Kommentar: Bigmouth Strikes Again: eine Antwort auf Morrissey
In dieser Woche äußerte sich der britische Sänger kritisch gegenüber Olympia. Und er warf der Königsfamilie vor, die Spiele "für ihre eigenen Zwecke gekidnappt" zu haben – zu unrecht, sagt unser englischer Gastautor Kit Holden.
Es ist typisch für Morrissey, dass er den ersten Angriff auf den inselweit ausgebrochenen Nationalstolz startet. Der ehemalige Sänger von „The Smiths“, der in seinen besten Jahren solch wunderbare Lieder wie „The Queen Is Dead“ schrieb, fragte in dieser Woche „ob England je so vor Patriotismus gestunken hat?“ und bat sein Land, endlich „aufzuwachen“. Den Höhepunkt seiner Argumentation bildete ein Vergleich zwischen der derzeitigen britischen Olympia-Euphorie und dem Nationalismus 1939 in Deutschland.
Du musst mir vergeben, Morrissey, dass ich jetzt meine linken, republikanischen Ideale verrate aber es scheint mir, dass du wieder mal missverstanden hast, worum es geht.
Ein verbaler Angriff auf die Königsfamilie ist nichts Schlechtes. Es ist eigentlich die Pflicht jedes guten britischen Zynikers. Aber die Athleten, die wir feiern, gehören größtenteils nicht zur Königsfamilie. Wills und Kate haben vielleicht das Dressurreiten verfolgt aber die Spiele sind deshalb noch lange nicht die beste Selbstwerbung der Royals in den vergangenen Monaten. Vielleicht hast du die Thronjubiläumsfeier verpasst, Morrissey, aber ich verspreche dir: da stank der Patriotismus viel mehr.
Aber selbst das verdient nicht den Vergleich mit dem Nationalsozialismus. Trotz ihrer Nachteile ist die Queen immer noch ein oder zwei Pogrome davon entfernt, als Tyrannin bezeichnet zu werden. Es ist tatsächlich etwas ironisch, dass du, Morrissey, in diesen patriotischen Zeiten der erste Brite bist, der die Nazis erwähnt. Normalerweise ist das die patriotische Pflicht jedes Briten. Aber vielleicht sollten wir nicht so streng sein mit dir: du bist wohl frustriert darüber, dass China, eine Nation, deren Einwohner du einmal als „Untermenschen“ bezeichnet hast, so viele Medaillen gewinnt.
Olympia-Fieber in London
Du solltest nicht enttäuscht, sondern eher begeistert sein, dass Großbritannien seine Helden endlich nicht mehr aufgrund ihres blauen Bluts oder ihrer guten christlichen Erziehung auswählt, sondern weil sie etwas wirklich Überragendes im Sport geleistet haben. Du solltest dich zudem darüber freuen, dass diese Helden mit verschiedener Herkunft repräsentativer für die britische Bevölkerung sind als irgendjemand, der in Whitehall oder Buckingham Palace lebt.
Jessica Ennis ist die Tochter eines jamaikanischen Raumkünstlers und einer englischen Sozialarbeiterin. Mo Farah ist ein Nordlondoner mit somalischem Migrationshintergrund und ein aktiver Muslim. Bradley Wiggins ist ein Mod mit Paul-Weller-Koteletten und einer Vespa-Sammlung. Andy Murray ist ein Schotte, der 1996 beim Schulmassaker von Dunblane fast ums Leben kam.
Das sind vier der Goldmedaillengewinner des „Team GB“ – die anderen haben wohl auch ihre Geschichten. Die Tatsache, dass die konservativen britischen Zeitungen jeden einzelnen Athleten feiern, ohne Bezug auf Herkunft und Lebensstil, ist sowohl wunderbar wie einzigartig.
In Bezug auf die Behauptung, dass das britische Volk „offensichtlich für kleine Pygmäen gehalten wird, die keinen Gedanken formulieren können“ – kann man die Heuchelei nur bewundern. Du hast Recht, Morrissey, wir können doch Gedanken formulieren. Sogar den Gedanken, dass es einen Unterschied zwischen Stolz auf Athleten und fremdenfeindlichem Nationalismus gibt. Solch einen Gedanken solltest du mal selbst formulieren, damit du ein bisschen glücklicher wirst.
Wenn es, wie du sagst, „verrückter Hurrapatriotismus“ sein sollte, sportlichen Erfolg und eine erfolgreiche internationale Veranstaltung in London zu feiern, dann bitte, tätowier „verrückter Hurrapatriot“ auf mein Gesicht und verbiete mir, je wieder Marx zu lesen. Aber mach es bitte ein bisschen später: momentan genieße ich einfach den Sport.
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