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 Thomas Geisel, 49, arbeitet als Manager für einen Energiekonzern. Der fünffache Vater lebte acht Jahre lang in Berlin und kandidiert nun in Düsseldorf fürs Amt des Oberbürgermeisters.
© Michael Gstettenbauer

Hertha-Fan in Düsseldorf: „Das erhöht meine Chancen auf das Bürgermeisteramt nicht“

Thomas Geisel ist Hertha-Fan und geht in Düsseldorf als Kandidat der SPD ins Rennen für das Amt des Oberbürgermeisters. Mit dem Tagesspiegel spricht er darüber, wie er zum Hertha-Fan wurde und die Nachteile, die das in Düsseldorf mit sich bringt.

Herr Geisel, Sie sind Fan und Mitglied von Hertha BSC und kandidieren in Düsseldorf als Kandidat der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters. Das ist mutig.

(Lacht) Stimmt. Hertha-Fan zu sein ist nach der Relegation im vergangenen Jahr sicher nichts, was meine Chancen hier in Düsseldorf nachhaltig erhöht. Aber soll ich deshalb den Klub wechseln? Nur aus opportunistischen Erwägungen? Dann wäre ich schon lange Bayern-Fan. Bin ich aber nicht.

Es gab für Sie nie einen anderen Klub als Hertha?

Ich muss gestehen, dass ich in meiner frühesten Jugend einmal Schalke-Fan war. Da hat die Leidenschaft meines Vaters wohl auf mich abgefärbt. Aber das habe ich mittlerweile abgelegt. Für Fortuna Düsseldorf besitze ich auch große Sympathien, und das sage ich nicht, weil ich hier für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiere. Fortuna ist ein extrem sympathischer Verein mit tollen Fans. Der Verein ist bodenständig und geerdet, genauso wie Hertha.

Sie leben in Düsseldorf, stammen aus dem Schwäbischen. Woher kommt Ihre Liebe zur Hertha?

Von 1992 bis 2000 habe ich in Berlin gelebt. Nach dem Aufstieg 1997 bin ich regelmäßig ins Olympiastadion gegangen – am Anfang noch aus allgemeinem Interesse am Fußball, dann mit wachsender Begeisterung für Hertha. Dieser Leidenschaft bin ich treu geblieben, obwohl ich schon seit über zehn Jahren in Düsseldorf lebe.

Wissen Sie noch, wann Ihr allgemeines Interesse am Fußball in Leidenschaft für Hertha umgeschlagen ist?

Die Saison, in der Hertha in der Champions League gespielt hat, das war eine super Sache. Meine älteste Tochter war damals noch ziemlich klein, ist aber immer mit ins Stadion gefahren, so nach dem Motto: Man kann die Kinder gar nicht früh genug dem Fußball zuführen. Die fand natürlich Herthinho am besten. Ich fand die Hertha-Fans sympathisch, die Mannschaft toll und das Olympiastadion klasse. So wurde daraus eine sehr leidenschaftliche Anhängerschaft.

Und in dieser Woche sind Sie dann im Hertha-Trikot ins Büro gegangen – als Tabellenführer der Bundesliga.

Das nicht. Aber natürlich habe ich mich riesig über die Tabellenführung gefreut und viele haben mir dazu gratuliert. Mal sehen, wo wir am Schluss stehen. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass Hertha eine gute Saison spielen wird.

Haben Sie mal darüber nachgedacht, Ihre Leidenschaft für Hertha eher im Verborgenen auszuleben, um ihre Chancen bei der Oberbürgermeister-Wahl nicht zu gefährden?

Nein, ich habe nie ein Geheimnis aus meiner Hertha-Leidenschaft gemacht. Meine Freunde wissen das, und nach meiner Nominierung zum OB-Kandidaten habe ich das gleich in der ersten Pressekonferenz gesagt.

Wie haben Sie vor einem Jahr die Relegationsspiele zwischen Hertha und Fortuna Düsseldorf erlebt?

Beim Hinspiel im Olympiastadion war ich dabei, beim Rückspiel konnte ich nicht. Ich habe es natürlich sehr bedauert, dass Hertha abgestiegen ist; ich habe auch verstanden, dass Michael Preetz alles versuchen musste, um den Abstieg juristisch noch abzuwenden. Aber eins habe ich absolut nicht nachvollziehen können …

Und das wäre?

Dass ein paar Leute bei Hertha behauptet haben, es habe Gefahr für Leib und Leben bestanden. Hat nicht Otto Rehhagel sogar etwas von „Halbangst“ gefaselt? Ich habe die Fortuna-Fans gerade in dieser Zeit als sehr euphorisch erlebt, aber nie als gewalttätig. Deshalb steht Hertha im Rückblick ein bisschen als schlechter Verlierer da, und den Fortunen wurde die Aufstiegsfeier vermasselt. Das hat die Begeisterung für Hertha in Düsseldorf nicht unbedingt gesteigert.

Haben Sie nach dem Berliner Abstieg in Düsseldorf sehr leiden müssen?

Nein. Ich kam an diesem Abend von einem Geschäftsessen und lief mit meinem Hertha-Schal durch die Stadt. Alles war komplett in den Farben Rot und Weiß. Einige Fortuna-Fans meinten zu mir: mutig, mutig. Aber das war überhaupt nicht feindselig.

Ein Jahr später haben viele Fans von Hertha BSC Fortunas Abstieg mit viel Häme begleitet.

Find ich nicht okay. Fortunas Abstieg war eine echte Tragödie und auch extrem unglücklich. Die Mannschaft hat übers ganze Jahr eine super Saison gespielt, stand nicht ein einziges Mal auf einem Abstiegsplatz – nur am 34. Spieltag. Das war schon Mist.

Mal angenommen, Sie werden Oberbürgermeister, Fortuna steigt auf und Hertha schafft den Klassenerhalt. Wo würde man Sie beim ersten Heimspiel gegen Hertha sehen: mit Fortuna-Schal auf der Vip-Tribüne? Oder im Hertha-Trikot im Berliner Block?

Wahrscheinlich auf der Tribüne und hoffentlich gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin. Aber wohl ohne Fortuna-Schal. Ich bin nun mal Herthaner. Sollte Fortuna gewinnen, wäre es aber wohl die einzige Hertha-Niederlage, über die ich mich nicht ärgern würde.

Sie könnten sich als Oberbürgermeister ja dafür einsetzen, dass es einen Fortuna-Hertha-Fanschal gibt.

Das wird nicht ganz einfach. (lacht) Aber Politik ist, wie Sie wissen, das Bohren dicker Bretter. Das wäre ein ganz dickes.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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