WM 2014: Eröffnungsspiel: Brasilien schlägt starkes Kroatien mit 3:1
Dank eines zweifelhaften Elfmeters besiegt Brasilien im Eröffnungsspiel Kroatien 3:1. Überzeugen konnte der Rekordweltmeister in Sao Paulo nur selten.
Das Itaquerao leuchtet so gelb und so blau, wie es sich gehörte für die Ouvertüre der Fußball-Weltmeisterschaft im gelb-blauen Brasilien. 62.103 Zuschauer in Sao Paulo brüllten und sangen und stampften mit den Füßen. Ihr Held hieß, wieder einmal, Neymar. Der Künstler vom FC Barcelona schoss die beiden ersten Tore beim 3:1 (1:1)-Sieg im ersten Spiel der Vorrundengruppe A gegen Kroatien – und das nach einem frühen Rückstand. Nach dem Siegtor, einem zweifelhaften und mit reichlich Glück verwandelten Elfmeter, tanzte auch Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff auf der Tribüne wie eine Cheerleaderin. Die Party konnte beginnen, in Sao Paulo und überall sonst im fußballverrückten Brasilien. Der erste Schritt zur Hexa, dem sechsten WM-Titel, er ist gemacht.
Neymars Führungstor war das emotionale Gegenstück zu einer eher belanglosen Eröffnungsfeier und einem Schock gleich zu Beginn des Spiels. Es war 17.11 Uhr, als ein sportlicher Schatten fiel auf die Ambitionen der Brasilianer. Kroatien ging in Führung und im Itaquerao wurde es ganz leise – mal abgesehen von der Behelfstribüne im Osten des Stadions, wo sich die kroatischen Fans versammelt hatten und feierten. Der großartige Ivan Rakitic hatte den Angriff nach einer knappen Viertelstunde eingeleitet, ganz im Stil seiner überragenden Saison beim FC Sevilla. Nach seinem öffnenden Pass auf den linken Flügel flankte Ivica Olic scharf in die Mitte, wo Nikica Jelavic den Ball gar nicht richtig traf, aber gut genug, um ihn an den Fuß von Marcelo weiterzuleiten. Der Verteidiger konnte nicht mehr reagieren und der Ball trudelte am fassungslosen Torwart Julio Cesar vorbei ins brasilianische Tor.
Brasilien antwortete mit Druck
Zwar hatte dieses Tor nicht unbedingt in der kalten Abendluft von Sao Paulo gelegen, aber es entsprach durchaus der frühen Logik des Spiels. Die ballsicheren Kroaten waren gut organisiert und ließen die Brasilianer sich erst einmal austoben, ohne sie zu nah an ihr Tor heranzulassen. Den sich bietenden Platz nutzten sie immer wieder für Konter über beide Flügel, über Olic auf der linken und den Wolfsburger Ivan Perisic auf der rechten Seite. So war das erwartet worden, auch von den Brasilianern. Nur dieses Eigentor hatte eben niemand erwartet.
Brasilien antwortete mit Druck, mit großem Druck, und oft war Neymar dabei im Spiel. Einmal rammte er dem Kroaten Luka Modric den Ellenbogen an den Hals, worauf der brasilianische Künstler sich mit der ersten Gelben Karte des Turniers verewigte. Technisch perfekt war sein Solo entlang der Grundlinie, es stürzte die Kroaten in heillose Verwirrung, an deren Ende Oscars Distanzschuss und eine große Parade des kroatischen Torhüter Stipe Pletikosa standen. An Oscars Flanke flog Neymar knapp vorbei, und Paulinho drosch den Ball direkt auf Pletikosa.
Die entlastenden Momente im kroatischen Spiel wurden rarer, aber es gab sie noch, zum Beispiel jenen nach einer knappen halben Stunde. Wieder flankte Olic, wieder kam Jalavic an den Ball, diesmal mit dem Kopf, aber Julio Cesar stand gut und leitete gleich den Gegenangriff ein. Dabei zeigte Neymar, dass er eben doch mehr ist als ein Haken schlagender Geck. Drei Kroaten schüttelte er ab, wich geschickt ihren Grätschen aus und sprintete zum Strafraum, legte sich den Ball auf den linken Fuß, traf ihn dabei nicht optimal und zirkelte ihn doch so präzise in die rechte Ecke, dass der lange Pletikosa trotz maximaler Streckung nicht mehr die Hand dran bekam. Das alles dauerte für die leidenden Brasilianer eine gefühlte Ewigkeit. Als der Ball dann endlich von der Innenrundung des Pfostens ins Netz sprang, brach im Itaquerao der Orkan los. Brasilien war wieder im Spiel.
Pause tat Kroatien gut
Die Kroaten hatten fortan Mühe, dem Tempo standzuhalten und die Kontrolle zu halten. Mit einiger Mühe überstanden sie die brasilianische Schlussoffensive dieser turbulenten ersten Halbzeit und retteten sich in die Kabine. Die Pause tat ihnen gut, denn fortan stimmte die Organisation auf dem Platz wieder. Die Brasilianer wagten auch nicht mehr zu viel Offensive, sie nahmen das Tempo aus dem Spiel und fingen wenig an mit ihrer optischen Überlegenheit. Ein Freistoß von Dani Alves flog über das Tor, und viel mehr passierte lange Zeit nicht.
Bis zu jener seltsamen Szene zwanzig Minuten vor Schluss. Brasiliens bulliger Stürmer Fred nutzte eine minimale Berührung von Dejan Lovren im Strafraum zu einem genauso spektakulären wie unsportlichen Sturz. Schiedsrichter Juichi Nishimura, ein international wenig bekannter Sportsfreund aus Japan, pfiff sofort. Im allgemeinen Durcheinander der kroatischen Proteste dauerte es ein Weilchen, bis Neymar zur Ausführung schritt. Pletikosa reagierte gut und kam mit den Händen an den Ball, der dann aber doch ins Tor flog. Oscars 3:1 kurz vor Schluss war die selig gefeierte Zugabe zum nicht unverdienten, aber doch recht glücklichen Sieg Brasiliens. Die Party konnte beginnen.