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Am Ball bleiben. Christian Gentner und Co. bereiten sich auf Bundesliga-Spiele vor.
© Andreas Gora/dpa

Fußballprofi des 1. FC Union zur Coronavirus-Krise: Christian Gentner hält Spekulationen für „schwachsinnig“

Der Mittelfeldspieler der Berliner würde trotz auslaufenden Vertrags länger für Union spielen, falls nötig. Geisterspiele kennt er sowieso schon.

Von David Joram

Christian Gentner hat in seinem Berufsfußballerleben schon viel erlebt, schöne und weniger schöne Dinge. Zu den besseren zählen zwei deutsche Meisterschaften, zu den schlechteren zwei Abstiege.

In Gentners reichem Erfahrungsschatz finden sich neben 401 Bundesligaspielen auch ein paar internationale, darunter sogar ein Geisterspiel, weshalb der Profi des 1. FC Union in diesen Tagen auch jene Erinnerung nochmal ausgegraben hat.

Am 14. März 2013 war es, als Gentner mit seinem Herzensklub VfB Stuttgart nach Rom fuhr, um bei Lazio einen 0:2-Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen. Weil die Lazio-Fans in der Runde zuvor gegen Borussia Mönchengladbach ziemlich unschön, nämlich mit faschistischen Grüßen, aufgefallen waren, fand das Achtelfinal-Rückspiel gegen Stuttgart ohne Publikum statt.

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„Wir fahren da nicht hin, um uns das Kolosseum oder das leere Olympiastadion anzuschauen“, hatte der damalige VfB-Manager Fredi Bobic im „Kicker“ verkündet. Just so kam es dann aber.

„Das Spiel war nach wenigen Minuten verloren, da war nicht mehr die Spannung drin“, sagt Gentner rückblickend, denn Lazio führte nach acht Minuten 2:0 (Endstand 3:1) – viel Zeit blieb also, um das Stadio Olimpico in seiner ganzen Nacktheit zu begutachten.

„Keine Zuschauer in dieser Riesenschüssel in Rom – das war ganz sonderbar“, sagt Gentner, ein „Riesenecho“ habe es gegeben, „das ist kein Gefühl, woran du dich als Fußballer gewöhnen willst.“

Auch beim 1. FC Union will sich niemand daran gewöhnen, Fußball ohne Fans auszutragen; grausig allein schon die Vorstellung einer leeren Alten Försterei, wo es so schön dröhnt und rauscht wie in kaum einem anderen Bundesliga-Stadion. Die Krux aber ist, dass die Spieler, Christian Gentner eingeschlossen, sich eben daran nun gewöhnen müssen.

DFL will Anfang Mai wieder spielen lassen

Anfang Mai, so will es die Deutsche Fußball-Liga (DFL), soll der Ball wieder rollen, aus coronaischen Begebenheiten ohne Fans. „Ich weiß nicht, ob man sich darauf zu 100 Prozent vorbereiten kann“, sagt Gentner, der das mit seinen Mitspielern gerade ausprobiert, etwa durch Trainingseinheiten im leeren Stadion. „Man kann nicht vorhersagen, wie jeder Spieler mit der neuen Erfahrung umgeht.“

Möglich ist natürlich auch, dass Gentners Teamkollegen diese unschönen Erfahrungen gar nicht machen müssen – oder zumindest noch nicht allzu bald. Die DFL kämpft zwar um eine Fortsetzung der Saison Anfang Mai; ob dieser Termin gehalten werden kann, hängt aber von vielen Variablen ab.

In erster Linie natürlich vom weiteren Verlauf des Virus, aber auch von Politikern wie Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der sich Geisterspiele im Mai oder Juni „beim besten Willen“ nicht vorstellen kann, wie er der „Bild“ sagte. Mäurer rechnet in diesen Monaten mit einem Höchststand an Coronavirus-Erkrankten.

Innerhalb der Liga äußerte zuletzt Unions Präsident Dirk Zingler folgende Gedanken: „Wir sollten einen Termin finden, der eine gesellschaftliche Akzeptanz hat. Die Kinder sollten erst zur Schule. Und vielleicht sollte auch die kleine Kneipe mit 20 Plätzen erst wieder auf, bevor wir Fußball spielen.“

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Bei der DFL soll das weniger gut angekommen sein, deren Geschäftsführer Christian Seifert rief die Klubs in einem Brief zur Räson. Vor der auf den 23. April verlegten Mitgliederversammlung der 36 Profiklubs solle es möglichst wenige Spekulationen darüber geben, wann die Saison fortgeführt werden könnte. Bei der DFL will man in der Krise Einigkeit demonstrieren.

Andererseits will auch Seifert unbedingt vermeiden, dass der Profifußball als Sonderfall mit Vorzügen angesehen werden könnte. Ohne Vorzüge wiederum, etwa wenn Spieler ohne Symptome auf das Coronavirus getestet würden, könnte es keine Spiele geben.

Die Lage bleibt also kompliziert, das weiß auch Christian Gentner. „Ich wünsche es mir für alle, für die Gesellschaft, dass wieder Normalität reinkommt; da gehört dann auch der Fußball dazu“, findet er. Wie und wann es nun erstmal weitergeht? Darauf hat Gentner eine klare Antwort: „Ich halte es für schwachsinnig, mich da an Spekulationen zu beteiligen.“

Ende Juni läuft der Vertrag des Mittelfeldspielers bei Union aus, mit Manager Oliver Ruhnert stehen noch Gespräche über ein weiteres Engagement in Köpenick an. Ausgang offen, auch wenn Gentner betont, grundsätzlich weiter Fußball spielen zu wollen.

„Aber langfristig in die Zukunft zu schauen, ist für alle Seiten schwierig“, sagt Gentner. Klar sei nur, dass er die Saison in Berlin zu Ende spielen wolle – notfalls auch über den 30. Juni hinaus und vor leeren Rängen.

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