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Immer mit der Ruhe. Mark Bell behält auf dem Eis meistens den Überblick.
© Imago

Eisbären-Spieler Mark Bell: Der leise Sozialarbeiter

Mark Bell spielt erst seit einem Monat für den deutschen Eishockey-Meister Eisbären Berlin. In der Mannschaft von Trainer Jeff Tomlinson gehört der 33-jährige Kanadier aber bereits zu den Anführern. Ein Portrait.

Wenn Eisbären-Trainer Jeff Tomlinson über Mark Bell spricht, greift er zu einem der größten Komplimente, die beim Deutschen Eishockeymeister zu vergeben sind: „Er ist ein leiser Anführer. Er redet nicht viel in der Kabine, aber wenn er etwas sagt, hören alle genau zu – wie früher bei Denis Pederson.“ Das will etwas heißen, zählte Pederson doch zusammen mit Stefan Ustorf oder Steve Walker zu den unumstrittenen Autoritäten in jenen Jahren, als sich die Eisbären zum Serienmeister entwickelten. Ihr Ruf bei den Fans ist legendär, seit ihrem Abschied kommt regelmäßig die Diskussion über fehlende Führungsspieler auf. Gerade in dieser Saison, in der es für die Eisbären bislang nicht so gut läuft.

Denn ihre Nachfolger sind andere Typen: Kapitän André Rankel, Frank Hördler oder Florian Busch sind in der Hierarchie aufgestiegen – aber sie haben ihre gesamten Profikarrieren bei den Eisbären verbracht und mussten sich anders als ihre Vorgänger nie dem immensen Erfolgsdruck stellen, der in der nordamerikanischen Eishockeykultur herrscht.

Mark Bell kennt diesen Druck hingegen zur Genüge: 459 Spiele absolvierte er in der National Hockey League (NHL). Schon zu Beginn seiner Profikarriere stand der 33-jährige Kanadier, der seit knapp vier Wochen für die Eisbären spielt, unter verschärfter Beobachtung: 1998 wurde er im Draft, dem Verfahren, in dem sich die NHL-Teams die größten Talente sichern, als achter aller Kandidaten von den Chicago Blackhawks ausgewählt. Für einen Nachwuchsspieler ist das eine Auszeichnung, aber auch eine große Verpflichtung: Es wird erwartet, dass er in der NHL zum Topstar aufsteigt. „Vor allem in Kanada herrscht ein extrem hoher Druck, alle schauen auf dich. Damit muss man klarkommen,“ sagt Bell.

Aber Bell, der heute auf und neben dem Eis so souverän wirkt, ist mit der permanenten Anspannung nicht immer zurechtgekommen. 2007 verursachte er angetrunken einen Autounfall und beging Fahrerflucht. Dafür wurde er zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die später in Sozialdienst umgewandelt wurde. „Ich hatte gerade einen neuen Vertrag unterschrieben und stand dadurch zusätzlich unter Druck“, sagt Bell, „da kommt manchmal der Punkt, an dem man einfach nicht mehr an das Spiel denken will und dumme Entscheidungen trifft. Genau das ist mir damals passiert.“

Sein Fehler habe ihn verändert, sagt Bell. Heute scheint ihn nichts mehr aus der Ruhe zu bringen. Das schätzt sein Trainer an ihm: „Wenn während des Spiels alle auf der Bank hektisch werden, bleibt er ganz cool.“ Diese Gelassenheit mache ihn zu einem „Glücksfall“ für die Eisbären: „Wir haben genug Spieler, die marschieren können. Aber er denkt das Spiel“, sagt Tomlinson. Ihm komme es oft so vor, als ob Bell das Treiben auf dem Eis wie in Zeitlupe wahrnehme und daher sehr überlegte Entscheidungen treffen könne.

Bell hat kein Problem damit, als Neuling gleich eine Führungsrolle zu übernehmen: „Ich genieße das“, sagt er, „ich habe in so vielen Mannschaften ganz unterschiedliche Rollen gespielt. Diese Erfahrungen möchte ich weitergeben.“ Aber eben auf seine Art: „Ich bin bestimmt keiner, der in der Kabine herumbrüllt.“

Am Freitag (19.30 Uhr, Arena am Ostbahnhof) soll Mark Bell nun gegen die Iserlohn Roosters, die Mannschaft, für die er in der vergangenen Saison antrat, das Spiel der Eisbären in ruhige Bahnen lenken.

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