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Trotz Band am Knie - Schweinsteiger soll gegen Frankreich von Beginn an auflaufen.
© dpa

Deutschland - Frankreich: Bastian Schweinsteiger soll gegen Frankreich beginnen

Hummels, Khedira, Gomez: Gegen Frankreich fehlen der deutschen Elf drei wichtige Spieler. Aber Schweinsteiger wird spielen.

Die deutsche Nationalmannschaft geht mit einigen personellen Problemen ins EM-Halbfinale gegen Frankreich. In jedem Mannschaftsteil muss Bundestrainer Joachim Löw einen wichtigen Spieler ersetzen: Innenverteidiger Mats Hummels ist gelbgesperrt, Mittelfeldspieler Sami Khedira hat Adduktorenprobleme und Stürmer Mario Gomez einen Muskelfaserriss im Oberschenkel. „Trotz alledem haben wir keine Rumpfmannschaft“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. „Wir haben Spieler hintendran, die sofort bereit sind.“ Doch wer werden die nun sein? Löw hat jedenfalls seine Aufstellung im Kopf. Am Mittwochabend verkündete er, „dass ich alle Fragen im Laufe des Tages für mich beantwortet habe“. Allein der Presse wollte er die Antworten auf dem Podium nicht verraten. Nur so viel: „Wir werden der härteste Gegner sein, den Frankreich bisher hatte!“

Wer ersetzt Hummels?

Bevor Joachim Löw diese Frage beantworten kann, muss er erst einmal grundsätzlich werden: Welches System soll’s denn sein? Das bewährte 4-2-3-1, in dem seine Mannschaft extrem textsicher ist? Oder doch wieder eine Dreierkette wie im Viertelfinale gegen die Italiener, die dadurch ihres offensiven Bedrohungspotenzials beraubt wurden? Die Frage ist dieses Mal besonders knifflig, weil die Franzosen anders als die Italiener nicht so leicht zu lesen sind. Sie sind mit einem 4-3-3 ins Turnier gestartet, haben dann aber im Achtelfinale gegen Irland zur Pause auf ein 4-4-2 umgestellt, in dem Antoine Griezmann eine Rolle zwischen Zehner und Schattenstürmer einnimmt. Wohl auch wegen dieser taktischen Änderung war die französische Elf zuletzt deutlich forscher unterwegs als noch zu Beginn des Turniers.
Ein großer, wuchtiger Stürmer, der von einem kleinen, wuseligen unterstützt wird – das wäre die gleiche Konstellation wie gegen Italien und würde erneut für eine Dreierkette sprechen. In diesem Fall könnte Shkodran Mustafi in die Startelf rücken. Er kennt das System aus seinem Verein, dem FC Valencia, bestens. Kehrt Löw hingegen zu einer Viererkette zurück, wird Benedikt Höwedes den vakanten Posten in der Innenverteidigung besetzen. Der Bundestrainer hat den Schalker nach seinem Auftritt im Viertelfinale geradezu hymnisch gefeiert. Höwedes habe seine Sache überragend gut gemacht, gegen die Italiener fast alle Zweikämpfe und Kopfballduelle gewonnen. „Er macht seine Arbeit, wenn man ihn braucht“, sagt Löw. „Er ist für einen Trainer Gold wert.“ Höwedes spielt auf jeden Fall – egal in welchem System.

Wie stoppt man Antoine Griezmann?

