zum Hauptinhalt
Ronny liefert oft Überraschendes, positiv wie negativ.
© Imago

Hertha BSC und Ronny: Das gemächliche Risiko

Aufstiegsheld Ronny spielt eine kleine Rolle bei Hertha BSC – dabei ist die Fitness nur ein Teil dieses Problems. "Wenn Ronny kommt und der Gegner den Ball hat, haben wir im Mittelfeld Unterzahl", sagt Trainer Jos Luhukay.

Bei Hertha BSC gibt es bewährte Abläufe. So laufen die Profis, die am Wochenende nicht oder kaum gespielt haben, danach im Training ein wenig mehr als die Stammkräfte. In der Regel drehen die Reservisten ihre Runden gegen den Uhrzeigersinn. In dieser Woche wählte einer die Gegenrichtung: Ronny lief als einziger Spieler im Uhrzeigersinn.

Nun wird dem Brasilianer ja oft nachgesagt, er wäre für die überraschenden Dinge bei Hertha zuständig. Vielleicht dachte Ronny aber auch, es fiele nicht so auf, dass er langsamer ist, wenn er nicht neben den Kollegen herläuft.

Das wäre nichts Ungewöhnliches – Herthas bester Spieler der Vorsaison läuft in diesem Jahr hinterher. Der Mann, der die Berliner mit 18 Toren zum Aufstieg schoss, sitzt in der Bundesliga meist auf der Bank: In 13 Saisonspielen hörte er zehnmal den Anpfiff von dort.

Wohl auch am Samstag gegen Augsburg. Die Frage, ob er Ronny aufbieten wolle, beantwortete Trainer Jos Luhukay mit einem langem Lob auf das übrige Mittelfeld. „Ich mache mir immer Gedanken, ob ich ihn von Anfang an oder als Joker bringe, aber unser Mittelfeld ist stark, da ist es schwierig, jemanden herauszunehmen.“ Also eher nicht.

Im letzten Heimspiel wurde ihm sogar Hany Mukhtar vorgezogen: Der 19-Jährige wurde zur Halbzeit ins Mittelfeld eingewechselt, Ronny erst acht Minuten vor Schluss. Danach wirkte es fast wie Hohn, als Luhukay später klagte: „Uns fehlt Ronny.“ Als wäre der verletzt oder gesperrt. Dabei bezog sich Luhukay auf gefährliche Distanzschüsse und Standards, die Hertha ohne Ronny derzeit abgehen, die ungewöhnlichen Momente eben. Die liefert Ronny, wenn er darf – statistisch fast alle 90 Minuten ein Tor oder eine Vorlage, darunter den späten Ausgleich Anfang Oktober in Hannover.

Doch schon vor Saisonbeginn hatte Luhukay Ronnys fehlende Fitness kritisiert. Mitte September dann sah Luhukay ihn so weit und bot ihn erstmals auf. In drei Spielen von Beginn an zeigte Ronny, wo die größten Rückstände liegen: Er wirkt vor allem im Kopf zu langsam für das schnelle, moderne Umschaltspiel. Steht er auf dem Platz, scheint das gesamte Hertha-Spiel gelähmt, obwohl die übrigen neun Feldspieler umso mehr laufen müssen.

„Wenn Ronny kommt und der Gegner den Ball hat, haben wir im Mittelfeld Unterzahl“, sagte Luhukay zuletzt und umschrieb eine Einwechslung Ronnys mit Wörtern wie Vabanque oder Harakiri. Dabei war Luhukay der erste Hertha-Trainer, der aus Ronny Spitzenleistungen herauskitzelte. Dafür erhielt der 27-Jährige einen neuen Vierjahresvertrag. Eine Liga höher ist nicht nur das Tempo der Gegner schneller, sondern auch Herthas.

Beine und Kopf sind nicht seine Stärken

Luhukay hat es angezogen und Spieler geholt, die Laufstärke und Handlungsschnelligkeit vereinen, die sich schnell auf neue Spielsituationen einstellen. „Allein durchs Laufen gewinnt man keine Spiele“, sagt Luhukay, „aber es ist eine Qualität, diese Mannschaft kann 90 Minuten volles Tempo gehen.“ Mit den Beinen und mit dem Kopf, beides nicht gerade Ronnys Stärken.

Bei ihm gibt es neben den besonderen Momenten noch mehr gemächliche, in denen er zum Risiko für die eigene Ordnung wird. In der Zweiten Liga lief er nicht schneller, um ihn herum nur alles langsamer. In der Ersten kann und will sich Luhukay das nicht mehr 90 Minuten leisten. Dafür fehlt dann oft das Überraschende.

Hertha muss sich an einer Stelle einer Stärke berauben, um Schwächen an anderer Stelle zu vermeiden. Fußballer kann man leider nicht wie andere Sportler für eine Spielsituation ein- und sofort wieder auswechseln.

Doch wie geht es weiter mit Ronny, wenn er selbst für eine Heimspielelf gegen Augsburg keine Alternative sein sollte? Sein Berater hat bereits erklärt, dem Brasilianer im Winter den Heimaturlaub zu streichen und einen neuen Privattrainer zu suchen. Dabei ist die Fitness nur eine Seite von Ronnys Problemen.

Doch kann er selbst als zweiter oder dritter Einwechselspieler wertvoll sein. Denn das Gute an besonderen Momenten ist, dass sie oft gegen Spielende kommen.

Zur Startseite