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Bobby Wood spielt seit dieser Saison für den 1. FC Union.
© dpa

Interview über seine Position beim 1. FC Union: Bobby Wood: „Ich will kein Arschloch sein“

Bobby Wood spricht über seinen schwierigen Start beim 1. FC Union Berlin, über kalifornische Lockerheit und den nächsten Gegner 1860 München.

Herr Wood, Sie kommen gerade vom Training. Ihr T-Shirt spannt überall, bestehen Sie eigentlich komplett aus Muskeln?

(lacht). Wir hatten eine super Vorbereitung, alle sind fit, nicht nur ich. Aber es stimmt – ich bin ganz gut in Form.

Der perfekte Zeitpunkt also, um mit dem 1. FC Union am Sonntag auf Ihren Ex-Verein 1860 München zu treffen?
Das wird schon ein bisschen komisch. Ich war acht Jahre da, seit meinem 14. Lebensjahr. Ich hab für fast keinen anderen Verein gespielt. Wenn man so lange bei einem Klub war, ist es ungewohnt, plötzlich gegen ihn zu spielen.

Sie waren noch ein Kind, als Sie aus Kalifornien nach München kamen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Es war ganz schwer. Gerade zu Beginn. Von der Menschlichkeit war es ganz anders, viel kälter, viel schwerer. In Kalifornien sind die Leute locker und offen. Ich musste erst lernen, dass es hier anders ist. Später gab es auch gute Zeiten. Ich hatte Glück, dass Familie und Freunde mir geholfen haben. Wir haben viel telefoniert.

Der Zeitunterschied beträgt neun Stunden. Wann haben Sie miteinander gesprochen?
Entweder ganz früh oder ganz spät. Manchmal bin ich morgens extra um sechs oder noch früher aufgestanden, um zu Hause anzurufen. In Kalifornien war es da noch Abend. Wir haben dann geredet, bis ich zum Training musste.

Wollten Sie nie aufgeben?
Am Anfang hab ich mich von Jahr zu Jahr gehangelt. Eigentlich wollte ich nur ein Jahr bleiben. Dann noch eins und noch eins. Irgendwann hab ich dann geglaubt, dass ich es schaffen kann, Profi zu werden.

Als Sie Ihr Ziel erreicht hatten, riss Ihr Meniskus. Im Alter von 19 Jahren drohte das Karriereende.
Das war eine richtig schwere Zeit. Ich hatte keinen Profivertrag, 1860 München wollte mich nicht mehr, allein Alex Schmidt hat mich unterstützt. Als er dann Trainer der ersten Mannschaft wurde, hat er mich genommen, trotz Verletztung.

Nach Schmidts Entlassung lief es für Sie nicht mehr. Sie wurden nach Aue ausgeliehen, dann folgte der Wechsel zu Union. Was waren die Gründe für Ihren Abschied aus München?
Um mich besser entwickeln zu können, war es Zeit, den Verein zu wechseln. Es war einfach zu viel Chaos, als dass man sich auf Fußball hätte konzentrieren können. Für mich war es wichtig, woanders einen frischen Start zu bekommen.

Bei Ihrer Ankunft in Berlin wirkten Sie sehr distanziert, es hieß, Sie hätten Probleme, sich zu integrieren. Wurden Sie falsch verstanden? Oder war Ihre Zurückhaltung die Folge Ihrer Erfahrungen in München?
Die Leute, die mich kennen, wissen, dass ich nicht so bin. Wenn ich neu bin, hab ich immer eine Wand vor mir. Ich bin nicht der Typ, der in eine Kabine kommt und sagt „Hey listen, hier bin ich!“ Ich will kein Arschloch sein, vielleicht wirkt es manchmal so, aber das ist nicht meine Absicht.

Sportlich lief es dagegen für Sie vom ersten Tag an. Sie sind mit acht Treffern Unions bester Torschütze der bisherigen Saison. Hatten Sie nie ein mulmiges Gefühl, Sebastian Polter, Ihren erfolgreichen Vorgänger, ersetzen zu müssen?
Daran hab ich nie gedacht. Ich bin hergekommen, um der Mannschaft zu helfen und nicht, um jemanden nachzumachen. Ich mach mein Ding, so gut ich kann. Und momentan funktioniert das ganz gut.

Sie sind auf Hawaii aufgewachsen. Wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Meine Mutter wollte, dass ich nach der Schule Sport mache. Das war aber nicht so einfach, weil es keinen Sportplatz bei uns in der Nähe gab und mich auch niemand fahren konnte. Meine Mutter hat viel gearbeitet. Die Mutter eines Kumpels nahm mich dann mit zum Fußball.

Hat es Ihnen gleich gefallen?
Nein, überhaupt nicht. Nach zwei Wochen wollte ich aufhören.

Was war der Grund?
Ich hab die Regeln einfach nicht gecheckt, Football hat mich mehr interessiert. Fußball war nicht so populär, aber mit der Zeit hat es mir immer besser gefallen.

Ihre Familie hat Hawaii Richtung Kalifornien verlassen, als Sie zwölf Jahre alt waren. Warum?
Hawaii ist wirklich weit weg vom Festland und, wie sagt man, isolated.

Isoliert.
Ja, genau. Meine Mutter wollte, dass meine Schwester und ich mehr Möglichkeiten haben. Schule, Arbeit und so. Aber für mich kam es dann ja anders.

Hawaii, Kalifornien, München, Berlin. Gibt es einen Ort, an dem Sie sich zu Hause fühlen?
Ja, Kalifornien ist mein zu Hause. Das Wetter, die Mentalität. Ich komm einfach klar da, vom Kopf her.

Fühlen sie sich dort unbeschwerter?
Die ganze Umgebung ist es, man wird ganz automatisch locker. Wenn ich Urlaub habe, merke ich, dass ich wieder zu Hause bin, wenn mich die Leute im Restaurant oder beim Einkaufen ansprechen. Nicht, weil sie mich kennen, sondern einfach so, weil alle es dort machen. Hier ist das eher nicht üblich.

Fällt es Ihnen schwer, nach Deutschland zurückzukehren?
Ich bin jetzt schon so lange hier, vieles erscheint mir jetzt ganz normal, das ist kein Problem mehr.

Sie pendeln auch beruflich zwischen Deutschland und den USA. Sie gehören fest zum Kader der Nationalmannschaft. Wie sehr zehren die Reisen an Ihnen?
Körperlich ist es schon sehr anstrengend. Mit der Nationalmannschaft spielen wir meist am Dienstag oder Mittwoch, mit Union dann schon wieder am Samstag. Der Körper gewöhnt sich aber nicht so schnell um, der Jetlag steckt noch drin. Ich wache dann oft am Spieltag um vier Uhr oder noch früher auf und muss dann wach bleiben, bis unser Spiel um eins beginnt. Ich sehe das aber als Herausforderung. Die großen Spieler schaffen das auch.

Jürgen Klinsmann, Ihr Trainer bei der Nationalmannschaft, hält sehr viel von Ihnen. Wie sehr motiviert Sie das zusätzlich?
Er hat mir viel geholfen, menschlich weiß er genau, wie ich ticke. In ganz schlechten Zeiten war er immer für mich da, hat mir Tipps gegeben und extra Trainingspläne. Er ist ein richtig schlauer Mensch und weiß ganz genau, wie er mit jedem Spieler reden muss, um das Beste aus ihm rauszuholen.

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