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Rituelle Schmähung. Die Fans des 1. FC Union verabscheuen den RB Leipzig, der nun allerdings auf dem Weg in die Erste Liga ist.
© imago/Bernd König

Vor dem wohl letzten Spiel bei RB Leipzig: Das geliebte Feindbild wird dem 1. FC Union fehlen

RB Leipzig polarisiert, mobilisiert die Massen – und macht die Stadien voll. Der designierte Aufsteiger wird Zweitliga-Konkurrenten wie Union fehlen. Was kommt danach?

Ganz neu ist der Einfall nicht: 15 Minuten schweigen, dann umso lauter Rabatz machen. So haben es die Fans des 1. FC Union schon beim Hinspiel gegen RB Leipzig gehandhabt, so wollen sie es auch heute zum Rückspiel in Leipzig (18.30 Uhr/live bei Sky) machen. Hat ja auch ganz gut geholfen, kurz nachdem sie ihre Mannschaft wieder nach vorne gesungen und geschrien hatten, fiel gleich das 1:0 für Union.

Ein netter Nebeneffekt war das, aber eigentlich geht es den Anhängern um etwas anderes. Stimmung machen gegen RB. Kein Verein in der Zweiten Liga wird von Traditionalisten derart abgelehnt wie die Leipziger. Weil sich darüber streiten lässt, ob es sich bei dem Konstrukt noch um einen Verein nach klassischem Vorbild handelt. Mitbestimmungsrecht genießen die Anhänger nicht, im Vorstand sitzen Menschen aus der Firmenzentrale des Sponsors, selbst der Klubname ist in erster Linie als Hinweis auf den Geldgeber zu verstehen. RB wird von einem Milliardär finanziert, ganz so wie es im amerikanischen Sport üblich ist, wo die Teams als sogenannte Franchise-Unternehmen auftreten. Das alles und der Umstand, dass die Leipziger Fußballer vordergründig als Werbeprojektionsfläche auftreten, hat ihnen deutschlandweit den Unmut vieler Fußball-Fans eingebracht.

Leipzig polarisiert, nach dem immer wahrscheinlicher werdenden Aufstieg in die Erste Liga wird RB den anderen 17 Klubs fehlen – und sei es nur als gemeinsames Feindbild. Das Team von Trainer Ralf Rangnick ist Tabellenführer mit sieben Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz. Für Unions Coach Sascha Lewandowski handelt es sich längst um einen gefühlten Erstligisten. „Wir spielen bei einer guten bis sehr guten Bundesliga-Mannschaft“, sagt er, während sein Team weiter dezimiert ist. Neben den langzeitverletzten Steven Skrzybski, Raffael Korte und Maximilian Thiel fallen in Toni Leistner und Fabian Schönheim zwei der drei Stammverteidiger aus.

Die Berliner arbeiten sich an ihrem Lieblingsgegner ab

Unions Anhänger wird das ungleiche Kräfteverhältnis nur noch mehr anstacheln. Sie verstehen sich ohnehin als Außenseiter gegen Leipzigs finanzielle Übermacht. Die Berliner arbeiten sich nun schon seit einiger Zeit an ihrem Lieblingsgegner ab. Vor einigen Jahren musste der damalige Berliner Manager Christian Beeck nach dem Veto der Fans sogar ein Testspiel absagen.

Nach Leipzigs Aufstieg in die Zweite Liga war ein sportliches Aufeinandertreffen unvermeidlich, Unions Fans nutzten die Bühne, die ihnen der unliebsame Gegner bot. In Form von Schmähgesängen, Protestaktionen wie dem Verteilen von schwarzen Plastiksäcken, die symbolisch für den Tod der Fankultur stehen sollten. Vor ziemlich genau einem Jahr organisierten sie ein Benefizspiel zugunsten der finanziell angeschlagenen BSG Chemie Leipzig. Anschließend kamen sie absichtlich verspätet in der Arena an, auch um zu zeigen, dass ohne sie gar nichts los wäre.

Vom Lautstärkepegel her mag das stimmen, von den Besucherzahlen ist RB aber nicht mehr auf Gästefans angewiesen, um das Stadion zu füllen. In Stadt und Umland finden sich immer mehr Anhänger, vor allem Familien mit Kindern zieht es in die Arena. Im Schnitt kommen etwas mehr als 28 000 Zuschauer pro Spiel – nach dem FC St. Pauli ist das der zweitbeste Wert in der Zweiten Liga. Den Traditionsklubs FC St. Pauli, 1. FC Union, Eintracht Braunschweig oder VfL Bochum bescheren die Leipziger in der Regel ein volles Stadion. Nicht weil so viele RB-Fans mitfahren, sondern weil das Feindbild die eigenen Anhänger mobilisiert. Zum Spiel in Bochum reisten nur 400 Leipziger Fans, trotzdem kamen insgesamt mehr Zuschauer als gewöhnlich zu den Heimspielen des VfL. Bei Spielen in der Provinz, in Sandhausen oder Heidenheim, ging diese Formel nicht auf, dort wollten RB weniger Fans als gewöhnlich sehen.

Hoffenheim könnte das neue Leipzig in Liga zwei werden

Für die Berliner Fans bleibt Leipzig – auch wegen der kurzen Anreise – einer der attraktivsten Gegner. 4300 Karten wurden für den Gästeblock verkauft, mehr ging nicht. Einmal noch auspfeifen, bevor beide Mannschaften wieder in unterschiedlichen Ligen spielen. Ohne Leipzig, was kommt dann? Hoffenheim vielleicht. Mit der TSG ist ein Klub abstiegsbedroht, dem vor Jahren ähnlich viel Antipathie entgegengebracht wurde wie RB. Ein Kunstprodukt, von einem Milliardär ins Leben gerufen. Aus der Dritten Liga könnte Sonnenhof Großaspach aufsteigen, auch ein Klub mit Mäzen im Hintergrund. Sieht ganz so aus, als sollten den Traditionalisten die Feindbilder für lange Zeit nicht ausgehen.

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