„Veränderung Richtung Zukunft“: Der 1. FC Union will mit dem Umbruch zu mehr Nachhaltigkeit
Der Berliner Europapokalteilnehmer ist trotz der hohen Fluktuation zufrieden mit den Transfers. Doch Oliver Ruhnert sieht einen Strategiewechsel in Reichweite.
Die letzten Tage und Stunden einer Transferperiode sind für die verantwortlichen Personen immer anstrengend. Doch in diesem Jahr ist Oliver Ruhnert besonders froh, dass der Wahnsinn erst mal ein Ende hat. Oder wie es der Manager des 1. FC Union in seiner oft nüchternen Art ausdrückt: „Ich bin nicht unglücklich darüber, dass heute der erste September ist.“ Bedingt durch die Pandemie hat sich das Geschehen deutlich nach hinten verschoben und so waren Ruhnert sowie sein Team in den letzten Augusttagen „fast 24/7“ im Einsatz.
Es hat sich viel getan beim Berliner Europapokalteilnehmer und das gilt auch für das Ende der Transferperiode. In den letzten zwei Tagen kamen mit Bastian Oczipka (bis Ende Juni bei Schalke 04) und Kevin Möhwald (Werder Bremen) zwei Spieler, mit Leon Dajaku (Leihe zum englischen Drittligisten Sunderland) und Sebastian Griesbeck (Greuther Fürth) verließen zwei Profis den Klub. Den Großteil der Arbeit hatte Union aber bereits früh in der Sommerpause erledigt – und das ist vor allem für den Trainer ein Vorteil.
Urs Fischer betont momentan immer wieder, dass aufgrund des Umbruchs in der Mannschaft noch nicht alles reibungslos funktioniere, dass die Stabilität phasenweise fehle, die Automatismen noch nicht vorhanden seien. „Wir hatten eine große Fluktuation“, sagt auch Ruhnert, zeigt sich mit dem Transfersommer aber dennoch sehr zufrieden. Denn allein durch die vielen Leihspieler, die zu ihren Vereinen zurückgekehrt sind, sei es von vorneherein klar gewesen, dass sich das Gesicht der Mannschaft in wesentlichen Teilen verändern würde. Mit 13 Spielern ist mehr als ein Drittel des 31-Mann-Kaders neu bei Union, im Gegenzug haben 13 Spieler der Vorsaison den Verein verlassen.
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Der Berliner Manager hält das für einen normalen Prozess bei einem Klub, der trotz der starken Vorsaison immer noch dabei ist, sich nachhaltig in der Bundesliga zu etablieren. Die rasante Entwicklung der vergangenen Jahre hängt immer wieder Spieler ab, die Ansprüche und Anforderungen steigen. Ruhnert weiß natürlich um die Bedeutung von Identifikationsfiguren, ist wie Fischer aber auch eher Pragmatiker als Idealist: „Uns wird keiner dafür feiern, wenn wir mit Folklore absteigen.“
Aus der Mannschaft, die 2019 in die Bundesliga aufgestiegen ist, sind nur noch sechs Profis übrig. Dafür läuft mit Max Kruse ein Spieler einer Kategorie für Union auf, die im Stadion An der Alten Försterei vor einigen Jahren noch gänzlich unvorstellbar gewesen wäre. Auch die steigende Zahl der Nationalspieler spiegelt die Entwicklung wider. Mit Christopher Trimmel, Genki Haraguchi, Julian Ryerson, Tymoteusz Puchacz und Frederik Rönnow sind fünf Berliner aktuell auf Länderspielreise.
Diese Phase des Übergangs vom Neuling zum halbwegs etablierten Erstligisten soll selbstverständlich nicht ewig dauern. Denn so gut Scouting, Management und Trainer in den vergangenen Jahren gearbeitet haben, der Umbruch darf nicht zum Dauerzustand werden. Ruhnert sieht diese dritte Bundesliga-Saison als richtungsweisend an und hat in den vergangenen Monaten etwas andere Schwerpunkte gelegt. Wenn es auch in dieser Spielzeit gelinge, die Klasse zu halten, „denke ich, dass die Fluktuation nächstes Jahr geringer sein wird“, sagt der Manager. „Wenn man unsere Mannschaft sieht, ist es eine Veränderung Richtung Zukunft.“
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Am deutlichsten ist dies an einer neuen Herangehensweise zu erkennen. Hatte Union in der Vorsaison, auch aufgrund der finanziellen Zwänge durch die Pandemie, noch sieben Spieler von anderen Vereinen ausgeliehen, ist nun Timo Baumgartl der einzige Profi in solch einem Beschäftigungsverhältnis. „Für mich war wichtig, dass wir eine gewisse Nachhaltigkeit hereinbekommen“, sagt Ruhnert.
Dafür sollen auch die Verpflichtungen von jungen, entwicklungsfähigen Profis wie Taiwo Awoniyi und Puchacz beitragen. Diese haben Union zwar verhältnismäßig viel gekostet – die Rede ist von zusammen etwa neun Millionen Euro – versprechen aber vor allem im Falle von Awoniyi einen sofortigen sportlichen Qualitätsgewinn und perspektivisch auch einen substanziellen finanziellen Gewinn. Der wäre auch im Falle eines Wechsels von Marvin Friedrich möglich gewesen, doch der Abwehrchef bleibt vorerst. „Wenn wir einen Transfererlös hätten erzielen wollen, hätten wir das getan“, sagt Ruhnert gewohnt nüchtern.