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Lisa Unruh sagt: "Im Bogenschießen ist alles möglich."
© dpa

Olympia 2016 in Rio: Bogenschützin Lisa Unruh verlässt sich nur aufs Gefühl

Die Berlinerin Lisa Unruh rechnet sich im Bogenschießen Medaillenchancen aus. Doch sie weiß, es ist vor allem ein Kampf gegen sich selbst.

Lisa Unruh kennt die Vorurteile. „Die meisten, die noch nie Bogenschießen gemacht haben, denken, das ist gar kein richtiger Sport“, sagt sie. Selbst unter Kollegen ist diese Ansicht verbreitet. Unruh hat vor den Olympischen Spielen im Sportforum Hohenschönhausen trainiert, beinahe jeden Tag. Aber die Schützen sind eine eigene Gruppe: „Es kommt selten mal jemand von den anderen Sportlern vorbei.“

Dabei ist Bogenschießen nicht nur eine uralte Disziplin, 5000 Jahre alt, sondern auch physisch durchaus sehr anstrengend. „Man braucht eine starke Körperspannung und -beherrschung“, sagt Unruh. „Ich bin ständig im Kraftraum, und beim Schwimmen und Laufen trainiere ich die Ausdauer, die brauche ich im Wettkampf auch, um die Konzentration hochzuhalten.“ Lisa Unruh war sofort fasziniert vom Bogenschießen. Zunächst versuchte es die Berlinerin mit Schwimmen, als es damit nichts wurde, suchte sie in der 5. Klasse andere Sportarten und probierte auch das Bogenschießen aus. „Ich fand das direkt nach den ersten Schüssen megageil“, sagt sie. „Man spürt sofort einen Effekt, eine Rückwirkung.“ Die Faszination ist noch immer zu spüren – wenn Unruh über ihre Leidenschaft spricht, dann kann die Berlinerin sogar poetisch werden. „Man muss den Schuss fühlen“, sagt sie.

Man braucht gutes Auge und kräftige Arme

Beim Bogenschießen ist mentale Stärke neben einem guten Auge und kräftigen Armen besonders wichtig. „Es ist vor allem ein Kampf gegen sich selbst“, sagt Unruh. „Man muss die Zweifel unterdrücken, die ständig aufkommen.“ Es geht darum, den perfekten Ablauf immer wieder hinzukriegen, um den perfekten Schuss abzugeben. „Das Problem dabei ist: Man ist niemals perfekt.“ Denn gerade draußen spielen die Witterungsverhältnisse eine große Rolle. „Beim ersten Schuss schaut man erst mal, wie die Verhältnisse sind“, erklärt Unruh. „Über der Scheibe sind kleine Fähnchen, die einem den Wind anzeigen. Darauf muss man achten und im Gefühl haben, wie weit man dann nach links oder rechts anhalten muss.“

Besonders gut in dieser Kunst sind die Südkoreaner. Dort sind Bogenschützen Nationalhelden, Weltmeister oder Olympiasieger haben ausgesorgt. Sie haben bereits beide Teamwettbewerbe im Sambodrom von Rio gewonnen. Ihre Dominanz am Bogen ist so groß, dass der Kampf um die wenigen Plätze im Nationalteam bisweilen eine höhere Qualität hat als Weltmeisterschaften. Gegen die Weltmacht Südkorea haben die deutschen Schützinnen und Schützen unter normalen Umständen kaum eine Chance. Zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidatinnen darf man sie aber schon zählen. Nach Rang 21 in der Qualifikation trifft Unruh am Donnerstag in der ersten Runde der K.o.-Phase auf die Venezolanerin Leidys Brito.

Im März wurde Unruh Weltmeisterin

Seit fünf Jahren ist ein deutlicher Aufwärtstrend in Deutschland zu verzeichnen. Der neue Bundestrainer Oliver Haidn brachte mehr Variabilität ins Training. Auch Unruhs Leistungskurve zeigt seither nach oben, im März wurde sie sogar Weltmeisterin. Allerdings in der Halle. „Das ist eigentlich eine komplett andere Disziplin“, sagt Unruh. Geschossen wird nicht auf 70 Metern Entfernung wie draußen, sondern nur auf 18 Metern. „Da treffen auch mal die, die sonst nichts treffen. Aber natürlich freue ich mich darüber, das gibt Selbstbewusstsein.“ Ob es am Ende auch im Sambodrom zu einer Medaille reicht? „Im Bogenschießen ist alles möglich“, sagt Lisa Unruh. „Bei uns sagt man: Alles ins Gold.“

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