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Das Alter und das Aufhören sind für Eisbären-Manager Peter John Lee kein Thema.
© imago/osnapix

Peter John Lee wird 60: Das Lebenswerk Eisbären

Peter John Lee hat die Erfolgsgeschichte des Berliner Eishockeyklubs maßgeblich gestaltet- erst als Spieler, dann als Trainer, dann als Geschäftsführer. Heute wird er 60 Jahre alt.

Peter John Lee lümmelt sich in seinen Stuhl. Der Geschäftsführer der Eisbären Berlin hat seinen rechten Arm über der langen Stuhllehne hängen, links daneben hängt der Kopf. Es sieht nicht eben bequem aus, aber Lee fühlt sich wohl. Graue Haare, flotter Schnitt, funkelnde Augen und die Mundwinkel auf Anschlag. Immer einen Scherz parat. Ist ja auch alles schön hier im großen Büro der Eisbären, aus dem Fenster im dritten Stock kann Lee auf die schon fertiggestellten Häuserriegel auf dem Anschutz-Areal in Friedrichshain schauen. Ein Ausblick, wie man ihn aus zig Hollywood-Produktionen kennt oder, Vorsicht Fallhöhe, aus dem Tatort in Frankfurt am Main.

Hochhaus-Ästhetik. Höhe. Passt zu Peter John Lee, die Höhe. Er ist ganz oben – angekommen? Ja und nein. An sich war er ja, seit er mit seiner Sportart Eishockey begonnen hat, fast immer oben. Ob als Spieler, Trainer oder Manager. Wo Lee war, da war Erfolg. Seit über 40 Jahren. Am Sonnabend wird Berlins erfolgreichster Funktionär eines Sportklubs 60 Jahre alt.

Es ist ein Datum, mit dem der Jubilar nichts anfangen möchte. Er sei am 2. Januar in Los Angeles, zu einem Meeting bei Eisbären-Eigner Philip Anschutz. „Ich kann ja später feiern“, sagt er. „Aber, erstens: Ich fühle mich nicht wie 60. Zweitens: Ich habe noch nicht mal im Kopf, dass ich hier mal aufhören könnte. Drittens: Ich mache den Job als Funktionär ja auch noch nicht so lange, ich habe gefühlt eben erst angefangen.“

Erst mit 41 Jahren hörte er als Spieler für die Eisbären auf

Weil der Spieler Peter John Lee nicht aufhören konnte und wollte. Erst mit 41 Jahren erklärte er den Eisbären, dass sie für die kommende Saison keine Ausrüstung für ihn mehr bestellen müssten. Nach 450 Spielen für die Pittsburgh Penguins in der National Hockey-League (NHL), ebenso vielen Einsätzen und vier gewonnenen Deutschen Meistertiteln mit der Düsseldorfer EG, nach Engagements in Wolfsburg und in Berlin beendete der Stürmer seine Karriere. Die Karriere, die er bei den Ottawa 67’s als Nachwuchsspieler mit opulentem Lockenkopf und dem Spitznamen „Mophead“ begonnen hatte, endete mit dem Markennamen Peter John Lee. Mit Toren, Toren, Toren. Ein Weltklassestürmer. Einer, der wie sein langjähriger Düsseldorfer Mitspieler Chris Valentine sagte: „Immer ins Tor traf, wenn er allein aufs Tor zulief.“

Klar, es gab sie auch, die kleinen Rückschläge bei Lee. Nach seiner Spielerlaufbahn wurde er Co-Trainer bei den Eisbären, wenig später nach Demission von Ron Kennedy dann Cheftrainer und legte insgesamt drei eher glücklose Jahre hin. Und hatte sogar Glück, dass der damalige Manager Lorenz Funk an ihm festhielt. Später hat Funk mal gesagt: „Mein größter Fehler war, dass ich den Trainer nicht gefeuert habe.“

Peter John Lee 1998 als Trainer bei den Berlinern.
Peter John Lee 1998 als Trainer bei den Berlinern. Fotos: Imago/Osnapix/Behrendt
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"Ich war immer Manager von Menschen"

Funk und Lee sind längst wieder versöhnt. Lee manövrierte sich ins Management, ganz geschickt. Mit dem neuen Eigner aus den USA, der Anschutz-Gruppe, kam Lee sehr gut klar. Da gab es weniger kulturelle Barrieren als etwa bei Funk, der die Eisbären bald verließ. Der Manager Lee wurde der erfolgreichste Manager in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Sieben Meistertitel in neun Jahren holten die Eisbären in seiner Ära. Auch weil Lee die richtigen Personalentscheidungen traf – von den Trainern bis zu den Spielern. Auch weil Lee die richtigen Nicht-Entscheidungen fällte. Das kann er. Sonst hält man sich nicht so lange oben als Entscheidungsträger. In der Politik nicht, im Sport auch nicht. Der Nicht-Entscheider Lee brachte einst Ex-Trainer Pierre Pagé auf die Palme, als der seine Wünsche nach neuen Spielern nicht erfüllt sah. „Ich versuche, Peter immer wieder zu kneifen“, sagte Pagé. „Aber der reagiert nicht.“ Aber Lee reagierte richtig, in dem er nicht reagierte. Oft. Pagé wollte ja selbst mal den Spieler Sven Felski rauswerfen, das Denkmal der Eisbären. Nicht mit Lee! Peter John Lee wird ernst. Er sagt: „Ich war nie Manager einer Mannschaft. Ich war immer Manager von Menschen. Da hängen Familien, Schicksale und Wünsche dran an einem Spieler. Da geht es nicht nur um Eishockey.“

