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Tore, Tore, Tore. Gerd Müller traf immer und überall, ob im Trikot des FC Bayern oder für die deutsche Nationalmannschaft. Hier jubelt er mit Bundestrainer Helmut Schön nach dem 2:1-Sieg im WM-Endspiel 1974 gegen die Niederlande. Das Tor zum Sieg hatte Müller erzielt, wer sonst.
© dpa

Gerd Müller im Pflegeheim: Der gute Geist der Säbener Straße

Stürmerlegende Gerd Müller ist an Alzheimer erkrankt. Ohne ihn wäre der FC Bayern München nicht, was er heute ist.

Als man ihn noch sah, ging, nein, schritt Gerd Müller eher über das Gelände des FC Bayern München an der Säbener Straße. Seines FC Bayern, seiner Heimat. Ein würdevoller Herr, ergraut zwar, aber von scheinbar strotzender Gesundheit. Nicht mehr „kleines, dickes Müller“, wie ihn sein Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski einmal, halb despektierlich, halb liebevoll genannt hat.

Immer freundlich, immer lächelnd, ein Mann, der seinen Frieden mit sich gefunden hat, der mit sich im Reinen zu sein schien. Ein Mann, über den Franz Beckenbauer sagte, dass der FC Bayern alles, was er heute sei, Gerd Müller zu verdanken habe. Und das ist nicht übertrieben.

Aber als man ihn noch sah, wie er durch seine Heimat schritt, war er schon krank, hatte die schleichende Alzheimer-Krankheit sich schon eingenistet in seinem Kopf. Den täglichen Auguren der örtlichen Presse war das bekannt. Aber diesmal funktionierte die pietätvolle Allianz zwischen der sonst so gierigen Münchner Boulevardpresse, dem Verein und den stets zahlreichen Trainingszuschauern. Gerd Müller, seine Familie blieben verschont von der unangenehmen Seite der Öffentlichkeit.

Seit Februar im Pflegeheim

So taktvoll war es nicht immer zugegangen. Anfang der 1990er Jahre wurde sein Alkoholismus immer sichtbarer, was zu lüsternen Schlagzeilen führte. Mit Hilfe des auch damals unermüdlichen Uli Hoeneß und des nicht minder unermüdlichen ehemaligen „Spiegel“-Reporters Jürgen Leinemann, der selber Jahrzehnte zuvor an Alkoholmissbrauch erkrankt gewesen war, gelang es Müller, die Sucht zu überwinden.

Diesmal, anlässlich Müllers 70. Geburtstag am 3. November, der gewiss zu zahlreichen Anfragen und Glückwünschen geführt hätte, sah sich der Verein veranlasst, auf die Alzheimer-Erkrankung hinzuweisen. Schon seit Anfang Februar lebt Müller in einem Pflegeheim.

Walter Jens, der verstorbene Rhetorikprofessor, sagte einmal: „Und wenn ich den letzten Vers von Goethe längst vergessen habe, werde ich die Stürmerreihe des Eimsbütteler TV aus den 40er Jahren noch auswendig aufsagen können.“ Es war ihm nicht vergönnt, auch er erkrankte an Alzheimer.

Woran sich Gerd Müller erinnert, wird seine Familie wissen, seine Ärzte, ein paar Weggefährten seiner grandiosen Karriere. Wir Freunde des Fußballs erinnern uns an die Zeit, in der die Sprache des Fußballs noch martialisch war und Gerd Müller der „Bomber der Nation“.

Von 1964 bis 1979 absolvierte er 585 Spiele für den FC Bayern und erzielte dabei 533 Tore. Eine Marke für die Ewigkeit, auch wenn sich Robert Lewandowski abmüht, ihm nachzueifern. Dazu hat sich das Spiel zu sehr verändert, sind die Abwehrreihen zu stabil und athletisch geworden. Allerdings sagt auch der Begleiter Dieter Hoeneß, dass Müller auch heute noch mit seiner Wendigkeit, seiner Antizipation, seinem Instinkt der beste Mittelstürmer aller Zeiten wäre. Vielleicht sind solche generationsübergreifende Quervergleiche müßig, aber wer Müller hat spielen sehen, wie er mit jedem erlaubten Körperteil seine Tore erzielte, mag die Einschätzung teilen.

Trento, im Jahre 2011, Trainingslager des FC Bayern. 15 Stunden lang war Gerd Müller plötzlich verschwunden. Dann brachte ihn die Polizei zum Mannschaftshotel zurück, Müller war ziellos und desorientiert. Ein erstes Anzeichen der Krankheit? Und wenn, was hätte das geändert? Die Krankheit ist unaufhaltsam. So unaufhaltsam, wie Gerd Müller als Spieler war, ein übler Hieb des Schicksals, eine gehässige Retourkutsche.

Ist es tröstlich, dass Gerd Müller nach harten Schlägen und einem gescheiterten Engagement als Spieler und Gastwirt in den USA noch viele glücklich Jahre bei vollem Bewusstsein als Jugend- und Co-Trainer der zweiten Bayern-Mannschaft verbracht hat? Im Kreis seiner Freunde, mit denen er so viele Jahre zusammengespielt hat und denen er so viel gegeben hat, Tore, Titel, Erfolge, letztendlich auch Ruhm und Reichtum? Ja, es ist tröstlich. Aber es ist traurig, Gerd Müller nicht mehr über das Gelände des FC Bayern München an der Säbener Straße schreiten zu sehen.

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