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Nur nach Hause. Christoph Kramer spielt wieder im grünen Trikot.
© dpa/Eisenhuth

Borussia Mönchengladbach: Christoph Kramer: Zurück zum Fußballgott

Weltmeister Christoph Kramer fängt in Mönchengladbach noch einmal neu an und will nun in den Play-offs gegen Young Boys Bern in die Champions League.

Es kann nur einen geben. Einen Fußballgott. Knapp anderthalb Jahre ist es her, dass dieser Ehrentitel bei Borussia Mönchengladbach von Christoph Kramer zu Tony Jantschke übergegangen ist. Es war, als endgültig feststand, dass Kramer zu Bayer Leverkusen wechseln würde. Am Samstag nun, im Testspiel gegen Lazio Rom (0:0), hat er zum ersten Mal wieder für die Gladbacher im Borussia-Park gespielt; bei der Mannschaftsaufstellung wurde sein Vorname vorgelesen, die Anhänger brüllten „Kramer!“ – und nichts weiter. Fußballgott ist und bleibt natürlich Tony Jantschke.

Der Titel ist juristisch nicht einklagbar. Ein bisschen unfair ist es trotzdem, dass Kramer von den Fans zum Normalsterblichen degradiert wurde. Er hat den Verein im Sommer 2015 schließlich nicht aus freien Stücken verlassen. Kramer besaß einen rechtsgültigen Vertrag in Leverkusen, das Leihgeschäft mit den Gladbachern endete vereinbarungsgemäß nach zwei Jahren, und weil sich der Mittelfeldspieler so prächtig entwickelt hatte, Nationalspieler und Weltmeister geworden war, schienen die Leverkusener alles richtig gemacht zu haben. In diesem Sommer ist das Geschäft zur allgemeinen Zufriedenheit rückabgewickelt worden. Die Leverkusener haben eine ordentliche Ablöse eingestrichen, die Gladbacher einen Führungsspieler hinzugewonnen – und Christoph Kramer ist so glücklich wie vielleicht noch nie in seinem Berufsleben. In den ersten Tagen nach seiner Rückkehr hat er „das Lachen nicht mehr aus dem Gesicht gekriegt“.

Es ist schon paradox: Vor einem Jahr wechselte Kramer vom Dritten zum Vierten, musste sich mit Leverkusen erst über die Play-offs für die Champions League qualifizieren. In der vergangenen Saison wurde er mit Bayer Dritter – und spielt heute mit Gladbach (bei Young Boys Bern, 20.45 Uhr, live im ZDF und bei Sky) erneut um die Zugangsberechtigung zur Champions League. Trotzdem begreift Christoph Kramer seine Rückkehr nicht als Rückschritt.

Im Gegenteil. Es scheint, als sei ein großes Missverständnis ausgeräumt worden. Obwohl Bayer der Verein seiner Jugend ist, fühle sich Gladbach für Christoph Kramer „einfach richtiger an“. Die Saison in Leverkusen wird inzwischen als verlorenes Jahr eingeschätzt – auch weil er an deren Ende von Bundestrainer Joachim Löw nicht für die EM nominiert wurde. Dabei hat Kramer in diesem verlorenen Jahr 44 Pflichtspiele für Bayer bestritten, 42 Mal stand er in der Startelf. Hängen geblieben aber ist vor allem, dass der Leverkusener Gegenpressing-Fußball nicht sein Ding ist.

Kramers laufaufwendiges Spiel ist selten spektakulär, aber immens wichtig für die Statik

Kramer braucht den ständigen Kontakt mit dem Ball. Er ist ein Meister der kleinen Form. Schon deshalb wird er in Gladbach Granit Xhaka nicht eins zu eins ersetzen, der mit seinen Diagonalbällen immer wieder den großen Wurf gewagt hat; Kramer setzt solche Pässe allenfalls dosiert ein, auch wenn sein Kollege Patrick Herrmann meint, dass er sich in Leverkusen durchaus weiterentwickelt habe, dass er jetzt auch mal, wie bei Bayer üblich, die steilen Pässe in die Spitze spiele. Seine Kernkompetenz aber ist das nicht. Für Borussias Trainer Andre Schubert „ist er der Quarterback, der immer hinter dem Ball agiert, die Bälle verteilt und aus dem Rückraum das Gegenpressing organisiert“. Kramers laufaufwendiges Spiel ist selten spektakulär, aber immens wichtig für die Statik.

Kramer ist mit 15 Millionen Euro Ablöse nicht nur der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte, sondern auch erst der zweite aktuelle Weltmeister, den der Klub verpflichtet hat. Der erste war 1956 Toni Turek. Doch während der damals schon 37 Jahre alte Torhüter nur vier Spiele für die Gladbacher bestritt, befindet sich Kramer mit 25 in der Blüte seines Fußballerlebens. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an ihn. Kramer soll dem jungen Gladbacher Team Halt geben, auf und neben dem Platz. „Er ist auch in der Kabine sehr präsent, will Verantwortung übernehmen“, sagt Sportdirektor Max Eberl. „Er muss sogar aufpassen, dass er sich nicht zu viel Verantwortung aufbürdet.“

Eberl hofft, dass Kramer möglichst schnell die Ruhe und Souveränität findet, die sein Spiel auszeichnen – und die ihn bis in die Nationalmannschaft gebracht haben. Dahin will Christoph Kramer zurück, und vermutlich kann es ihm gar nicht schnell genug gehen. In zwei Wochen bestreitet die Nationalmannschaft gegen Finnland ihr erstes Länderspiel nach der Europameisterschaft. In Mönchengladbach.

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