Zurückgetretener Sportdirektor: Das tiefe Tal des Chemnitzer FC
Antisemitische Beleidigungen, WhatsApp-Drohungen, Mordaufrufe: Thomas Sobotzik hatte genug von den Chemnitzer Fans und trat zurück. Jetzt äußert er sich.
Thomas Sobotzik wusste, dass es für ihn kein angenehmer Spätsommer wird. „Es wird unruhig bleiben“, sagte der Sportdirektor des Chemnitzer FC Mitte August. Seine Probleme mit der teils rechtsextremen Fanszene waren zu dem Zeitpunkt schon offensichtlich und das Insolvenzverfahren beim Verein sorgte für zusätzliche Belastung. Dennoch wollte Sobotzik weitermachen.
„Wenn wir eine Chance haben wollen, uns dauerhaft im Profifußball zu etablieren, dann müssen wir durch das Tal durch“, sagte er damals. Doch einen Weg aus diesem Tal sah er wenig später nicht mehr – auch, weil die Angriffe von Woche zu Woche heftiger wurden.
Anfang September trat er von seinem Amt als Sportdirektor zurück. Nun äußerte er sich erstmals zu den Gründen für seinen Rücktritt und machte die Fans verantwortlich. „Aus der aktiven Fanszene ist mir immer öfter blanker Hass entgegen geschlagen“, steht in einer Pressemitteilung, die Sobotzik selbst am Mittwoch verschickte. Er war seit Mai 2018 im Amt, ihm gelang der Aufstieg in die Dritte Liga.
Doch statt ums Sportliche ging es zuletzt verstärkt um Ereignisse neben dem Platz, vor allem um den Rechtsextremismus in der Fanszene. Sobotzik hat sich klar dagegen positioniert, gab den Kampf aber letztlich auf. „Ganz gezielt haben hier Leute aus dem rechten politischen Lager mit ihren rassistischen und antisemitischen Parolen den Verein und seine handelnden Personen in ein schlechtes Licht gerückt und gefährden mit ihren Aktivitäten die Basis für eine verantwortungsvolle und erfolgreiche Arbeit akut.“
Rückblickend nennt Sobotzik ein Heimspiel gegen Meuselwitz im Mai 2019 ein „einschneidendes Erlebnis“, weil er dort trotz des feststehenden Aufstiegs mit Bierbechern beworfen und beleidigt worden sei. „Verpiss Dich, du Hurensohn“ und „Verschwinde aus Chemnitz“, hätten ihm Fans zugerufen.
Das Image des Vereins, der ohnehin für jahrelange Toleranz von rechtsextremen Verbindungen der Fans kritisiert wird, war zu dem Zeitpunkt bereits katastrophal. Denn am 9. März hatten die Fans vor dem Heimspiel gegen die VSG Altglienicke eine Trauerfeier für den verstorbenen Neonazi Thomas Haller abgehalten, der Klub kooperierte und unterschätzte die Folgen. Auf diesen Schlüsselmoment in seiner Zeit beim Chemnitzer FC geht Sobotzik in seiner Stellungnahme jedoch nicht ein.
Auch der Trainer ist bei Chemnitz zurückgetreten
Stattdessen äußerte sich dazu David Bergner, der als Trainer ebenfalls zurückgetreten ist: „ Der 9. März hat deutlich aufgedeckt, was in diesem Verein alles nicht passt. Es war für den CFC der Super-Gau, spätestens seit diesem Tag ging es leider nicht mehr um Fußball in Chemnitz“, sagte er der „Bild“-Zeitung.
Dafür sorgte auch einer der Spieler. Kapitän Daniel Frahn stand bei einem Auswärtsspiel neben stadtbekannten Neonazis von „Kaotic Chemnitz“ im Fanblock. Die Gruppierung wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Sobotzik reagierte und warf Frahn raus. Es sei ein „weiterer Tiefpunkt“ gewesen, schreibt Sobotzik.
Nach dem Rauswurf von Frahn bekam der Sportdirektor Drohungen per WhatsApp – und das sogar noch vor der öffentlichen Bekanntgabe. „Jeder kann sich vorstellen, wie so etwas einzuordnen ist“, meint Sobotzik vielsagend. Es besteht also zumindest die Möglichkeit, dass Frahn seine Kündigung schnell selbst kommuniziert hat, worauf sich die Fans bei Sobotzik meldeten. „Ich hatte sehr viele WhatsApp-Nachrichten von Fans, die plötzlich meine Nummer hatten“, sagte er damals dem MDR.
Es folgten antisemitische Beleidigungen gegen Sobotzik
Beim Heimspiel gegen Magdeburg Mitte August gab es eine weitere Attacke auf Sobotzik. „TS + KS töten“, hatte jemand bei den Herrentoiletten in der Nähe des Fanblocks gesprayt, die Initialen gehören zu Thomas Sobotzik und dem Insolvenzverwalter Klaus Siemon. Der ehemalige Sportdirektor erzählte dem Tagesspiegel auch von Bedrohungen und Beleidigungen durch einen Fan beim Verlassen des Stadions.
So ging es in den Tagen danach weiter. Während des Auswärtsspiels bei Bayern München II wurde Sobotzik nach Angaben des CFC von den eigenen Fans als „Judensau“ beschimpft. Da habe seine Entscheidung, zurückzutreten, aber bereits festgestanden. „Ich wäre jederzeit zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem radikalen Teil unserer Fans bereit gewesen, aber dieses Anliegen hatte keine Chance auf eine Realisierung“, begründet Sobotzik.
Er bereue es nicht, sich in Chemnitz engagiert zu haben, denn Zivilcourage und das klare Eintreten für demokratische Werte seien heute wichtiger denn je.
Wie es beim Klub nun weiter geht, ist unklar. Ein neuer Trainer ist noch nicht gefunden. Bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers, längstens jedoch bis zum 15. September, wird Sobotzik seine Aufgaben nach den Vorgaben der Gesellschafterversammlung ausführen. Es dürfte schwierig sein, jemanden zu finden, der freiwillig in das tiefe Tal beim Chemnitzer FC hinabsteigt.