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Norbert Düwel, 46, ist seit Mai 2014 Cheftrainer des 1. FC Union. Von 2010 bis 2013 war er Co-Trainer in Hannover. Nach dem Erwerb der Trainerlizenz beim Schweizer Verband als Jahrgangsbester hospitierte er unter anderem bei Ajax Amsterdam und Manchester United. Zuvor arbeitete er als Dozent an der Sportfakultät der TU München.
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Interview mit Trainer Norbert Düwel: "Der 1. FC Union wird viele überraschen"

Trainer Norbert Düwel spricht im Interview über die neue Saison in der Zweiten Fußball-Bundesliga, den großen Umbruch beim 1. FC Union Berlin und die Rolle von Ex-Kapitän Torsten Mattuschka.

Herr Düwel, Torsten Mattuschka hat kürzlich gesagt, er würde an Ihnen Ihre Frisur und Ihr Parfüm am besten finden. Verraten Sie uns, wo Sie zum Friseur gehen und welches Parfüm Sie benutzen?

(lacht) Ich habe ihn auch schon gefragt, welches ihm am besten gefallen hat. Ich benutze zwei bis drei verschiedene Marken. Zum Friseur bin ich bisher immer in Hannover gegangen, aber jetzt suche ich mir natürlich einen in Berlin.

Ist Ihr Verhältnis zu Mattuschka immer noch so locker, seitdem Sie ihm die Kapitänsbinde weggenommen und Damir Kreilach als Nachfolger bestimmt haben?

Auf jeden Fall. Ich habe ihm meine Intention erklärt und er hat sie sehr gut aufgenommen.

Wie lautete denn Ihre Erklärung?

Ich will die Verantwortung einfach auf mehrere Schultern verteilen. Torsten braucht die Binde nicht, er hat von Hause aus dieses Standing. Anderen hilft sie hingegen.

Deswegen haben Sie den Kapitän bestimmt und nicht wählen lassen?

Grundsätzlich denke ich, dass die Kapitänswahl Trainersache ist. Es gibt Situationen, in denen eine Wahl in Ordnung ist, aber ich habe in diesem Fall bestimmt, um mehrere Spieler in der Verantwortung zu haben. Torsten ist als Mitglied des Mannschaftsrats weiterhin mit im Boot und wird ein ganz wichtiger Faktor sein. Auch für mich als Bezugsperson. Die Wahl war ein Signal an das Umfeld: Hier findet eine Umverteilung der Verantwortung statt. Neue Strukturen entstehen.

Eine Neustrukturierung haben Sie auch auf dem Feld vorgenommen. Sie bevorzugen ein 3-5-2-System, wie es viele Mannschaften bei der WM in Brasilien gespielt haben. Warum?

Aktuell ist das jetzt für uns das beste System. Ich denke, darin sind meine Spieler am besten aufgehoben, dort kommen ihre Stärken am besten zum Tragen. Außerdem erlaubt uns dieses System, zwei Stürmer auf den Platz zu bringen, ohne das Mittelfeld herzuschenken.

Neues System, neuer Trainer – denken Sie nicht, das könnte alles ein bisschen viel für die Mannschaft werden? Zumal das Auftaktprogramm mit Spielen beim Karlsruher SC und gegen Düsseldorf nicht einfach ist.

Wir befinden uns in einer Phase des Neustarts. Das ist vom Verein so gewollt, deswegen bin ich hier. Natürlich ist das kein Prozess, der nach wenigen Wochen abgeschlossen ist. Wir sind auf einem sehr guten Weg, haben aber noch viel Arbeit vor uns. Und was das Auftaktprogramm betrifft: Ist doch super, dass wir zu Beginn gegen solch gute Mannschaften spielen. Dann wissen wir gleich, wo wir stehen.

Haben Sie manchmal Angst, es könnte im Herbst bereits unruhig werden, wenn der Eingewöhnungsprozess komplizierter verläuft als gedacht?

Wenn ich Angst hätte, wäre ich im falschen Beruf. Wie gesagt, der Verein weiß, dass wir uns in einem Übergangsjahr befinden. Trotzdem können wir mit jeder Mannschaft der Zweiten Liga mithalten. Wir werden für viele eine Überraschung sein, ganz gewiss!

