WM 2014 - Kolumbien-Trainer Jose Pekerman: Der Magier, der durch die Hölle ging
In Argentinien verspottet, in Kolumbien verehrt: José Pekerman formte sein Team zum Geheimfavoriten. Seine Weltmeisterschaftskarriere startete er im Taxi.
Seine WM-Premiere erlebte José Pekerman 1978 – als Taxifahrer in Buenos Aires. Ein Jahr zuvor hatte er seine Karriere als Profi wegen eines Knieschadens beenden müssen. „Es war ein unsanfter Aufprall in die Realität. Aber ich hatte immer ein Lächeln im Gesicht“, sagte er.
Pekerman rappelte sich auf, fand zurück zum Fußball und machte sich als Nachwuchstrainer einen Namen. Als Juniorentrainer gewann er für Argentinien drei U-20-Weltmeisterschaften und empfahl sich so für den Job als Nationaltrainer, den er 2004 vom glücklosen Marcelo Bielsa übernahm. Die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gelang spielend. Pekerman schien dem Höhepunkt seiner Karriere entgegen zu streben – und stürzte gnadenlos ab.
Das Ende aller Träume kam im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 2006. Im Elfmeterschießen scheiterte Argentinien an Jens Lehmann, den eigenen Nerven und falschen Wechseln. Bis heute haben es ihm die heimischen Fans und Medien nicht verziehen, dass Pekerman auf das damals 19-Jährige Wunderkind Lionel Messi verzichtet und Juan Riquelme ausgewechselt hatte. Ausgerechnet er, der „Jugendtrainer“, wie ihn seine Kritiker spöttisch nannten. Willkommen zurück in der Realität, wieder einmal. Pekerman trat noch am selben Abend von seinem Amt zurück und flüchtete vor dem Zorn ins mexikanische Asyl.
Bei der WM 2006 verzichtete er gegen Deutschland auf Lionel Messi
Im Dezember 2011 dann erreichte ihn der Anruf des kolumbianischen Verbands. Pekerman zweifelte, denn Kolumbiens Fußball lag am Boden. Seit der goldenen Generation um Carlos Valderrama konnte die Mannschaft kaum noch auf sich aufmerksam machen, viel Hoffnung auf Besserung bestand auf den ersten Blick nicht. Doch Pekerman reizte die Aussicht, noch einmal auf die große WM-Bühne zurückzukehren und die Schmach von 2006 auszumerzen. Die Presse war skeptisch, begrüßte ihn als „überteuerten Argentinier“, der „zu alt, zu leise und zu wenig charismatisch sei“.
Zwei Jahre später hat sich das Bild komplett gewandelt. Nach der Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Brasilien bot ihm der kolumbianische Präsident die Ehrenstaatsbürgerschaft an. Auch Carlos Valderrama adelte den einst so frostig empfangenen Trainer: „Seine Arbeit verlangt mir Respekt und Bewunderung ab. Er hat die Identität des kolumbianischen Fußballs wiederhergestellt.“ Pekerman hat der Mannschaft nach dem Ausfall von Superstar Radamel Falcao eine „Jetzt-erst-recht“-Haltung eingeimpft. Seine Spieler verehren ihn.
In Kolumbien wurde Pekerman die Ehrenstaatsbürgerschaft angeboten
Als er beim 4:1 gegen Japan kurz vor Schluss Torhüter Faryd Mondragon (43) zum ältesten Spieler der WM-Geschichte machte, bedankte der sich mit einem Küsschen. Und auch in der heimischen Presse wird Pekerman längst als Heilsbringer verehrt. Als „pure Magie“ bezeichnete „El Tiempo“ die Taten des Nationaltrainers: „Pekerman muss scheinbar nur mit den Fingern schnippen und dabei kommen Tore, Triumphe, Huldigungen, Beifallstürme, herzzerreißender Jubel und unglaubliche Emotionen heraus.“
Sollte Kolumbien im Viertelfinale auch gegen Gastgeber Brasilien gewinnen und den größten Erfolg in der Fußballgeschichte des Landes perfekt machen, werden sie ihm vermutlich ein Denkmal errichten. Pekerman bleibt davon unbeirrt. „Ich bin immer den Weg gefahren, von dem ich glaubte, dass er der beste ist“, sagte er einmal. Ob als Taxifahrer oder als Trainer.