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Hart, aber herzlich. Bernd Schröder, Turbines scheidender Trainer.
© Imago

Karriereende bei Turbine Potsdam: Bernd Schröder - die Stimme des Erfolges ist rau

Nach 45 Jahren bei Turbine Potsdam saß Bernd Schröder am Sonntag zum letzten Mal bei einem Heimspiel auf der Trainerbank.

Ein Gespräch mit Bernd Schröder kann schon mal mit einem Anranzer durchs Telefon beginnen. Etwa, wenn es Probleme beim Suchen des vereinbarten Treffpunkts gibt. „Wie? Sie finden es nicht? Ich hab’s doch gerade erklärt. Warten Sie, ich komm runter.“ Und dann steht er plötzlich da. Bernd Schröder, 71 Jahre alt, 1,93 Meter groß, tiefe Stimme, fester Händedruck, das braune Haar an manchen Stellen ergraut. Er lächelt: „Sehen Sie, war doch gar nicht so schwer.“

Schröder hat in sein Büro geladen, im Dachgeschoss eines Gebäudes am Potsdamer Luftschiffhafen. Auf dem Olympiastützpunkt haben die Fußballerinnen von Turbine Potsdam ihr Trainingszentrum. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Zeitungen, Zeitschriften, Notizen. An den Wänden hängen Banner und Bilder. Sie zeigen Schröder mit Pokalen oder Politikern, Manfred Stolpe, Matthias Platzeck, Dietmar Woidke und Gerhard Schröder.

Bernd Schröder hat viele Hände geschüttelt und viele Auszeichnungen überreicht bekommen im Laufe seiner langen Karriere, die in diesen Tagen zu Ende geht, nach 45 Jahren im Verein, 40 davon als Trainer. Zwölf Meisterschaften, drei Pokalsiege und zwei Titel im Europapokal machen ihn zum erfolgreichsten Trainer in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs. Für sein Werk ist er 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt worden. Nun aber soll Schluss sein. Endgültig. Eine Beraterfunktion? Nicht mit ihm.

Für Schröder gibt es keinen dritten Weg

Einer wie er kann nur führen, allein verantwortlich sein. Nach dem 4:0 gegen Wolfsburg am Sonntag im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion steht eine Woche darauf für ihn nur noch die Partie bei Werder Bremen an, dann tritt er ab. Matthias Rudolph wird sein Nachfolger, ein 33 Jahre alter Exprofi, der zurzeit als Kotrainer unter Schröder arbeitet. Rudolph soll neue Impulse setzen, moderner trainieren lassen. So fordern es Kritiker, und davon gibt es viele. Schröder ist Konflikten nie aus dem Weg gegangen, mit Bundestrainerin Silvia Neid oder dem damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger.

Um die Beweggründe seines Abschieds zu beschreiben, wählt er ein Bild aus der Politik. „Es gibt keinen dritten Weg“, sagt Schröder. „Die Jugoslawen haben es früher auch versucht, fanden aber keinen Mittelweg zwischen Sozialismus und Kapitalismus.“ Er hätte auch sagen können: Es gibt keinen Konsens zwischen seinen Methoden und der Gegenwart. Die Generation der heutigen Fußballerinnen ist eine andere als noch vor zehn Jahren. Sie hinterfragt mehr, ist aber auch angepasster und weniger in der Lage, über die eigene Schmerzgrenze hinauszugehen, findet Schröder. Früher gingen seine Trainingseinheiten in der Regel zwei Stunden, bei minus zwölf Grad im Winter ließ er 400 Meter auf Zeit rennen, zehn Wiederholungen. „Das kannst du heute gar nicht mehr machen.“

In Internetforen ist er wüst beschimpft worden. Das System Schröder ist am Ende, schrieb einer. Weil Turbine Potsdam, der frühere Serienmeister, in dieser Saison als Tabellenachter unter zwölf Teams im unteren Mittelfeld rumdümpelt. Schröder schüttelt den Kopf. „Vielleicht stehen wir da, weil es das System Schröder so gar nicht mehr gibt.“ In den vergangenen zwei Jahren hat er Umfänge reduziert und weniger intensiv trainieren lassen. Er muss nicht sagen, dass er das für den eigentlichen Grund der Krise hält. Sein Gesichtsausdruck verrät es.

Schröder wollte kein Abschiedsfest

Schröder greift sich ein Buch, es ist die Autobiografie seines Freundes, des Boxtrainers Ulli Wegner. Vorn steht eine persönliche Widmung, mit schwarzem Stift geschrieben. „Bernd, wir wissen, die Stimme des Erfolges ist rau.“ Schröder nickt. Er und Wegner sind ähnlich alt, gleiche Generation, gleiche Ansichten. Im Laufe der Jahre haben Spielerinnen den Verein immer wieder verlassen, weil sie nicht mehr so hart trainieren wollten und ihnen der barsche Umgangston des Trainers missfiel. Nadine Angerer, die ehemalige Welttorhüterin und Turbine-Spielerin, schrieb in ihrer Autobiografie: „Ich habe unter einem Diktator gedient, aber es hat mich weitergebracht.“ Schröder gefällt der Satz. Mit Angerer steht er noch in regelmäßigem Kontakt, wie mit vielen seiner ehemaligen Spielerinnen.

Unerbittlich war Schröder nicht nur zu seinen Fußballerinnen, sondern auch zu sich selbst. Die Einschulungen seiner beiden Kinder verpasste er, weil am gleichen Tag ein Spiel mit Turbine stattfand. Als seine Tochter starb, stand er drei Tage später wieder an der Seitenlinie. Er hat sich verbissen in sein Traineramt, in das er nur zufällig hereingeraten war, weil er am Tag der Gründung der Sektion Frauenfußball der BSG Turbine Potsdam in der Kantine auf einen Funktionär traf, der einen Trainer suchte. Schröder, ehemaliger Reservetorwart von Lok Leipzig, sagte zu.

Zu Schröders Abschied am Sonntag kamen fast 4000 Zuschauer. Aber ein Abschiedsfest wollte Schröder nicht. Sein Freund, der Kommentator Dirk Thiele, las im Namen Schröders eine Bitte vor. „Im Mittelpunkt stehen die Spielerinnen von Turbine Potsdam und ihr Spiel gegen den VfL Wolfsburg. Ich bitte um Verständnis, die Feierlichkeiten zu meinem Abschied nicht im öffentlichen Rahmen stattfinden zu lassen.“

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