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Da fährt der Weltmeister. Doch wie oft wird der Brite Lewis Hamilton vom Team Mercedes in Sao Paulo noch in Aktion zu sehen sein?
© Nelson Antoine/AP/dpa

Formel 1 in Brasilien: Das Ende einer Ära

Die Formel-1-Begeisterung in Brasilien schwindet. Nach dem Karriereende von Felipe Massa könnte auch für das Rennen in Interlagos bald Schluss sein.

Volle Tribünen, gute Stimmung, große Formel-1-Begeisterung im ganzen Land, überragende Fahrerpersönlichkeiten wie Ayrton Senna, Nelson Piquet oder Emerson Fittipaldi – über Jahrzehnte war Brasilien ein absolutes Stammland für die Formel 1. Doch jetzt scheint das alles auseinander zu brechen: Wenn Felipe Massa seine Karriere Ende November in Abu Dhabi beendet, klafft hinter ihm ein Loch. Erstmals seit 1970 wird es dann in der Saison 2018 keinen brasilianischen Stammfahrer mehr im Feld geben. Emerson Fittipaldi war der erste, als ihn Lotus-Chef Colin Chapman 1970 in die Formel 1 holte. Es begann eine Serie, die bis heute ungebrochen ist: Brasilien hatte immer Piloten in der Formel 1. Um nur ein paar andere wichtige neben den drei Weltmeistern zu nennen: Wilson Fittipaldi, José Carlos Pace, Rubens Barrichello, Felipe Massa, für kürzere Zeit dann auch Bruno Senna, Lucas di Grassi und Felipe Nasr.

Aber auch durch die großen wirtschaftlichen Probleme im Land, mangelnde Sponsorengelder und schlechte Chancen, schon frühzeitig nach Europa zu gehen, sieht es mit dem Nachwuchs inzwischen düster aus: Auch in der Formel 2 gibt es mit Sérgio Sette Câmara nur einen Brasilianer. Der 19-Jährige ist derzeit Gesamtzwölfter. In der GP3 ist Bruno Baptista (20) der einzige, er belegt den 20. Rang. Auch in der Formel-3-EM fährt Pedro Piquet (19) als Gesamt-14. meist hinterher. Formel-1-Potenzial hat keiner von ihnen.

Erfolge feiern die Brasilianer derzeit nur in anderen Rennsport-Kategorien: Di Grassi ist Titelträger in der Formel E, Bruno Senna hat am kommenden Wochenende in Bahrain die Chance, in der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC den Titel in der LMP2-Kategorie zu holen.

Der Mangel an konkurrenzfähigen Piloten macht sich auch am Interesse der Fans bemerkbar: Schon seit Jahren fällt beim Grand Prix in Interlagos auf, dass die Zuschauerzahlen rückläufig sind. Während in Mexiko-Stadt 80 000 Fans zu einem Freitagstraining kommen, verliert sich in São Paulo ein Bruchteil davon auf den Tribünen. Für die Brasilianer zählt eine Sportart nur dann, wenn es Identifikationsfiguren aus dem eigenen Land gibt. Und die müssen gewinnen – gute Platzierungen reichen nicht. Ein Trend, der auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro deutlich zu sehen war.

Das hat auch weiter gehende Konsequenzen: Der Fernsehsender TV Globo, jahrelang der Vermittler der Formel 1, berichtet nur noch eingeschränkt von den Rennen. Die Gefahr besteht, dass die Übertragungen in Zukunft nur noch im Pay-TV zu sehen sein werden, wofür kaum ein Brasilianer Geld auszugeben bereit ist.

Lewis Hamilton schwärmt für Ayrton Senna

Und auch der Grand Prix in Interlagos könnte mittelfristig auf der Kippe stehen – selbst wenn der Vertrag theoretisch noch bis 2020 läuft. Die politisch Verantwortlichen von São Paulo drohen angesichts der sonstigen Probleme der Stadt immer wieder, kein Geld mehr für das Rennen ausgeben zu wollen. Und wie schnell in so einem Fall ein Rennen weg sein kann, hat der Fall Malaysia gezeigt. Im Moment versuchen die Brasilianer noch, Weltmeister Lewis Hamilton quasi zu adoptieren, weil der ihnen durch seine Verehrung für Ayrton Senna – über dessen Leben gerade in Brasilien ein Musical entstand, das in dieser Woche in Rio Premiere feiert – besonders nahe ist. In São Paulo überreichte der Brite ein vom brasilianischen Künstler Eduardo Kobra bemaltes Mercedes-Modell der Senna-Stiftung. Ayrtons ältere Schwester Viviane, die die Stiftung leitet, die sich vor allem für die bessere Ausbildung unterprivilegierter Kinder engagiert, nahm es in Empfang. Im Juni, als Hamilton Ayrton Sennas Bestmarke von 65 Pole-Positions in der Formel 1 erreichte, wurde er von der Familien Senna überrascht. Die hatte eine Helm-Replika von Ayrton organisiert für den Moment, wenn der Engländer die Marke erreicht und ihn ihm Montreal überreichen lassen – das Original folgte dann später noch nach.

Hamilton gibt zu: „Ich habe für Brasilien immer eine Schwäche gehabt, wegen Ayrton Senna. Er ist bis heute auf der ganzen Welt bekannt und wenn ich jemanden treffen, der mit dem Namen nicht so viel anfangen kann, dann sage ich jeweils, schau dir seine Dokumentation an. Senna ist für mich bis heute ein Maßstab.“ Viviane Senna gab bei der Übergabe des Auto-Modells die Komplimente zurück: „Ich mag Lewis, weil seine Zuneigung zu Ayrton echt ist. Die beiden sind durch ihre großartigen Moment und ihre Rekorde verbunden. Ayrton pflegte zu sagen: Wenn wir die Welt verändern wollen, dann sollten wir mit den Kindern beginnen. Bei ihrer Ausbildung. Er hat Kids auf der ganzen Welt beeinflusst. Einer davon war ein kleiner Junge aus England, der davon träumte, ein Formel-1-Fahrer zu sein. Und heute stehst du, Lewis, hier und bist der beste GP-Fahrer der Welt.“ Trotzdem wird auch der nun viermalige Weltmeister Lewis Hamilton die brasilianische Lücke, die Felipe Massa mit seinem Rücktritt hinterlässt, auf Dauer nicht ersetzen können.Karin Sturm

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