Alba Berlin: Cliff Hammonds und der Ritt auf dem Ochsen
Cliff Hammonds verkörpert die Tugenden, mit denen sich Alba Berlin zurzeit durchschlägt. Die offensiv schwächelnden Berliner leben vom Engagement des Mannes aus North Carolina, der Basketball hauptsächlich arbeitet.
Jonathan Rousselle konnte einem leidtun. Der schmächtige Aufbauspieler von BCM Gravelines Dünkirchen dribbelte hierhin und dorthin, täuschte an, suchte einen Weg zum Korb. Alles, was der 23-Jährige im Spiel gegen Alba Berlin fand, war allerdings eine Wand, an der er wie eine Flipperkugel abprallte. Sein Gegenspieler Cliff Hammonds war stets schon dort, wo Rousselle hin wollte – und hatte großen Anteil daran, dass Alba am Dienstag den französischen Pokalsieger 70:59 niederkämpfen konnte. „Es war nicht schön, aber es ist ein Sieg“, sagte Hammonds hinterher lapidar.
Ähnlich schnörkellos wie seine Aussagen ist auch die Spielweise des 27-Jährigen. Die offensiv schwächelnden Berliner leben im Moment von den Tugenden des Manns aus North Carolina, der Basketball hauptsächlich arbeitet. Gegen Dünkirchen lief bei Alba kaum etwas zusammen, auf Verteidigung und Einsatz konnte sich Trainer Sasa Obradovic bei seiner Mannschaft aber verlassen – und dabei vor allem auf Cliff Hammonds. „Er ist unser Antreiber, er spielt immer mit Herz“, sagt Obradovic über seinen Point Guard. „Ich bin sehr zufrieden mit ihm. Die Verteidigung beginnt immer mit dem Spielmacher – er gibt da unseren Rhythmus vor.“
Im Gegensatz zu seinem Nebenmann David Logan, dessen Talent und Eleganz sofort ins Auge springen, hat sich Cliff Hammonds vieles erarbeiten müssen. Nach dem College hieß seine erste Profistation Darüssafaka Istanbul, danach spielte er in Puerto Rico, Griechenland, Frankreich, wieder in der Türkei und zuletzt bei Igokea Aleksandrovac in Bosnien, wo er Meister und Pokalsieger wurde. „Er hat sich durch viele Ligen gearbeitet und ist immer besser geworden“, sagt Obradovic. „Es ist wirklich erstaunlich, wie er sich auf jedes Training vorbereitet. So einen akribischen und professionellen Amerikaner hatte ich noch nie im Team.“ Was der Serbe damit meint, ist vor jedem Alba-Training zu sehen. Dann feilt Cliff Hammonds an seinem Handwerk. Minutenlang dribbelt er mit der einen Hand einen Basketball, mit der anderen einen Tennisball – eine koordinativ ungemein schwierige Aufgabe. Verspringt einer der Bälle, verzieht Hammonds keine Miene und macht mit doppelter Intensität weiter. Dass der Aufbauspieler auch viele Gewichte gestemmt hat, zeigen seine dicken Waden und gewaltigen Oberarme. Hinzu kommen riesige Hände – perfekt, um Bälle abzugreifen.
Begnadete Aufbauspieler werden bisweilen „Houdini“ oder „Magic“ genannt, Mithat Demirel hat einen anderen Spitznamen für Hammonds. „Er ist ein Ochse“, sagt Albas Sportdirektor – und meint das uneingeschränkt positiv. Mit seinem kompromisslosen und wuchtigen Spielstil ist Hammonds so etwas wie der Gegenentwurf zu Dashaun Wood, der in den vergangenen beiden Jahren die Rolle des Spielmachers bei Alba bekleidete. Bei Wood hatte man zumindest zum Ende seines Engagements in Berlin das Gefühl, sein Hauptaugenmerk in der Defensive liege darin, sich nicht wehzutun und den akkuraten Sitz seines Stirnbands zu bewahren.
Dergleichen ist beim fusselbärtigen Hammonds, der seine klobige Sporttasche selbst in Albas Vip-Raum mitschleppt, nicht zu befürchten. „Meine Eltern haben mir beigebracht, dass man im Leben für alles hart arbeiten muss“, sagt Hammonds mit vernuscheltem Südstaaten-Akzent. „So werde ich das meine ganze Karriere lang machen und auch danach, egal in welchen Job ich arbeite. Ich kenne keinen anderen Weg.“
Was Cliff Hammonds an Einsatz und Defensivstärke mitbringt, fehlt ihm noch als Stratege und Kommunikator. „Ich wünsche mir, dass er unsere Offensive nicht nur organisiert, sondern auch kreativer wird“, sagt Sasa Obradovic. „Er könnte im Angriff noch lockerer sein, er soll sich ein bisschen entspannen.“ Möglicherweise wird das eintreten, wenn Hammonds’ Frau und seine vier Kinder ihm in ein paar Wochen nach Berlin folgen. Vielleicht hat Obradovics Team bis dahin zurück zu Leichtigkeit und Rhythmus gefunden. Falls nicht, muss Alba eben weiter den Ochsen reiten.
Lars Spannagel