Spitze nach spätem Tor: Der 1. FC Union ist neuer Tabellenführer
Die Berliner siegen 1:0 gegen den 1. FC Nürnberg und sind neuer Zweitliga-Tabellenführer. Dem eingewechselten Philipp Hosiner gelingt das Siegtor
Fußball fühlte sich an diesem Montagabend anders an im Stadion an der Alten Försterei. Wenn es für gewöhnlich laut ist, war es lauter. Wenn die Zuschauer für gewöhnlich leidenschaftlich singen, sangen sie leidenschaftlicher. Wenn die Bratwurst für gewöhnlich goldbraun ist, war sie goldbrauner. Gut eine Stunde vor Spielbeginn war das Stadion schon fast voll. Bloß schnell die besten Plätze sichern, nur nichts verpassen, von diesem Montagabend, an dem der 1. FC Union Berlin sich die Tabellenführung in der Zweiten Liga sichern wollte und am Ende auch sicherte.
Der 1. FC Nürnberg erwies sich lange als Spielverderber der Berliner Party, aber was anderes hatte auch niemand erwartet. Noch nie konnte Union gegen diesen Gegner ein Pflichtspiel gewinnen und obwohl es dafür wie bei vielen solcher Serien im Sport keine rationale Erklärung gibt, sollte die Serie dieses mal nach 90 hart umkämpften Minuten ein Ende finden. Union siegte durch ein spätes Tor des eingewechselten Philipp Hosiner 1:0 und geht als Erster der Zweiten Liga in die Länderspielpause mit drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz.
Nachdem am Wochenende die Konkurrenten Stuttgart und Hannover gepatzt hatten, wollte Union die große Chance nutzen und weiter Punkte gutmachen gegenüber den Mitbewerbern auf einen Platz in der Bundesliga. Anders als in den vergangenen Wochen stand in Nürnberg aber ein Gegner auf dem Platz, der deutlich mehr entgegenzusetzen hatte im Vergleich zu Bielefeld, 1860 München oder den Würzburger Kickers. So entwickelte sich ein Fußballspiel, bei dem sich keine Mannschaft zuerst einen deutlichen Vorteil erspielen konnte.
Dass ihnen nichts geschenkt werden würde, bekamen die Berliner nach wenigen Sekunden zu spüren. Bei einem Zweikampf in der Luft wurde Union Kapitän Felix Kroos derart rüde umgecheckt, dass er kurz behandelt werden musste. Nürnberg spielte gefällig nach vorn, hatte aber Glück, dass Schiedsrichter Jochen Drees nach einer Viertelstunde keinen Elfmeter für Union pfiff. Edgar Salli hatte Christopher Trimmel bei einer Rettungsaktion im Strafraum getroffen, aber Drees reichte der Kontakt anscheinend nicht für einen Strafstoß.
Nürnberg verschwendete auch in der zweiten Halbzeit keinen Gedanken daran, die kompakte Haltung aufzugeben
Intensive Zweikämpfe blieben die Regel, immer wieder lagen Spieler beider Mannschaften am Boden, was dem Spielfluss nicht zuträglich war. Union hatte Probleme, das kompakte 4-1-4-1-System der Gäste dauerhaft zu bespielen. Gefährlich wurden die Berliner hauptsächlich durch Distanzschüsse. Ein Versuch von Sebastian Polter aus 20 Meter flog knapp am Tor vorbei und als Steven Skrzybski es aus ähnlicher Entfernung versuchte, konnte Nürnbergs Torhüter Raphael Schäfer nur abklatschen. Polters Nachschuss flog aber in den Köpenicker Nachthimmel.
Nürnberg verschwendete vor 21 210 Zuschauern auch in der zweiten Halbzeit keinen Gedanken daran, seine kompakte Haltung aufzugeben. Die zwei Viererketten bildeten ein Bollwerk, aber Union rannte nun immer unermüdlicher an. Trainer Jens Keller hielt es längst nicht mehr auf seinem Sitz, irgendwann entledigte er sich sogar seiner Jacke und für einen kurzen Moment wirkte es, als wolle er selber noch mitspielen. Keller hatte dann aber eine bessere Idee, die das Spiel entscheiden sollte. Beim Stand von 0:0 nahm der eine Viertelstunde vor Schluss Kapitän Kroos von Feld und brachte in Person von Hosiner einen vierten Angreifer. Totale Offensive. Union drängte nun vehement und wurde nur durch Schiedsrichter Drees gestoppt, der plötzlich fluchtartig das Feld verließ. „Behandlungspause“ hieß es offiziell und das war eine nette Beschreibung dafür, dass Drees nur allzu menschlichen Bedürfnissen nachkommen musste.
Nachdem Drees zurückgekehrt war, war Union nicht mehr aufzuhalten. Hosiner spielte Polter punktgenau in den Lauf, aber der Ball klatschte an den Pfosten. Die Zuschauer hielt es längst nicht mehr auf ihren Sitzen, die völlige Ekstase folgte dann, als Skrzybski von rechts in den Strafraum eindrang und den Ball auf Hosiner zurücklegte. Aus elf Meter traf der Österreicher und verwandelte die Alte Försterei in einen Hort der Glückseligkeit.
Sebastian Stier