Die Eisbären sind schon da, wo andere noch hinwollen

Inzwischen also ist Lee Geschäftsführer. Erfolgreich natürlich. Die Eisbären sind schon da, wo andere noch hinwollen. Sie sind ein Klub, der in Berlin und Brandenburg ein großes Thema ist. Seit sie in die schnieke große Arena am Ostbahnhof umgezogen sind, hat sich ihr Publikum verdreifacht. Der Kern ist von Hohenschönhausen mit umgezogen. Die anderen zweit Drittel der Arena besetzen neue Fans von Zehlendorf bis Bernau. Das ist auch das Werk von Peter John Lee. Kaum zu glauben, aber wahr. Denn an sich tritt er nach außen nicht groß in Erscheinung.

Er drängt sich nicht zum Interview auf, ist das personifizierte Gegenteil von öffentlicher Geltungssucht. Er ist ein bescheidener Mensch. Ein Mensch, der Schicksalsschläge im Privaten hinter sich hat. Ein Mensch, der viel für seine Familie macht. Sohn Chris hat bei den Eisbären seine Trainerkarriere beim Nachwuchs begonnen und ist nur Coach beim Zweitligisten Crimmitschau – damit liegt Chris Lee in der Familie Lee noch hintendran, was die Sportkarriere angeht. Sein Großvater Eric war englischer Fußballnationalspieler, lief in 363 mal von 1946 bis 1957 für den FC Chester auf. Und sein Vater Peter, noch in England geboren, reifte dann später in Kanada zum Eishockeyprofi.

Es fehle an Menschen, die Eishockey spielen

Er schaue sich alles an Sport an, sagt der Sohn des Fußball-Nationalspielers. „Es ist unglaublich, auf was für ein Level alle Berliner Klubs in den großen Sportarten gekommen sind.“ Im Eishockey gäbe es, was die Wahrnehmung der Eisbären betrifft, nichts zu mäkeln. „Was uns aber fehlt, ist die breite Basis an Menschen, die den Sport betreiben. Bei uns im Stadion haben vielleicht fünf Prozent der Zuschauer selbst schon mal Eishockey gespielt. In Kanada oder auch Schweden ist das Verhältnis genau andersrum.“ Wobei, sagt Lee, in Kanada haben fünf Prozent der Menschen noch nicht Eishockey gespielt. Lee lacht. Aber was soll es mit Kanada, so gut kennt er sich in der Heimat gar nicht mehr aus.

Er hat seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland, seit er 1983 nach Düsseldorf kam – von einem Abstecher als Trainer in Ottawa mal abgesehen. Aus Berlin bekommt ihn so schnell keiner weg. Lee lebe den Klub wie kein anderer, sagt Cheftrainer Uwe Krupp. „Die Eisbären sind sein Lebenswerk.“ Peter sei der „gute Geist des Klubs“. Ein intelligenter Geist. „Wenn wir uns im Klub beim Lösungsweg für ein Problem alle einig sind bei den Eisbären, dann kommt Peter mit einem ganz anderen Vorschlag – und oft ist der besser“, sagt Krupp.

Alter und das Aufhören sind für Lee kein Thema

Peter John Lee beugt sich vor in seinem Sessel. Als Geschäftsführer sei er jetzt mehr Büromensch, müsse sich nicht mehr jedes Auswärtsspiel anschauen. Müsse. Ja, müsse. Denn Spiele der Eisbären anschauen, das ist für ihn nicht immer ein Spaß. Manager Lee war bei entscheidenden Spielen oft nicht mehr im Stadion, wenn der Puck durch die Arena flog. Dann machte er Spaziergänge durch die Kölner Innenstadt oder die Düsseldorfer Altstadt. In Berlin schlug er die Route von der Arena am Ostbahnhof über die Warschauer Brücke nach Kreuzberg ein. So ein Spiel dauert ja schon mal über zwei Stunden. Beim Meistertitel der Eisbären im Jahr 2012 hat er das letzte Finalspiel erst am frühen Morgen des nächsten Tages gesehen, als Aufzeichnung nach der Meisterfeier. Sein Alter hat ihn in dieser Hinsicht noch nicht beruhigen können. Lee ist ein schmallippiges Nervenbündel als Zuschauer der Eisbären.

Aber das Alter und das Aufhören sind kein Thema. Außerdem, sagt Peter John Lee, wolle ihn seine Lebensgefährtin auch nicht den ganzen Tag zu Hause ertragen müssen. Lacht, setzt sich kerzengerade hin und erzählt von seinem neuesten Plan. Das „Winter Game“, das Freiluftspiel, dass die DEL im Zwei-Jahres-Rhythmus veranstaltet, will er nach Berlin holen. „80 000 im Olympiastadion bei den Eisbären, das wäre was“, sagt Lee. „Nun geht es darum, hier alle bei den Eisbären dafür zu begeistern.“ Sagt der Begeisterungsbeauftragte der Eisbären, unter dessen Regie die Berliner von einem Hohenschönhausener Kiezklub zu einem großen Gesamtberliner Klub im Zentrum der Stadt geworden sind.

Die Marke Eisbären – ohne den Markenstempel Peter John Lee nicht denkbar.

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