US Open in New York: Daniil Medwedew ist der Geheimfavorit
Der russische Tennisspieler legt es auf lange Ballwechsel an. Damit zermürbte der Weltranglistenfünfte kürzlich sogar Novak Djokovic.
Es gibt eine Geschichte, die Daniil Medwedew wohl für immer verfolgen wird. In Wimbledon 2017 hatte er gerade sein Zweitrundenmatch verloren, als er sein Portemonnaie herausholte und der Stuhlschiedsrichterin Mariana Alves ein paar Münzen zuwarf. Der damals 21-jährige Russe musste dafür viel Kritik einstecken, auch wenn er sich umgehend entschuldigte: „Ich weiß nicht, was ich in diesem Moment gedacht habe. In der Hitze des Gefechts habe ich einen Fehler gemacht. Das tut mir leid“, sagte er damals. Medwedew ist ein Heißsporn, allerdings hat er sein Temperament inzwischen deutlich besser im Griff.
Das kann durchaus mit seinen Erfolgen in den jüngsten Monaten zusammenhängen. Medwedew ist von einem Talent zum Topspieler aufgestiegen, in der Weltrangliste ist er Fünfter und hat damit Spieler wie Alexander Zverev oder Stefanos Tsitsipas überholt. Und nicht nur das. In diesem Jahr hat kein Profi auf der ATP-Tour mehr Matches gewonnen als der Schlaks aus Moskau, vor den US Open erreichte er in drei Wochen drei Finals bei drei aufeinanderfolgenden Turnieren. Nach Niederlagen gegen Nick Kyrgios (Washington) und Rafael Nadal (Montreal) konnte er in Cincinnati schließlich auch triumphieren. Im Halbfinale hatte er dort Titelverteidiger Novak Djokovic bezwungen, der ihn anschließend überschwänglich lobte: „Er ist in jedem Fall einer der besten Spieler auf der Welt“, sagte der serbische Top-Favorit auf den Sieg bei den US Open.
In der ersten Runde in New York besiegte Medwedew den Inder Prajnesh Gunneswaran 6:4, 6:1, 6:2. Hier könnte er im Viertelfinale auf Djokovic treffen, der sich da womöglich etwas mehr Losglück gewünscht hätte. Bei den Australian Open war der Russe im Januar der einzige, der den späteren Champion vor größere Probleme stellte. Inzwischen hat Medwedew spielerisch noch einmal zugelegt. Dabei kommt sein Tennis auf den ersten Blick unscheinbar daher. „Ich habe nicht diesen einen wirklich beeindruckenden Schlag. Es ist einfach die Konstanz in allem. Meine Taktik ist, den Gegner leiden zu lassen“, beschreibt Medwedew sein Spiel. Das kann dann schon mal zu endlosen Ballwechseln führen.
Ein bisschen erinnert er damit an Miloslav Mecir. Der Slowake war einer der besten Spieler in den Achtziger Jahren und verfügte über eine überragende Spielintelligenz. Die ganz großen Erfolge blieben Mecir allerdings verwehrt. In dieser Hinsicht hat Medwedew andere Pläne. Daran arbeitet er aber nicht etwa in Russland, sondern in Westeuropa. Seinen Wohnsitz gibt er wie viele andere Tennisprofis mit Monte Carlo an, tatsächlich hat dies aber nicht nur steuerliche Gründe. Medwedew hat in Gilles Cervara einen französischen Coach mit dem er auch in Frankreich arbeitet. Er spricht die Sprache fließend und wird zudem noch von einer französischen Bekleidungsfirma gesponsert.
Auch privat geht der junge Russe andere Wege als viele seiner Kollegen. Seit September 2018 ist er verheiratet, auch wenn er davor zunächst Respekt hatte. „Ich dachte, die Ehe macht mich zu einem schlechteren Spieler, ich hatte Angst.“ Ein Jahr später lässt sich festhalten, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Medwedew gehört zu absoluten Weltklasse und will das auch in New York noch einmal beweisen. Ab und an allerdings bricht es aus dem Ehemann Daniil Medwedew noch heraus. Dann kann er völlig die Kontrolle verlieren, über seine Emotionen und sein Spiel. In New York soll ihm das nach Möglichkeit nicht passieren, hat er sich im Griff, müssen sich seine Gegner auf anstrengende Stunden auf dem Platz einstellen.