalspieler Max Kruse beim Poker: Der Mann zockt einfach für sein Leben gern
Max Kruse verdient sein Geld nicht nur auf dem Fußballplatz. Der Profi spielt gern Poker - und das überaus erfolgreich. Seine Gewinne streicht er aber nicht nur für sich ein.
Die Geste wirkt mindestens so professionell wie belanglos. Den Kopf leicht gelangweilt zur Seite geneigt und mit der linken Hand abgestützt, den Blick starr auf den Tisch gerichtet, dazu stilistisch einwandfreie Kopfhörer um den Hals. So ist Max Kruse gerade wieder auf Fotos zu sehen, und angesichts seines (Nicht-)Bewegungsablaufs ahnt der gemeine Sportfan bereits: Mit seiner eigentlichen Profession, dem Fußballspielen, kann das nur wenig bis gar nichts zu tun haben. Hat es natürlich auch nicht. Trotzdem drehen dieser Tage diverse Aufnahmen des Nationalspielers ihre Runden durch das Internet, sie zeigen Kruse beim Zeitvertreib in der fußballfreien Phase: am Spieltisch in Las Vegas. Und ganz offensichtlich hat er sich dabei sehr ordentlich angestellt: Ein Turnier der "World Series of Poker" (WSOP) beendete der Neuzugang des VfL Wolfsburg am Sonntagabend (Ortszeit) als 26. von 387 Spielern. Im Casino-Sprech: Kruse hatte aus 10 000 Dollar Einsatz 23 500 Dollar gemacht. Nicht die schlechteste Ausbeute für ein paar Stunden Kartenspielen.
Kein Neuling am Pokertisch
Kruse ist kein Neuling am Pokertisch. Das lässt sich schon an der Spielform erkennen, in der er jetzt erfolgreich war: Im Gegensatz zur beliebtesten und am weitesten verbreiteten Pokervariante, dem "Texas Holdem", erhalten die Spieler beim "Omaha" vier statt der üblichen zwei Karten. Das Spiel wird dadurch um ein Vielfaches komplizierter, die mathematischen Anforderungen steigen. Bei aller Komplexität konnte Kruse aber auch von Erfahrungen aus den Vorjahren profitieren. Schon 2014 hatte er es, ebenfalls in Las Vegas, an den Finaltisch eines WSOP-Turniers geschafft und als Dritter 36 400 Dollar gewonnen. In den nächsten Tagen will der Angreifer sogar ein noch größeres Turnier spielen, Teilnahmegebühr: 25 000 Dollar. Vor dem 3. Juli werde er Las Vegas nicht verlassen, sagte Kruse. Im Gegensatz zu seinen Kollegen aus dem Verein muss der Nationalspieler erst am 8. Juli auf dem Trainingsplatz in Wolfsburg erscheinen.
"Was unsere Spieler im Urlaub machen, ist Privatsache"
Dort haben sie offenbar kein Problem mit Kruses Hobby. „Was Spieler bei uns im Urlaub machen, ist Privatsache. Wenn er dann auch noch gewinnt, dann ist das doch gut für ihn", sagte Trainer Dieter Hecking der Nachrichtenagentur dpa, "dann hat er seinen Urlaub wenigstens finanziert“. Zudem berichtete Hecking davon, "mit Max ganz offen darüber gesprochen" zu haben. "Anders wäre es, wenn er in der Saison solche Termine wahrnehmen würde." So gesehen muss sich der Trainer allerdings nicht sorgen: die meisten Turniere der Poker-WM finden im Juni statt. Zudem scheint das (finanzielle) Risiko für Kruse nicht nur deshalb überschaubar, weil er Fußball-Nationalspieler ist – sondern weil man bei WSOP-Turnieren maximal den Einsatz für ein Turnierticket verlieren kann. Wer aus dem Turnier fliegt, ist und bleibt draußen – egal, wie viel Geld er oder sie auch auf den Tisch legen würde. Kruse hat zudem angekündigt, seine Pokergewinne wie gewohnt wohltätigen Zwecken zukommen zu lassen. Womöglich haben sie in Wolfsburg auch deshalb recht entspannt reagiert, als das Thema aufkam.
Poker ist gesellschaftlich etabliert
Andererseits überrascht der offene Umgang mit der Zockerei nicht angesichts der Entwicklung in den letzten Jahren: Das Pokerspiel, das lange in halbseidenen Kreisen verortet wurde, ist durch den Internet-Boom um die Jahrtausendwende längst gesellschaftlich etabliert, und zwar nicht nur in Übersee, sondern auch in Deutschland. Mittlerweile laufen die großen Turniere im frei empfangbaren Fernsehen, und auch die Teilnehmerzahlen sprechen für sich: 1995 starteten beim "Main Event" der WSOP in Las Vegas noch 273 Spieler, auf dem Höhepunkt elf Jahre später waren fast 9000 Menschen bereit, jeweils 10 000 Euro für ein Ticket hinzulegen, heute nehmen im Schnitt jährlich 7000 Spieler aus aller Welt am größten und wichtigsten Turnier teil. Kein Wunder also, dass irgendwann auch mal ein deutscher Profisportler in den Siegerlisten auftaucht.
In anderen Ländern, etwa den USA, ist es ohnehin längst normal, dass Profisportler an der WSOP teilnehmen. Vor ein paar Jahren pokerte der damalige Schwergewichtsweltmeister Lennox Lewis bei einigen Turnieren, ganz zu schweigen von Footballern oder Basketballern. Wie man es eher nicht machen sollte, zeigte dabei Charles Barkley. Der ehemalige NBA-Superstar verzockte einst so viel Geld, dass er sich in den Casinos der USA sperren ließ. Aus eigenem Interesse.
Christoph Dach