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Claudia Pechstein kämpft weiter in der Öffentlichkeit und vor Gericht um ihre Rehabilitierung.
© dpa

DOSB lässt Dopingurteil neu bewerten: Claudia Pechstein und die letzte Wahrheit

Für Claudia Pechstein war der Donnerstag „einer der bedeutsamsten Tage“ ihrer Karriere. Der Deutsche Olympische Sportbund will das Dopingurteil gegen die Eisschnellläuferin neu bewerten lassen.

Gestern, an einem ganz normaler Donnerstag mit Temperaturen von 21 Grad in Berlin, hat die Wintersportlerin Claudia Pechstein über einen großen Sieg gejubelt. „Für mich ist heute einer der bedeutsamsten Tage meiner Karriere“, teilte sie mit – obwohl die Saison der Eisschnellläuferin erst mit den deutschen Meisterschaften am 1. November in Berlin beginnt.

Doch Pechsteins Karriere spielt sich längst nicht nur auf dem Eisoval ab. Vor Gericht und mit Verbänden streitet die Olympiasiegerin um ihre Rehabilitierung, sie will anerkannt haben, dass ihre zweijährige Dopingsperre Unrecht war. Genau das möchte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) jetzt, fünf Jahre nach der Sperre, noch einmal herausfinden. Fünf Experten hat er dazu um Rat gebeten. „Wir wollen überprüfen, inwieweit das Bild der dopenden Claudia Pechstein in der Öffentlichkeit gegebenenfalls korrigiert werden muss“, sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann.

Zu welchem Urteil die Experten kommen werden, ist nicht schwer vorauszusagen

Bisher hatte der Dachverband des deutschen Sports zwar sein Bedauern über den Ausgang des Verfahrens geäußert. Mehr aber auch nicht. Das hat sich mit der Wahl von Hörmann zum Präsidenten im Dezember 2013 geändert. Schon in seiner Kölner Sportrede im Mai dieses Jahres hatte Hörmann angekündigt, sich mit dem Fall Pechstein befassen zu wollen. „Sollte hier Unrecht geschehen sein, dürfen wir es nicht stehen lassen. Wir haben eine große Verantwortung gegenüber unseren Athletinnen und Athleten, dieser stellen wir uns hier mit allen daraus resultierenden Konsequenzen“, sagte Hörmann.

Zu welchem Urteil die fünf Experten kommen werden, ist nicht schwer vorauszusagen. Die Koordination hat der DOSB dem Lübecker Physiologen Wolfgang Jelkmann übertragen. Er hatte mit anderen Hämatologen schon im März 2010 den Fall Pechstein für geklärt befunden. Pechsteins schwankenden Blutwerte ließen sich mit einer Anomalie erklären. Die Zellwände ihrer roten Blutkörperchen seien verändert. Das wirke sich nicht leistungsmindernd aus und lasse die Zahl ihrer jungen Blutkörperchen, der Retikulozyten, ansteigen. Wegen Schwankungen dieses einen Werts im Blutbild hatte der Internationale Eislauf-Verband (ISU) Pechstein 2009 für zwei Jahre gesperrt. Diese Sperre war anschließend vom Internationalen Sportgerichtshof Cas bestätigt worden. Zum Befund der Blutanomalie bei Pechstein sagte Jelkmann: „Ich kenne keinen Hämatologen, der daran zweifelt.“

Auch ein weiterer vom DOSB berufener Experte, der Italiener Alberto Zanella, beurteilt die Anomalie als ausreichende Erklärung für Pechsteins Blutwerte. Er war auch schon für Pechsteins Gegenseite, die ISU, als Gutachter tätig. Die drei anderen Experten des Gremiums dürften es kaum anders sehen. „Mir ist weltweit nur noch Giuseppe D’Onofrio als Mediziner bekannt, der die Sache anders sieht“, sagt Pechsteins Manager Ralf Grengel, „weil er eben als Gutachter der ISU maßgeblich an ihrer Verurteilung beteiligt war und Schwierigkeiten hat, einen Fehler einzugestehen.“

Wann die Experten ihr Votum veröffentlichen, steht noch nicht fest

Für Pechstein geht es nicht nur um die Wiederherstellung ihres Rufs. Sie klagt derzeit unter anderem gegen die ISU auf Schadenersatz. Am 6. November findet dazu vor dem Oberlandesgericht München eine Anhörung statt. „Der DOSB bringt uns mit dieser Entscheidung auf jeden Fall positiven Rückenwind“, sagte Pechsteins Rechtsanwalt Simon Bergmann. Zwar ändere sich dadurch inhaltlich nichts, aber atmosphärisch. „Wenn am Ende alles auf der Kippe steht, kann so etwas ein Gericht beeinflussen, denn auch Richter sind Menschen und sehen, was hier passiert ist.“

Wann die Experten ihr Votum im Auftrag des DOSB veröffentlichen, steht noch nicht fest. Sie sollen noch einmal alle medizinischen Fakten dieses Falls bewerten. Ungeschehen machen kann der DOSB dadurch nichts, aber es hätte mehr als nur Symbolkraft, wenn der Dachverband des deutschen Sports Pechstein für unschuldig erklären würde. Es würde Pechsteins letzte Phase ihrer Karriere erleichtern, einen Makel von der 42-Jährigen nehmen. „Ich bin dem DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann sehr dankbar, dass er sich mit meinem Fall so intensiv beschäftigt hat, um zu zeigen, dass der DOSB der Verantwortung für seine Athleten auch in schwersten Zeiten gerecht wird“, sagt Pechstein daher. Die Antwort auf die Frage, ob sie Täter oder Opfer sei, kenne sie längst. „Wenn die Experten ihre Arbeit beendet haben, werden auch alle anderen sie kennen.“

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