American Football: Comeback der Veteranen
In der NFL haben erfahrene Quarterbacks den jüngeren wieder den Rang abgelaufen.
Selbst die Leute in der Regie hatten sich auf die falsche Fährte locken lassen. Ihre Ultra-HD-Kameras fixierten sich ausschließlich auf das aus 21 Footballspielern bestehende Knäuel, das sich kurz vor der Endzone gebildet hatte. Nur einen Mann blendeten sie völlig aus: Peyton Manning. Mit einem grandiosen Trickspielzug hatte der Quarterback der Denver Broncos Kameraleute, Zuschauer und Gegenspieler gleichermaßen genarrt. Während die Fernsehmacher orientierungslos durchs Programm führten, lief Manning unbedrängt in den Punktebereich und grinste.
Der Spielzug zum 28:21 bei den Dallas Cowboys war Höhepunkt und Sinnbild für die laufende Saison der US-amerikanischen National Football League (NFL), weil sich selbst erlaufene Touchdowns von Peyton Manning in etwa so häufig ereignen wie Kopfballtore von Philipp Lahm. 456 Pässe hat Manning bisher in seiner großen Karriere in des Gegners Endzonen erfolgreich an den Mann gebracht, nur sechsmal hat er per Lauf selbst gepunktet. Der 37-Jährige ist „on fire“, wie die Amerikaner sagen, ihm gelingt im Moment einfach alles. Und auch das ist bezeichnend nach sechs absolvierten NFL-Spieltagen: Wenn die Vorsaison aufstrebenden, jungen Quarterbacks wie Andrew Luck (Indianapolis Colts), Robert Griffin III (Washington Redskins) oder Russell Wilson (Seattle Seahawks) gehörte, dann dominieren jetzt wieder die Veteranen. Neben Manning liefern auch Tom Brady, 36, von den New England Patriots und Drew Brees, 34, von den New Orleans Saints Woche um Woche herausragende Leistungen ab. In den USA läuft bereits die Debatte, ob es sich um das beste Quarterback-Trio der NFL-Geschichte handelt.
„Ich weiß gar nicht, wie man diese Frage beantworten soll, weil mir so viele große Quarterbacks einfallen“, sagte Kurt Warner kürzlich dem Fernsehsender ESPN. Der ehemalige Spielmacher der St. Louis Rams räumte aber auch ein: „Peyton, Tom und Drew zählen ohne Zweifel zu den sichersten, besten und spektakulärsten Quarterbacks, die die Liga je gesehen hat.“ Das lässt sich auch statistisch belegen: Manning hat in den ersten fünf Spielen 20 Touchdown-Pässe bei einer Interception geworfen – NFL-Rekord. Brady war bis zum vergangenen Wochenende auf dem besten Weg, einen Rekord zu egalisieren, der für die Ewigkeit bestimmt schien. In 52 aufeinanderfolgenden Spielen hatte er jeweils mindestens einen Touchdown-Pass geworfen. Die alte Bestmarke in dieser Kategorie hält übrigens Drew Brees. Der hat mit 54 aufeinanderfolgenden Spielen inklusive Touchdown-Pass eine Uraltbestmarke von Johnny Unitas aus dem Jahr 1960 (47) pulverisiert.
Zur Ehrenrettung der Stars von gestern, der John Elways, Joe Montanas und Dan Marinos, ist allerdings zu sagen, dass sich American Football radikal verändert hat. „Das soll die Leistungen von Peyton, Tom und Drew keineswegs schmälern, aber das Spiel ist nicht mehr vergleichbar mit dem aus den 70ern, 80ern oder 90ern. Football war früher ein Laufspiel, heute ist es ein Passspiel“, sagt Warner. Der Quarterback steht mehr denn je im Mittelpunkt, er wird von seinen Vorderleuten geschützt wie ein rohes Ei, während er vom Gegner mit harten Tacklings zermürbt werden soll. Wahrscheinlich gibt es in keinem anderen Teamsport eine Position, die so wichtig und verantwortungsbeladen ist wie die des Quarterbacks im American Football.
Manning, Brady und Brees gehören zu jener seltenen Kategorie Sportler, die ihre Mitspieler besser machen. Manning ist zwar noch offiziell Spieler, er verhält sich auf dem Feld mit seiner physischen wie psychischen Präsenz aber längst wie ein Coach, jede die Offensive betreffende Ansage kommt von ihm, seine Trainer geben bestenfalls Hinweise – am Ende entscheidet allein Manning. Und die Zahlen sprechen für sich. Seine Denver Broncos hatten vor dem Spiel am Sonntagabend gegen Jacksonville (nach Redaktionsschluss) im Schnitt 46 Punkte pro Spiel erzielt. Ein unglaublicher Wert.
Warner sagt: „Solange es solche Quarterbacks gibt, geht es der NFL gut.“
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