„Bei Hertha BSC geht es um Machterhalt und Klüngelei“: Das steckt hinter der Attacke von Lars Windhorst
Mitten im Abstiegskampf attackiert Investor Lars Windhorst die Klubführung von Hertha BSC. Es geht um Macht und Einfluss.
Im Herbst des vergangenen Jahres herrschte bei Hertha BSC eine latente Aufgeregtheit. Das ist jetzt keine besonders originelle Erkenntnis. Eine latente Aufgeregtheit herrscht bei Hertha BSC eigentlich fast immer. Aber in diesem Fall ging es ausnahmsweise mal nicht um das Ressort Sport, sondern um die anstehende Mitgliederversammlung.
Lars Windhorst, der Großinvestor des Berliner Fußball-Bundesligisten, hatte nämlich angekündigt, dass er die Versammlung zum Anlass nehmen werde, um sich den Mitgliedern des Vereins einmal persönlich vorzustellen. In der Führung und im Umfeld des Klubs führte das zu der bangen Frage: Was hat Windhorst jetzt wieder vor?
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Die Angelegenheit löste sich dann – aus Sicht der Vereinsführung – in Wohlgefallen auf. Die Mitgliederversammlung musste wegen der sich wieder verschärfenden Coronasituation verschoben werden, und Windhorst hatte ohnehin andere Sorgen, nachdem ein Gericht in den Niederlanden seine Tennor Group für insolvent erklärt hatte (was inzwischen, ebenfalls gerichtlich, revidiert worden ist). Bei der Mitte Januar digital abgehaltenen Mitgliederversammlung meldete sich Windhorst nicht zu Wort. Das hat er dafür jetzt in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ getan.
Dass der 45-Jährige vieles von dem, was bei Hertha seit seinem Einstieg vor knapp drei Jahren passiert, kritisch sieht, das ist nicht neu. Doch so heftig hat er den Verein und vor allem dessen Führung noch nie attackiert. Darauf lassen zumindest die vorab veröffentlichten Zitate aus „Capital“ schließen. „Ich habe darauf gesetzt, dass bei Hertha rational und in die Zukunft denkende Leute das Sagen haben, die auch nachhaltig den Erfolg wollen“, sagte Windhorst. Stattdessen gehe es einigen dort nur um „Machterhalt und Klüngelei“.
Windhorst hatte seit Beginn ambitionierte Ziele
Der Vorwurf zielt wohl vor allem auf Präsident Werner Gegenbauer, 71, der inzwischen als eine Art Gegenspieler Windhorsts wahrgenommen wird. Längst gibt es sogar Gerüchte, dass es der Investor auf Gegenbauers Posten abgesehen habe, um bei Hertha einen stärkeren Einfluss ausüben zu können. Der Präsident, seit 2008 im Amt, steht aus Windhorsts Sicht für die alte Hertha, betätigt sich immer wieder als Bremser und ist damit das größte Hemmnis in der Entwicklung Herthas zu einer Größe, wie sie Windhorst vorschwebt.
Vom ersten Tag seines Investments im Sommer 2019 hatte Windhorst mit Hertha BSC ambitionierte Ziele – und vor allem hatte er nie ein Problem damit, diese Ziele auch offen auszusprechen. Das wirkte angesichts der realen sportlichen Situation des Klubs und seiner Bundesligamannschaft jedoch oftmals eher naiv und manchmal auch unfreiwillig komisch. Der Begriff vom Big City Club Hertha stammt von Windhorst, genauso die Vision, Titel zu gewinnen und dauerhaft im Konzert der europäischen Topvereine mitzuspielen.
Windhorst ist nicht der erste Investor, der feststellen muss, dass sich die hohen Ziele im Profifußball nicht so leicht verwirklichen lassen, wie es in der normalen Wirtschaftswelt der Fall ist. Sein Geld – insgesamt 374 Millionen Euro – hat Hertha zwar neue Spielräume eröffnet. Aber auch wenn viele Bundesligisten von einer solchen Summe nur träumen können: Sie reicht nicht für einen dauerhaften Angriff auf die Spitze. Paris St. Germain zum Beispiel zahlt seinen Spielern allein 280 Millionen Euro an Gehältern. In einer Saison.
Insgesamt hat Windhorst für sein Investment 64,7 Prozent der Anteile an der Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) erworben. Sein Einfluss auf das operative Geschäft des Vereins ist durch die im deutschen Fußball geltende 50+1-Regel allerdings begrenzt. Die letzte Entscheidungsgewalt verbleibt immer beim Verein. Präsident Gegenbauer hat das – nicht nur einmal – in dem Satz zusammengefasst: „Herr Windhorst spricht über Hertha BSC, nicht für Hertha BSC.“ Das ist im Konflikt zwischen Klub und Investor der eigentliche Knackpunkt.
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Natürlich geht es in dem Konflikt um Macht und Einfluss. Er lasse sich von niemandem bei Hertha 375 Millionen Euro verbrennen. Auf die Frage, ob er seinen Einstieg bei Hertha inzwischen bereue, antwortete Windhorst im Gespräch mit „Capital“: „Ehrlich gesagt, aus heutiger Sicht ja, leider. Bislang hat mir das Investment bei Hertha abgesehen von positiven Erfahrungen mit vielen Mitgliedern nur Nachteile gebracht.“
Windhorst geht es nicht nur um das Wohl Herthas
Windhorsts Kritik am Zustand von Hertha wird auch von vielen Fans geteilt, und mit seinen Vorbehalten gegenüber Werner Gegenbauer stößt er ganz sicher auf Wohlwollen. Herthas Präsident ist alles andere als unumstritten. Bei seiner jüngsten Wiederwahl im Herbst 2020 erhielt er lediglich 54 Prozent der Stimmen – und nur ein Dreivierteljahr später sah sich Gegenbauer bei der Mitgliederversammlung schon wieder mit einem Abwahlantrag konfrontiert. Windhorst, der sich bei Twitter und in einer geschlossenen Facebook-Gruppe, immer wieder zu Hertha äußert, hat durchaus ein Gespür für den Unmut unter den Anhängern.
Allerdings haben die Fans von Hertha auch ein Gespür dafür, dass es Windhorst nicht nur um das Wohl Herthas geht. Die heftige Kritik kommt zur Unzeit, mitten im sportlichen Existenzkampf, der für Hertha durch die jüngste Niederlage beim Tabellenletzten Fürth noch einmal an Schärfe gewonnen hat. Statt Geschlossenheit in schwerer Zeit zu demonstrieren weckt Windhorst den genau gegenteiligen Eindruck.
Der Verein wiederum reagierte äußerst zurückhaltend auf die Äußerungen des Investors, schon um den Konflikt nicht noch zusätzlich anzufachen. „Herr Windhorst hat sich bisher weder in entsprechenden Sitzungen des Vereins noch gegenüber Personen im Verein in dieser Form geäußert“, teilte Hertha mit. Zudem seien seit seinem Einstieg alle Entscheidungen einstimmig beschlossen worden. „Wir werden ihn dazu befragen.“