zum Hauptinhalt
Pal Dardai ist seit 2015 Cheftrainer bei Hertha BSC.
© Thilo Rückeis

Hertha-Trainer vor Auftakt der Europa League: „Bei Pal Dardai gibt es keine Geschenke“

Pal Dardai spricht vor dem Spiel gegen Athletic Bilbao über alte Europacup-Erfahrungen mit Hertha BSC, neue Ansprüche und seinen Umgang mit den Spielern.

Herr Dardai, lassen sich Ihre Söhne noch begeistern, wenn Sie aus Ihrer aktiven Zeit als Fußballer erzählen?

Ich bin dankbar, dass ich auch mit einem Vater als Fußballer aufgewachsen bin. Er war ein großer Torjäger in der ungarischen ersten Liga. Meine Mutter hat damals ein Album angefertigt, in dem alle Berichte über ihn zu finden waren. Ich habe mir das immer wieder angeguckt, von vorne bis hinten. So ein Album hat meine Frau auch von mir gemacht. Ich selbst erzähle meinen Söhnen nichts aus der Vergangenheit, aber sie blättern immer wieder ein bisschen in dem Album. Das hat auch eine Art Vorbildfunktion.

Wie reagieren die Kinder dann, wenn sie sehen, dass ihr Vater mal gegen jemanden wie Angel di Maria gespielt hat?

Das war zu der Zeit, als Hertha zweimal gegen Benfica Lissabon gespielt hat. Damals hat man schon gesehen, dass der Junge nicht schlecht ist. Das interessiert die Kinder schon. Sie kennen sich im europäischen Fußball sowieso besser aus als ich – durch die Playstation und die Sammelbilder. Ich kenne die Namen der Spieler natürlich auch, aber die Gesichter nicht unbedingt, weil ich mich jetzt ja vor allem mit der Bundesliga beschäftige.

Trotzdem haben Sie jede Menge internationale Erfahrung. Sie sind mit 42 Europapokaleinsätzen Herthas Rekordspieler.

Ich hatte das Glück, in der einer Zeit zu spielen, in der Hertha sich oft für die internationalen Wettbewerbe qualifiziert hat.

Gibt es eine Situation, die Ihnen dabei besonders in Erinnerung geblieben ist?

Das Spiel gegen Inter Mailand im Jahr 2000 war schon sehr emotional. Da hätten wir ins Achtelfinale des Uefa-Pokals einziehen können und haben gekämpft und gekämpft. Bis zwei Minuten vor Schluss sah es so aus, als würden wir es schaffen. Dann schoss Mailand noch ein Tor.

Sagt Ihnen FK Ventspils noch etwas?

Hm. Ehrlich gesagt auf Anhieb nicht.

Gegen den lettischen Klub haben Sie Ihr letztes Spiel in der Europa League bestritten, am 17. September 2009. Es war Herthas letzte Europacup-Saison – bis jetzt.

Da kann ich mich nur noch an die Qualifikation gegen Bröndby erinnern. Den Rest habe ich vergessen.

Sie haben über diese Zeit einmal gesagt: „Wir haben uns geschämt, dass wir nur in der Euro League waren.“

Das wurde uns so eingeredet vom Management und den Medien. Es war immer nur von der Champions League die Rede. Danach haben wir gelebt und das Gefühl übernommen, dass wir uns für die Europa League schämen müssen. Aber das fand ich nicht in Ordnung.

Was hat sich seither geändert im Selbstverständnis von Hertha BSC?

Heute und für einige Zeit noch würde keiner mehr auf die Idee kommen, die Champions League als Ziel auszugeben. Selbst eine Europa-League-Platzierung würden wir vor der Saison nicht vom Team verlangen. Wenn man sieht, wie stark die Bundesliga ist, muss man es hoch bewerten, dass Hertha Sechster oder Siebter wird. Trotzdem gibt es immer noch Menschen, die das nicht zu schätzen wissen. Natürlich kann jeder träumen, aber im Fußball zählt nur die Realität.

Und wo steht Hertha in dieser Realität?

Es gibt in der Bundesliga einige Klubs, die mehr Geld zur Verfügung und einen breiteren Kader haben als wir. Bei uns hängt mehr von einzelnen Spielern ab. Am Wochenende gegen Bremen hat man zum Beispiel gespürt, dass unser Spielsystem wackelt, wenn junge Spieler wie Mitchell Weiser, Marvin Plattenhardt und Niklas Stark gleichzeitig einen schlechteren Tag erwischen – was passieren kann und normal ist. Und dann muss man sehen, wie wir mit der Doppelbelastung klarkommen. Es gibt Spielertypen, die das nicht so gut hinkriegen wie andere.

Ist der Klub durch Sie bodenständiger geworden?

Ich bin auf jeden Fall niemand, der rumspinnt. Ich bin ehrlich und sage, was ich denke. Das kann mitunter hart sein für die Spieler, aber es hilft uns weiter. Etwas schönzureden, bringt doch gar nichts.

Ihre Spieler schätzen diese offene Art.

Ich versuche, als Trainer so zu sein, wie ich es mir als Spieler immer gewünscht habe. Mir ist es wichtig, jeden Tag mit jedem Spieler mindestens ein oder zwei Sätze zu wechseln. Ich hatte auch Trainer, die nach einer Niederlage drei Tage lang nicht mehr mit uns geredet haben. Das halte ich für Quatsch. Ich bin ganz bestimmt kein Trainergenie. Aber eines ist sicher: Ich bin bestimmt immer fleißig. Diese Mentalität versuche ich weiter zu geben. Dass man hart arbeiten und den ganzen Tag alles geben muss. Bei Pal Dardai gibt es keine Geschenke.

