Champions League: Borussia Dortmund trotz 0:2 bei Real Madrid im Finale
Schwach angefangen und wacklig aufgehört: Borussia Dortmund verliert bei Real Madrid durch zwei späte Gegentore 0:2 und muss in der Schlussphase noch um den Finaleinzug zittern. Am Ende aber ist der Jubel groß.
Ein weißer Orkan fegte durch das Estadio Santiago Bernabeu, und er hätte Borussia Dortmund beinahe noch aus dem Finale der Champions League getrieben! Bis um kurz nach halb elf am Dienstagabend endlich alles überstanden war. Mit Kampf und Glück brachte der BVB im Halbfinal-Rückspiel der Champions League eine 0:2 (0:0)-Niederlage bei Real Madrid über die Zeit. Dortmund wirkte lange Zeit wie ein souveräner Finalist und geriet dann doch durch späte Tore von Karim Benzema und Sergio Ramos in Gefahr. Ein drittes Tor hätte trotz des 4:1-Sieges im Hinspiel das Aus bedeutet.
Doch dieses dritte Tor, es fiel nicht und Dortmunds Europa-Tournee geht weiter, am 25. Mai ins Londoner Wembleystadion. Den Finalgegner ermitteln am Mittwoch im zweiten Halbfinale der FC Barcelona und der FC Bayern München. Es müsste zur Verhinderung des ersten rein deutschen Champions-League-Finales nach dem 4:0-Sieg der Münchner im Hinspiel schon das geschehen, was Madrid am Dienstag vor 80.000 frenetischen Zuschauern so knapp verpasste. Ein mittleres Fußball-Wunder.
Dortmund verhinderte diese erste der beiden erhofften spanischen Aufholjagden mit ein wenig Glück in den stürmischen Phasen zu Beginn und am Ende des Spiels und einer mit zunehmender Spielzeit immer stabileren Defensivleistung. All das gestützt auf ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein, gespeist im Allgemeinen aus einer jetzt bald drei Jahre währenden Erfolgsgeschichte und im Besonderen aus dem triumphalen Sieg im Hinspiel.
"Das ist außergewöhnlich, großartig. Nach hinten raus wurde es ein bisschen eng, aber es gibt Borussia Dortmund nur 'all inclusivè. Da ist alles dabei. Die 97er sind glücklicher ins Endspiel gekommen. Wir haben insgesamt 4:3 gewonnen und sind deshalb verdient ins Finale gekommen", sagte Trainer Jürgen Klopp. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke meinte: "Wir können nur dramatisch. Zum ersten Mal musste ich wegen akuter Herzprobleme aufgeben. Ich habe mich in der Toilette eingeschlossen und habe auf die Uhr geguckt. Das ist noch nie passiert. Wir werden jetzt aber nicht so üppig machen. Samstag ist auch ein Spiel, was die Leute interessiert. Wir wollen das Spiel (in der Bundesliga gegen den FC Bayern) gewinnen, und das wird auch jeder merken". Real-Trainer Jose Mourinho sagte: "Ich muss die Mannschaft loben. Sie hat ein richtig gutes Spiel gemacht." Auf die Frage, ob er auch in der nächsten Saison Trainer in Madrid sein werde, antwortete er: "Vielleicht nicht. Ich will da sein, wo die Leute mich lieben. In England werde ich von den Fans geliebt und von den Medien fair behandelt."
Allein in der ersten Viertelstunde wankten die Dortmunder im Madrider Sturmlauf. Da hatten sie Pech, weil Mario Götze mit Verdacht auf Muskelfaserriss ausschied - und Glück, dass Real drei gute Chancen ungenutzt ließ.
Real startete ohne die ordnende Defensivkraft des deutschen Nationalspielers Sami Khedira, dafür bemerkenswert offensiv ausgerichtet mit Mesut Özil, Luka Modric, Angel Dí María, Gonzalo Higuaín und, natürlich, Cristiano Ronaldo. So viel offensive Wucht ist selten auf den Fußballplätzen dieser Welt zu bestaunen, und entsprechend furchteinflößend begann Real das, was die spanischen Zeitungen seit Tage großflächig als remontada, als Aufholjagd angekündigt hatten. Schon nach vier Minuten kam Higuaín allein vor Roman Weidenfeller zum Schuss, aber der Winkel war spitz und der Dortmunder Torhüter schnell, so dass der Borussia der befürchtete frühe Rückstand erspart blieb.
Ihren Höhepunkt fand die frühe Dramatik rund um die vermaledeite Spielminute Nummer dreizehn. Da lief erst Mario Götze auf dem linken Flügel so unbehelligt in Richtung Madrider Tor, wie sich das ein Dortmunder nur hätte wünschen können. Doch Götzes Schritte wirkten schwerfällig, er verlor dramatisch an Tempo und als der den Ball vorsichtig in die Mitte chippte und Richtung Seitenlinie stakste, da ahnte Trainer Jürgen Klopp wohl schon, dass sein Kreativgeist sich würde verabschieden müssen.
Götze hatte mit einer Oberschenkelzerrung noch gar nicht Platz gemacht für Kevin Großkreutz, da bot sich Robert Lewandowski allein vor dem großartig reagierenden Diego Lopez die erste Großchance. Im Gegenzug scheiterte Ronaldo aus ähnlich guter Position an Weidenfeller. Und als Großkreutz dann endlich auf dem Platz war, lief auf der linken Seite Özil ganz allein auf das Dortmunder Tor. Weidenfeller flog nach links, Özil schoss nach rechts, aber ein paar Zentimeter am Tor vorbei.
Es war dies eine symptomatische Sequenz aufregender Szenen. Real investierte viel, agierte dabei aber glücklos und musste anerkennen, dass auch die Dortmunder sich keineswegs versteckten. Mit der Zeit wurde es leiser auf den sechs Ringen des riesigen Bernabeu, und auch der Furor auf dem Rasen flaute ab. Als nach den ersten 45 Minuten immer noch kein Tor gefallen war, wurden die Dortmunder Fans oben im Stadion immer lauter und hoffnungsfroher.
Ihre Mannschaft wagte in der zweiten Halbzeit ein bisschen mehr. Robert Lewandowski, nach seinen vier Toren im Hinspiel ein schwarz-gelbes Schreckgespenst für die Madridistas, hätte sich ein zweites Mal in den Heldenstatus schießen können. Gleich zu Beginn der zweiten Hälfte hatte er zweimal das Führungstor auf dem Fuß. Einmal, nach klugem Zuspiel von Marco Reus, verhinderte allein die Torlatte, dass sich Trauerstimmung breitmachte im Stadion. Die nächste Großchance vergab Ilkay Gündogan allein vor Lopez, dann köpfte wieder Lewandowski vorbei. Real fiel nichts mehr ein. Um wenigstens den Einbruch der Defensive zu verhindern, schickte Trainer José Mourinho zur Absicherung doch noch Khedira ins Spiel. Das sah schon ein wenig nach Kapitulation aus.
Dortmund kontrollierte das Spiel, und abermals war es eine Viertelstunde vor Schluss Lewandowski, der das 1:0 auf dem Fuß hatte - und vergab. Als der ebenfalls eingewechselte Karim Benzema acht Minuten vor Schluss doch noch für Real traf, war das Publikum sofort wieder da. Mit brachialer Lautstärke und neuem Mut. Aus dem Gewühl heraus gelang Ramos das 2:0, und von den folgenden Herzkasperminuten werden die Beteiligten noch ihren Enkeln erzählen. Bis um kurz nach halb elf endlich alles vorbei war.
Sven Goldmann