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Der frühere Fifa-Chefermittler Michael Garcia machte viel Wind um seine internen Ermittlungen, allerdings hatte er nicht die Handhabe, um alles aufzudecken.
© dpa

Fifa-Bericht zu WM-Vergaben: Der Garcia-Report liefert mehr Fragen als Antworten

Der Garcia-Report zu den WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar enthält viele mysteriöse Details - auch zu Franz Beckenbauer - aber keine Beweise für Stimmenkauf.

Fast drei Jahre lang schwebte der Garcia-Report wie ein imaginäres Fallbeil über der Fifa. Den internen Untersuchungsbericht zu den Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar hatte der US-Jurist Michael Garcia 2014 abgeschlossen, die kompletten 430 Seiten waren seither aber nicht veröffentlicht worden, nur eine Zusammenfassung. Offizielle Begründung: Die ehemaligen Vorsitzenden der Fifa-Ethikkommission, Hans-Joachim Eckert und Cornel Borbely, wollten erst alle dadurch angestoßenen internen Ermittlungen abschließen.

Deshalb gab es viele Gerüchte, der Garcia-Report wäre gespickt mit heiklen Ergebnissen und werde deshalb von den Chefs des Fußball-Weltverbands im Giftschrank unter Verschluss gehalten. Auch weil Garcia stets großen Wirbel darum machte und zurücktrat, nachdem sein Bericht nicht veröffentlicht worden war. Nun, da die Fifa es am Dienstagabend völlig überraschend doch tat – zuvor war die „Bild“-Zeitung an den Report gekommen –, zeigt sich: Beweise für gekaufte Stimmen bei den WM-Vergaben an Russland und Katar stehen nicht im Bericht. Allerdings liefert er Indizien dafür, dass die Rolle Russlands, die Rolle Katars – und ebenso die Rolle Franz Beckenbauers, damaliges Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees, überaus mysteriös war.

Eine Übersicht über die wichtigsten Erkenntnisse.

KATAR
Der Bericht legt detailliert dar, dass einige Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees, die 2010 bei der WM-Vergabe eine Stimme hatten, um mehrere Millionen US-Dollar aus Katar reicher geworden sind. Allerdings war als Quelle nie das WM-Organisationskomitee aus dem Emirat nachweisbar zu identifizieren, sondern unter anderem Katars staatliche Sportakademie Aspire – diese Erkenntnisse sind nicht neu. Garcia trug jedoch zahlreiche Beispiele zusammen, wie selbstverständlich es für Fifa-Funktionäre damals war, Annehmlichkeiten zu fordern – und dann auch zu bekommen.

Für stichhaltige Beweise reichten die internen Untersuchungen des New Yorker Anwalts aber nicht, weil er nicht wie bei staatlichen Ermittlungen die entsprechende Handhabe hatte, um an Datensätze oder E-Mailverkehre zu kommen. Garcia war davon abhängig, was die Befragten ihm vorlegten und mitteilten. Zu mehr konnte er sie nicht drängen. So sagten einige dubiose Figuren erst gar nicht aus. Außerdem sicherte sich Katar natürlich ab. Laut Garcia-Report verpflichtete sich der damalige Präsident des FC Barcelona, Sandro Rosell, mit dem Katar einen Vertrag zur Unterstützung bei der Bewerbung abgeschlossen hatte, alle Informationen, die er hatte, zu löschen, wenn die WM-Vergabe beendet war. Auf jeden Fall ist das eine seltsame Vorgehensweise, wenn man nichts zu verbergen hat.

Katar reagierte zwar zufrieden, aber auch sehr knapp auf die Veröffentlichung des Garcia-Reports, von dem das Emirat nun nichts mehr befürchten muss. Es scheint, als wollen die Kataris bloß nicht noch mehr Angriffsfläche bieten.

RUSSLAND

Garcias Ergebnisse in Bezug auf die russische Bewerbung für die WM 2018 lassen ebenfalls mehr Fragen offen als Antworten. Wenn die Lektüre des Berichts an anderen Stellen zeigt, wie empfänglich Fifa-Funktionäre für Geld und Geschenke waren, erscheint es sehr seltsam, dass Russland solch korrupte Figuren wie Jack Warner und Chuck Blazer allein mit traditionellen Souvenirs wie Matrjoschkas und Schals, mit Füllern oder mit Reise-Einladungen für die gesamte Familie der Funktionäre, inklusive Kreml-Führung und Ballet-Karten, überzeugt haben soll. Viel mehr an Informationen gaben die Russen aber Garcia nicht preis.

Sie erklärten dies damit, dass die Computer, die man für den Bewerbungsprozess benutzt habe, geliehen worden seien und danach zerstört wurden. Und die E- Mail-Adressen von Google, die das russische WM-Organisationskomitee verwendete, wurden ebenfalls nicht freigegeben – angeblich von Google. Auch die russische Regierung gab keine Informationen heraus. Es ist also wenig überraschend, dass Russland so vordergründig sauber aus der Untersuchung herauskommt. Zumal sogar der englische Verband, der sich ebenfalls um die WM 2018 bewarb, auf Bitte von Jack Warner seinem angeblichen Adoptivsohn einen Job beim Klub Aston Villa verschaffte.

BECKENBAUER

Garcia widmet sich in seinem Bericht ausführlich Franz Beckenbauer. Er wirft ihm fehlende Kooperation bei den internen Ermittlungen vor. Mit kruden Ausreden, warum er auf seine Fragen nicht antworten könnte. Unter anderem führt Garcia an, Beckenbauer habe gesagt, 130 Fragen vorgelegt bekommen zu haben, die er darum nicht so schnell beantworten konnte. Tatsächlich, betont Garcia, habe er Beckenbauer 21 Fragen geschickt. Für sein bizarres Gebaren wurde Beckenbauer 2014 während der WM für 90 Tage gesperrt und erhielt später noch eine Strafe von 7000 Euro.

Mysteriös ist auch die Rolle des mittlerweile 71-Jährigen bei der Bewerbung Australiens für die WM 2022. Denn für die Australier fungierte Beckenbauers Vertrauter Fedor Radmann als Berater, Garcia beschreibt dies als klaren Interessenkonflikt, weil Beckenbauer damals WM-Wahlmann war. Radmann sagte wenig überraschend auch nicht gegenüber Garcia aus.

Bisher haben sich weder Beckenbauer noch Radmann zu der Veröffentlichung des Garcia-Reports geäußert. Umso schärfer attackierte der Präsident des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), Reinhard Grindel, den auch in den Skandal um die WM 2006 verwickelten Radmann. „Es ist schon sehr bedrückend, was vor allem über seine Rolle zu lesen ist“, sagte Grindel. Vieles liegt also noch im Dunkeln, und Licht kann in die Abgründe der beiden WM-Vergaben wohl nur noch die Schweizer Bundesanwaltschaft bringen. Sie ermittelt unter anderem wegen des Verdachts auf Geldwäsche und hat selbstverständlich bessere Möglichkeiten als Garcia. Ganz sicher können sich die Beteiligten also nicht sein, dass sie so heil aus der Affäre herauskommen, wie es derzeit für sie scheint.

Johannes Nedo

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