Bisher hat der Verein nur vier Neuzugänge verpflichtet. Hätten Sie gern noch den ein oder anderen Spieler?

Für mich sind es nicht vier Neuzugänge, sondern sechs. Baris Özbek und Adam Nemec waren ja schon aussortiert, jetzt sind wir froh, dass wir sie bei uns haben. Ich finde, wir haben eine ausreichende Zahl an Spielern geholt. Natürlich behalten wir den Markt weiter im Auge, aber es ist nicht so leicht. Ich will nur Spieler, die mit voller Überzeugung herkommen und zu schätzen wissen, was hier möglich ist. Das war bisher nicht bei allen Kandidaten der Fall.

"Für mich war es wie ein Sechser im Lotto, zu Union kommen zu können"

Der 1. FC Union will mittelfristig in die Bundesliga aufsteigen. Empfinden Sie dieses Ziel für diese Saison als unrealistisch?

Wichtig ist für mich unsere Entwicklung. Und dass wir möglichst schnell eine stabile Einheit bilden. Auf einen Tabellenplatz will ich mich gar nicht festlegen lassen. Wie gesagt, wir müssen uns vor niemandem in der Liga verstecken, aber es gibt Klubs, die aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten für uns nur sehr schwer einzuholen sind.

An welche Vereine denken Sie?

An Nürnberg, ganz klar. Das ist ein gefühlter Erstligist, die werden auch bald wieder in der Bundesliga auftauchen. Über Kaiserslautern und Düsseldorf lässt sich das Gleiche sagen. Und dann ist da natürlich noch RB Leipzig.

Auch beim 1. FC Union ist in den vergangenen Jahren viel investiert worden, um bundesligataugliche Bedingungen zu schaffen.

Richtig. Das ist auch ein Grund, warum ich hier bin. Wenn man hinter die Kulissen schaut, findet man dort Strukturen vor, die einem als Trainer das Arbeiten sehr angenehm machen. Für mich war es wie ein Sechser im Lotto, hierherkommen zu können.

Bei Hannover 96 ließen sie gemeinsam mit Trainer Mirko Slomka einen überfallartigen Konterfußball spielen. Können die Fans des 1. FC Union einen ähnlichen Stil nun von ihrer Mannschaft erwarten?

Ich habe eine klare Vorstellung von Fußball, aber man muss immer sehen, welche personellen Möglichkeiten es gibt. Es heißt immer, ich wäre kein Freund von Ballbesitz. Das ist nicht ganz richtig. Ballbesitz muss man spielen können – und das ist sehr schwer. Was nutzen 70 Prozent Ballbesitz, wenn dadurch nur drei torgefährliche Situation pro Spiel entstehen?

Haben Sie diese pragmatische Sicht auf den Fußball aus Ihrer Zeit unter José Mourinho übernommen?

Ich hatte das Glück, vielen großen Trainern über die Schulter schauen zu dürfen. Ottmar Hitzfeld, José Mourinho, Louis van Gaal oder Alex Ferguson, für den ich länger arbeiten konnte. Da nimmt man von jedem automatisch etwas mit.

Welcher Trainer hat Sie am meisten beeindruckt?

Jeder für sich war eindrucksvoll. Die Art und Weise etwa, wie sie mit ihren Spielern umgegangen sind. Das waren ja alles Weltstars. Ferguson hatte ein ganz feines Gespür, wie er mit jedem Einzelnen umgehen muss, um das Letzte aus ihm heraus zu kitzeln.

Würden Sie von sich behaupten, dieses Gespür ebenfalls zu besitzen?

Ich hoffe doch. Ich versuche viel mit den Spielern zu reden, ein Verhältnis aufzubauen, wo man sich regelmäßig austauscht. Das finde ich wichtig.

Ihr Vertrag läuft drei Jahre. Was muss passieren, damit Sie Ihre Arbeit in Berlin nach dieser Zeit als erfolgreich bewerten?

Schwierig. Ich glaube, wenn ich in drei Jahren hier wieder beim Interview sitze, habe ich einiges richtig gemacht (lacht).

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