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Kaká AC Mailand
© AFP

Europas Fußballer des Jahres: Der gute Mensch vom Fußballplatz

Der Brasilianer Kaká ist bescheiden, Europas Fußballer des Jahres und möchte später einmal Priester werden. Vor allem ist er völlig untypisch für einen Brasilianer.

Es war einer der wenigen Glücksmomente des italienischen Fußballs. Als Ricardo Izecson dos Santos Leite alias Kaká am Sonntagabend den vergoldeten, mit Halbedelsteinen besetzten Ball für den besten Fußballer Europas auf der Loggia vis-à-vis vom Gotikdom in die Höhe stemmte und ihn anschließend küsste, stimmten tausende Tifosi auf dem Mailänder Domplatz die Hymne des AC Mailand an. Kaká setzte sein breites Lächeln auf und grüßte die Menge, die ekstatisch reagierte. Obwohl Brasilianer, ist Kaká das gute Gesicht des italienischen Fußballs und verwandelte die Veranstaltung in eine PR-Aktion für den Fußball. Schüchtern und zaghaft registrierte der 25-Jährige in der Pressekonferenz danach unter den aufmerksamen Augen seiner stolzen Mutter Simone die Fragen der Journalisten und antwortete dann ohne Umschweife. In seinen Worten gibt es nie Misstöne. Oder fast nie. Er ist ein Mann ohne Allüren. „Ich bin nicht perfekt“, sagte er, „ich bin ein einfacher junger Mann wie viele andere auch und mache das, was man in meinem Alter so macht!“ Er selbst hätte übrigens für den Mannschaftskameraden Andrea Pirlo votiert, wenn er den besten Fußballer Europas hätte wählen können.

Der gläubige Kaká weiß genau, wem er für diesen Erfolg Dank aussprechen muss. „Ich danke Gott, Milan und schließlich meiner Familie, die mich stets unterstützt hat“, sagt er. Es fiel auf, dass der brasilianische Protestant zuerst Gott erwähnte. Wenn er mal mit dem Fußball aufhöre, wolle er als Priester tätig sein, sagte er in den letzten Tagen.

Kaká, der seine Jugendfreundin Caroline heiratete und demnächst Vater wird, passt überhaupt nicht ins Klischee des brasilianischen Fußballers. Er spielt Fußball, nicht weil er der sozialen Armut seines Landes entkommen wollte, sondern weil er Freude am Spiel hat. Sein Vater ist Arzt, auch wenn er nicht mehr regelmäßig praktiziert. Seine Familie demonstriert eine seltene Einmütigkeit und ist ganz nach Mailand umgezogen. Die Mutter Simone mit ihrem sonnigen Gemüt, die sich mit ihrer Eleganz und dem Charme in der Modemetropole heimisch fühlt, erzählt von Kakás Anfängen als Fußballer. Ob sie nicht entsetzt gewesen sei, als der kleine Knirps ihr seinen Wunsch offenbarte, Fußballprofi zu werden? „Egal ob du Anwalt, Arzt oder Fußballer werden willst“, habe sie ihm gesagt, „wichtig ist nur, dass du es gut und ehrenhaft machst.“ Und das sei schließlich der Fall.

Auch Kakás um drei Jahre jüngerer Bruder Digao, der ebenfalls beim AC Mailand unter Vertrag steht, aber bislang nicht zum Einsatz gekommen ist, erzählte dann von ihrem Umgang miteinander. Rivalität zwischen den Brüdern sei nie aufgekommen, sagte der hünenhafte Digao. Kaká, wie er als Kind seinen größeren Bruder Ricardo nannte, weil er den Namen nicht richtig aussprechen konnte, habe ihm ständig geholfen, und das tue er noch heute. Ob Kaká nicht doch noch irgendeinen Schwachpunkt hätte? „Ja“, erwiderte Digao nach kurzer Überlegung entschieden, „er ist zu gut, auch zu den Leuten, die ihm Böses wollen.“

Kakás Idol als Kind war Ronaldo, der an einer mysteriösen Krankheit leidet und nach einer langen Verletzungspause jetzt bei der Mannschaftsweltmeisterschaft in Japan zum Einsatz kommen wird. Was für einen Tipp würde er dem genussfreudigen Landsmann geben, um wieder an seine Glanzzeiten anzuschließen? „Ich würde ihm empfehlen, abends früher schlafen zu gehen“, sagt Kaká unumwunden und spielt auf Ronaldos Vorliebe für das Nachtleben an. Längst hat er ihm in puncto Popularität und Leistung den Rang abgelaufen – auch in Brasilien.

Beim brasilianischen Erstligaklub São Paulo begann Kakás Profikarriere. Mit 18 gab er sein Debüt und spielte dort drei Jahre lang. In 146 Spielen erzielte er 58 Tore. Der frühere brasilianische Profi Leonardo, der für Milan nicht nur den brasilianischen Markt beobachtet, sondern sich auch um die brasilianischen Spieler bei Milan kümmert, entdeckte Kaká und engagierte ihn im Juli 2003 für den AC Mailand. Die Ablösesumme betrug 8,5 Millionen Euro. Doch kaum jemand nahm damals bei seiner Ankunft in Mailand von ihm Notiz.

Innerhalb der Milan-Mannschaft ist Kaká mittlerweile ein Ruhepunkt in der Kabine und der Mittelpunkt des Spiels. Er ist antrittsschnell und torgefährlich. Mit Trainer Carlo Ancelotti gab es indes zuletzt handfeste Differenzen, was die taktische Einstellung der Mannschaft angeht. Kaká machte seinem Unmut vor laufenden Kameras Luft, was die Milan-Gemeinde etwas erschreckte. Seit nunmehr einem Jahr muss sich Kaká einer Dauerwerbung von Real Madrid erwehren, die seine Gage bei Milan indes kontinuierlich in die Höhe treibt. Es vergeht kein Tag, an dem in den Zeitungen nichts von neuen märchenhaften Angeboten der Madrilenen steht.

Sein Vertrag läuft bis 2011 – bei einem Nettosalär von neun Millionen Euro. „Kaká wird bei Milan viele andere Trophäen gewinnen und Aushängeschild bleiben – noch viele Jahre lang“, entgegnet Milan-Vizepräsident Adriano Galliani den Wechselgerüchten. Kaká sei schließlich Milans Geschenk an die Tifosi. Dazu bedürfe es keiner Verträge, es genüge das Wort, das ihm Vereinspräsident Silvio Berlusconi gegeben habe. Und mit Kaká habe man gerade diesbezüglich einen zuverlässigen Partner.

Vincenzo Delle Donne[Mailand]

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