"Ich habe drei Ziele in meinem Trainerleben"

Inwiefern können Sie von Ihren internationalen Erfahrungen als Spieler jetzt als Trainer profitieren?

Das ist ein ganz anderer Fußball als in der Bundesliga, das muss man wissen. Auch meine Erfahrung als Trainer der ungarischen Nationalmannschaft hilft mir dabei, das jetzt meinen Spielern beizubringen. Die Frage wird sein, wie schnell wir unsere Spielweise umstellen und unseren Willen auch gegen international erfahrene Teams durchsetzen können. Wenn wir die Gruppenphase überstehen sollten, ergibt sich durch die k.o.-Spiele eine unglaubliche Drucksituation. Das lässt sich nicht im Training einstudieren. Den Effekt, volle Leistung zu bringen, wenn es darauf ankommt, lernt man nur in solchen Spielen.

Dennoch haben Sie darauf bestanden, dass der europäische Wettbewerb den Spielern vor allem Spaß bringen soll.

Weil es nicht sein kann, dass alle immer nur davon reden, wie schwierig diese Saison für uns wird. Das lasse ich nicht gelten. Die Fans wollten in die Europa League und wir wollten das auch. Jetzt haben wir es geschafft und wollen es genießen. Das heißt aber nicht, dass wir es auf die leichte Schulter nehmen. Ich will immer gewinnen. Ich hasse es zu verlieren.

So groß scheint das Interesse für die Europa League aber gar nicht zu sein. Schon bei Ihrem letzten internationalen Spiel kamen gerade einmal 13.500 Zuschauer ins Olympiastadion. Dieses Mal werden auch nur 20.000 erwartet.

Es ist schwierig, das zu erklären. In der Woche müssen die Menschen arbeiten und kommen nicht mehr um 21 Uhr ins Stadion, erst recht nicht mit Kindern. Außerdem ist es auch eine Frage des Geldes. Viele Familien haben sich das genau eingeteilt. Und so ein Stadionbesuch ist nicht ohne. Da kauft man die Tickets, Bier, eine Bretzel und vielleicht noch eine Wurst und dann ist man schon eine Menge los. Ich mache da niemandem einen Vorwurf, der nicht kommt.

Wie viele Zuschauer wären denn angemessen für den Auftakt gegen einen spanischen Spitzenklub wie Athletic Bilbao?
Ich bin schon zufrieden, wenn 20 000 kommen. Das Beste wäre, wenn der Unterrang voll wäre.

Das reicht Ihnen als Unterstützung? Vom sportlichen Wert müsste so ein Spiel doch deutlich mehr Fans anziehen.

In einer kleineren Stadt wäre das Stadion sicher voll, aber wir haben hier in Berlin eine besondere Situation. Wir wissen, dass es so ist, und darüber zu diskutieren, ist müßig. Es hat sich über die Jahre so entwickelt und eingependelt. Im vergangenen Jahr haben wir fast alle Heimspiele gewonnen und trotzdem hat sich der Zuschauerschnitt nicht verändert. Die Menschen verfolgen Hertha ja auch so: vor dem Fernseher oder in der Zeitung. Beim Einkaufen spricht mich jeder darauf an, jeder ist bestens über Hertha informiert. Jeder weiß, was los ist. Nur ins Stadion gehen sie nicht.

Wie können Sie das als Verein verändern?

Wir versuchen als Mannschaft so gut zu spielen, dass wir die k.o.-Runde in der Europa League erreichen. Dann werden die Menschen hoffentlich ein bisschen etwas investieren, um uns zu sehen. Es wäre es schön, wenn das Stadion dann voll wäre.

Sollten sie gleich gegen Bilbao gewinnen, stehen die Chancen dafür gut. Die beiden Teams machen vermutlich den Gruppensieg untereinander aus.

Für uns wäre es gut, gleich zu gewinnen. Aber Bilbao ist eine sehr gute Mannschaft mit erfahrenen Spielern. Von mir aus kann Bilbao auch Erster werden, wenn wir auf Platz zwei landen. Dafür müssen wir die Heimspiele gewinnen. Aber wir sollten uns davor hüten, die kleinen Mannschaften zu unterschätzen. Die haben alles gegeben, um überhaupt in den Wettbewerb zu kommen und wollen sich gut präsentieren.

Was erhoffen Sie sich denn für Ihre Entwicklung als Trainer von Ihrer ersten Europapokalteilnahme?

Ich glaube, dass ich in den vergangenen zweieinhalb Jahren schon sehr viel gelernt habe – auch aus meinen eigenen Fehlern. Jedes Spiel, jeden Tag, jedes Training, das ich leite, verinnerliche ich. Das ist wie mit einer großen Eiche. Das Grüne in der Baumkrone kommt und geht, aber die Wurzel im Boden wird immer stabiler und größer. Dieses Jahr werde ich lernen, wie man als Trainer mit der Doppel- und Dreifachbelastung am besten umgeht. Das hilft uns hoffentlich irgendwann dabei, noch größere Ziele zu erreichen.

Also doch die Champions League?
Ich habe in meinem Trainerleben immer drei Ziele gehabt. Das Ziel Nationaltrainer habe ich geschafft, wenn auch vielleicht etwas zu früh. Dann möchte ich einmal mit Hertha im DFB-Pokalfinale stehen und einmal in der Champions League spielen. Danach sehen wir weiter.

Zur Startseite