Kommentar: Der Fall Drygalla: Wenn Verbände versagen
Der Grad der Hysterie bei der Debatte um die Ruderin mit ihrem rechtsextremen Freund hat teilweise groteske Züge angenommen. Unser Olympia-Reporter Frank Bachner meint, dass daran in erster Linie die Verbände die Schuld tragen.
Grob geschätzt wird es noch eine Woche dauern. Dann werden sich die meisten Menschen nur noch schwammig an den Namen Nadja Drygalla erinnern. Gut so. Der Grad der Hysterie bei der Debatte um die Ruderin mit ihrem rechtsextremen Freund hatte teilweise groteske Züge angenommen. Dass die Debatte allerdings noch weiter hochkochte, ist in erster Linie die Schuld des Deutschen Ruder-Verbands und seines Landesverbands in Mecklenburg-Vorpommern.
Im Fall Drygalla muss man zwei Ebenen trennen. Erstens gibt es keinen Grund dafür, dass die Sportlerin Drygalla Deutschland nicht repräsentieren darf. Sie ist bisher nicht durch rechtsextreme Handlungen aufgefallen. Dass sie einen rechtsextremen Freund hat, mag man moralisch verurteilen. Aber es ist ihre Privatsache. Zudem hat sie sich vom Gedankengut ihres Freundes distanziert. Dass Drygalla nicht mehr Polizistin ist, durfte sie dagegen kaum überraschen. Sie hätte mutmaßlich Zugriff auf vertrauliche Daten gehabt – bei diesem Freund ein Sicherheitsrisiko.
Die zweite Ebene ist die dilettantische Verbandsarbeit. Landesfunktionäre wussten von der Beziehung und davon, dass Drygalla deswegen ihren Förderplatz unter Druck aufgegeben hatte, teilten dies aber nicht dem offenbar auch sonst schlecht informierten Dachverband mit. Die Funktionäre hätten sich viel erspart, wenn sie ein einfaches Statement vorbereitet hätten: „Liebe Leute, wir haben alles geprüft und mit ihr gesprochen. In London startet die Sportlerin Drygalla. Sie startet, weil es in Deutschland keine Sippenhaft gibt.“