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Von wegen immer Zweite. Christina Obergföll auf ihrer Ehrenrunde.
© AFP

Leichtathletik-WM: Christina Obergföll wird Weltmeisterin im Speerwerfen

Nach vielen zweiten Plätzen bei großen Meisterschaften hat sich Speerwerferin Christina Obergföll endlich ihren Traum erfüllt und bei der WM in Moskau die Goldmedaille gewonnen.

Wie Roger Federer einst in Wimbledon sank Christina Obergföll auf dem Rasen von Luschniki auf die Knie, beugte sich nach vorne und schlug die Hände vor das verweinte Gesicht. Die Freudentränen, die über ihre Wangen kullerten, waren auch Ausdruck der großen Erleichterung. Von Kritikern war sie zuletzt als „ewige Zweite“ tituliert worden, nun hatte sie nach all den Jahren endlich die ersehnte Goldmedaille gewonnen. Ein Wurf auf die persönliche Saisonbestleistung von 69,05 Metern brachte der 31-Jährigen in Moskau den Titel Weltmeisterin.

Überglücklich lief sie nach ihrem feststehenden Sieg zu ihrem Lebensgefährten Boris Henry und schloss ihn lang und innig in die Arme. Wie wild trommelte sie dem Bundestrainer, der jetzt ihr Technikcoach ist und ab September ihr Ehemann sein wird, auf den Rücken. „Ich bin sprachlos und sehr bewegt“, gab sie nach ihrer Ehrenrunde zu, auf der sie noch einmal über den Rasen des Erfolgs spazierte. „So viele Jahre hat es nicht klappen wollen, jetzt hat es doch geklappt, als ich schon nicht mehr dran geglaubt habe.“

Als die Offenburgerin bei den Olympischen Spielen 2012 Silber hinter Weltmeisterin Barbora Spotakova gewonnen hatte, bezeichnete sie diesen Erfolg als „Gold wert“. Ihre Gesamtsiege in der Diamond League, die sie als konstanteste Werferin der Saison auswiesen, wertete sie als „kleine Goldmedaille“. Alles nur Ersatz für das richtige Gold, das vor zwei Jahren noch die Russin Maria Abakumowa gewonnen hatte. Die Lokalmatadorin und Weltjahresbeste kam am Sonntag über 65,09 Meter nicht hinaus, was Bronze bedeutete. Silber gewann die Australierin Kimberley Mickle mit 66,60 Metern.

Vor acht Jahren hatte Christina Obergföll die Welt der Speerwerferinnen wie ein Naturereignis erschüttert. Bei der Weltmeisterschaft in Helsinki schleuderte sie das Gerät auf 70,04 Meter. Den Europarekord verbesserte sie 2007 auf 70,20 Meter, er wurde ihr inzwischen aber von Spotakova und Abakumowa abgenommen. Die Tschechin war in Moskau wegen einer Babypause nicht am Start. Während Obergföll sich in den Jahren danach bestenfalls mit Silber und Bronze zufrieden geben musste, schnappten ihr sogar deutsche Konkurrentinnen die Titel weg. 2009 in Berlin gewann Steffi Nerius, als die Favoritin nur Fünfte wurde. 2011 in Daegu wurde die Topfavoritin nur Vierte, nachdem im Jahr zuvor Linda Stahl Europameisterin geworden war. Auch 2012 blieb bei der Europameisterschaft nur Silber.

Als am Sonntag die 69,05 Meter auf der Anzeigetafel in Moskau aufleuchteten, riss Christina Obergföll spontan beide Arme hoch und ballte die Fäuste, dann schlug sie immer wieder Jabs in die Luft wie ein Schattenboxer. Sie hatte alles reingelegt in diesen zweiten Versuch, hatte den Speer mit einem mächtigen Armzug und einem gewaltigen Schrei in den Luftraum der russischen Hauptstadt geschickt. Sie spürte sofort, dass es ein Langstreckenflug werden würde, musste aber kurzzeitig bangen. Das 600 Gramm schwere Wurfgerät näherte sich immer mehr der rechten Begrenzungslinie, landete dann aber einen halben Meter innerhalb des Sektors. Der große Wurf konnte gemessen werden.

Linda Stahl, die Bronzemedaillengewinnerin von London 2012, hatte im Vergleich zu ihrer deutschen Konkurrentin noch den besseren Start gehabt. Gleich mit dem ersten Versuch erreichte die Leverkusenerin 64,78 Meter. Christina Obergföll, die bei der Vorstellung der zwölf Finalistinnen sehr konzentriert wirkte, brachte zunächst 64,63 Meter zustande. Während Linda Stahl aber nicht mehr zulegen konnte, ließ Christina Obergföll die Siegesweite folgen.

Reinhard Sogl

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