Vereinsheim für Hertha: Blau-weiße Tresenthesen
Herthas Fans haben kein Vereinsheim, in dem sie gemeinsam leiden können. Es ist aber in Planung – und auch im alten Treff kehrt junges Leben ein.
Bier wird hier schon lange nicht mehr ausgeschenkt. Das alte „Hertha-Domizil“ hinter dem Bahnhof Gesundbrunnen, einst Vereinsheim von Hertha BSC, rottete seit den 90er Jahren vor sich hin, die Scheiben eingeschlagen, das Haus durch Gestrüpp versteckt. Jetzt ist das Eckhaus renoviert – ein neues Klublokal soll darin aber nicht entstehen.
Hertha plant seit langer Zeit still und leise mit Senat, Bezirk und Architekten den Bau eines neuen Vereinstreffpunkts, gleich neben dem Olympiastadion: das „Fanhaus“. Noch in diesem Jahr soll es gebaut werden, sagt Geschäftsführer Ingo Schiller. Selbst im Falle des Abstiegs – Hertha braucht am Sonnabend gegen Hoffenheim unbedingt einen Sieg – soll am Projekt festgehalten werden, dann werde der Bau nur eine Nummer kleiner ausfallen. Zum 120. Geburtstag des Klubs – gegründet wurde Hertha am 25. Juli 1892 im Kiez rund um den Arkonaplatz in Mitte – wäre es ein Geschenk an die Anhänger; Hertha hat fast 30 000 Vereinsmitglieder, und selbst das immer wiederkehrende Leid im Olympiastadion schauen sich im Schnitt 53 000 Zuschauer an. Freiwillig.
Der genaue Standort für das Fanhaus soll noch geheim bleiben. Der bevorzugte, landeseigene Standort müsse vom Senat abgesegnet werden, heißt es im Klub. Sonst habe man zwei Alternativen.
Im Fanhaus sollen sich alle Fans treffen können, Kuttenträger, Kinder und Ultras, und das nicht nur an Spieltagen. Es soll Platz für einige hundert Leute bieten. In einem großen Versammlungsraum sollen die Fans diskutieren können, ihre Aktionen planen, Materialien lagern, Kicker spielen und Spiele im Fernsehen angucken. Auch Büros sollen dort entstehen, zum Beispiel für Dachorganisationen wie dem „Förderkreis Ostkurve“.
Wie groß das Haus wird, hängt von der Liga ab, in der Hertha spielt. „Aufgrund der sportlichen Situation haben sich die Prioritäten verschoben. Erst mal geht es um den Klassenerhalt“, sagt Fanbetreuer Donato Melillo. Bei einem Abstieg solle das Haus kleiner werden, aber mit der Möglichkeit, es zu erweitern. Um das Fanhaus, so die Idee, sollen sich keine gestandenen Großgastronomen kümmern, sondern die Fans. „Dann identifizieren sie sich damit, dann ist es etwas Eigenes“, sagt Melillo. Die geschätzten Kosten in Höhe von einer Million Euro will der Verein nicht bestätigen. Auch wenn sich die Fans bei der Finanzierung beteiligen und auch Eigenleistung einbringen können (Schiller: „Alle Fans vom Bau scharren mit den Werkzeugen“), wird der Verein den Großteil der Kosten stemmen. Die Fans des 1. FC Union, der Stadtrivalen aus Köpenick, hatten vor einigen Jahren sogar große Teile des Stadions umgebaut – Hunderte nahmen sich extra Urlaub, um auf der Baustelle zu helfen.
„Die Sehnsucht ist groß, fast alle anderen Vereine haben so was“, sagt Björn Wilde vom Verein „Fanhaus 1892“. Die Initiative gründete sich vor einem Jahr. Mittlerweile sind 200 Anhänger nahezu aller Fanklubs dabei; auch gesammeltes Geld wurde dem Verein übergeben.
Hertha hatte bereits ein Vereinslokal, das sogenannte "Hertha-Domizil"
Dabei hatte Hertha bereits ein Vereinslokal, das sogenannte „Hertha-Domizil“ in Gesundbrunnen, an der Behm-Ecke Jülicher Straße. 1924 hatte es der Verein Norden-Nordwest gebaut, nach dem Weltkrieg hatte es Hertha übernommen. Es war Geschäftstelle, Kneipe, Biergarten, Kieztreff, Heimat der Jugendabteilung. Dort wurden Siege gefeiert und draußen guckten die Kiebitze den Spielern beim Training zu. Gegenüber, neben der Millionenbrücke (die Swinemünder Brücke erhielt ihren Spitznamen 1905, weil sie eine Million Goldmark gekostet haben soll), steht heute ein Riegel grauer Hochhäuser. Dort befand sich einst die „Plumpe“, das alte Hertha-Stadion mit den steilen Tribünen für 35 000 Zuschauer. Aus Geldnot musste es der Verein verkaufen, 1974 wurde es abgerissen. Ein zerfetzter Fußball aus Bronze in der Bellermannstraße und vier steinerne Fußballer in der Behmstraße sind die einzigen Erinnerungen an die Vergangenheit. Mit Rissen im und Graffiti auf dem Stein rotten sie vor sich hin, so wie das Eckhaus bis zum vergangenen Jahr.
Heruntergekommen war auch lange das Domizil. Fenster waren eingeschlagen, die Toiletten zerstört, auf dem Boden lagen herausgerissene Türen und kaputte Möbel neben Bergen von Blättern, ein Zimmer war ausgebrannt. Herthas Herz schlage nun am Olympiastadion, sagt Geschäftsführer Schiller. Die Plumpe sei zwar die Wiege des Vereins, aber nicht die Gegenwart.
Mittlerweile ist die Fassade frisch in Farbe gestrichen, die Fenster sind neu gemacht, das Gestrüpp geschnitten. Und was kommt da rein? Im Kiez rätseln die Anwohner. Horst Fisch, 75, war einst Stammgast im Vereinsheim. „Der ehemalige Präsident hat dort immer saukaltes Bier ausgeschenkt. Das war Hertha, das war eine richtig schöne Vereinskneipe.“ Auch Ilona, 62, und Klaus Zechlau, 68, haben dort oft gefeiert. „Hinten war der große Saal und im Keller die Kegelbahn, am Sonntag war Frühschoppen“, sagen sie. „Schade, dass es lange Zeit so verkommen ist.“
Hinter dem Eckhaus, wo seit Jahren eine eingezäunte Bauruine auf den Weiterbau wartet, plant der Investor laut Bezirksamt ein Hotel mit 600 Betten und einem Kongresszentrum sowie eine Seniorenresidenz mit Ärztehaus. Ein Antrag liege vor, sagt Carsten Spallek (CDU), Mittes Stadtrat für Stadtentwicklung. Eine Baugenehmigung steht aber noch aus. Der Investor ist Ertac Ocak. Ocak will noch nicht darüber reden und verrät nur, dass ins Eckhaus ein Hostel mit 25 Betten und ein Restaurant kommen sollen, mit einer Bar im Keller. Geplante Eröffnung sei noch in diesem Jahr. Ein Bezug zu Fußball oder Hertha ist bisher nicht angedacht.