Antoine Griezmann hat es am Tag vor dem Halbfinale mal wieder auf die Titelseite der „L’Équipe" geschafft: den Mund weit aufgerissen, die Augen zu Schlitzen verengt, die Halsschlagadern geschwollen. Dazu die Überschrift in Versalien „IL. Er macht ihnen Angst. Als Frankreichs Trainer Didier Deschamps im Achtelfinale gegen die Iren die taktische Grundordnung änderte, lag seine Mannschaft 0:1 zurück. Am Ende gewann sie 2:1 – dank zweier Tore Griezmanns binnen drei Minuten. Der Stürmer vom Champions-League-Finalisten Atletico Madrid hat am meisten von Deschamps’ Systemumstellung profitiert. Griezmann spielt jetzt immer im Dunstkreis seines Sturmkollegen Olivier Giroud. „Er ist ein ganz entscheidender Spieler“, sagt Oliver Bierhoff über den mit vier Treffern besten Torschützen des Turniers. „Er spielt mit sehr viel Fantasie, aber auch Entschlossenheit. Dem müssen wir gute Ordnung und Geschlossenheit entgegensetzen.“

Im deutschen Team gibt es einige Spieler, die mit Griezmann gerade erst schmerzhafte Bekanntschaft gemacht haben. Im Halbfinal-Rückspiel der Champions League schoss er gegen die Bayern das Tor, das Atletico den Einzug ins Endspiel bescherte. In jener Szene zeigte er seine überragende Qualität im Umschaltspiel, aber auch die Abgebrühtheit im Duell gegen Manuel Neuer. „Wir müssen gut stehen“, sagt der Torhüter, „die Ordnung halten, gerade in unserem Ballbesitz.“ Also nicht nur immer ein Auge auf Griezmann werfen, sondern ihn selbst bei eigenen Angriffen so zustellen, dass er bei einem möglichen Konter gar nicht erst angespielt werden kann.

Wer ersetzt Khedira?

Diese Frage stellt sich seit gestern nicht mehr. „Bastian Schweinsteiger wird auf jeden Fall beginnen“, hat Bundestrainer Löw am Mittwochabend verraten. Schweinsteiger hatte zuvor die finale Trainingseinheit mit der Mannschaft absolviert. „Er hat keinerlei Beschwerden, die Verletzung ist so gut wie auskuriert.“ Ob das eine gute Nachricht ist, dass Schweinsteiger im Halbfinale zum ersten Mal bei dieser EM in der Startelf auftauchen wird, darüber ist sich die Nation noch nicht ganz einig. Das Spiel gegen Italien hat gezeigt, dass der bald 32-Jährige eigentlich nicht über die athletische Verfassung für ein Duell auf diesem Niveau verfügt. Löw dagegen glaubt, dass Schweinsteiger „die Kraft und die Physis“ hat, um von Anfang an zu spielen. Der Kapitän sei „für uns extrem wichtig“, angesichts der vielen Ausfälle und „gerade in so einem Spiel in einem Hexenkessel“. Für den Fall, dass ihm die Kräfte schwinden, gebe es ja noch Einwechselspieler. Was offenbar auch für Schweinsteiger sprach: Löw scheint den beiden möglichen Vertretern – Emre Can und Julian Weigl – nicht bis ins Letzte zu vertrauen. Sie haben bei der EM noch keine einzige Minute gespielt. Bei erstem Hinsehen wäre Can, 22 Jahre, der natürliche Vertreter für Khedira. Beide ähneln sich in ihrer Statur, aber auch in der Art, wie sie Fußball spielen. Ihr Spiel ist robust und wuchtig, manchmal aber auch ein bisschen wild. Bei Can besteht zumindest latent die Gefahr, dass er überdreht, weil er es jetzt aber mal allen zeigen will. Julian Weigl, 20, ist ein eher ruhiger Vertreter seines Fachs, ein seriöser Passspieler und guter Stratege – und damit Toni Kroos eigentlich zu ähnlich. Aber die Italiener haben gezeigt, dass man Kroos mit permanenter Beschattung zumindest teilweise aus dem Spiel nehmen kann. Da kann es nicht schaden, einen weiteren Spieler auf dem Platz zu haben, der mit seinen Füßen für Ordnung sorgen kann, gerade in der Spieleröffnung.

Wer ersetzt Gomez?

Die Antwortmöglichkeiten wurden in den vergangenen Tagen auf Mario Götze und Thomas Müller reduziert. Dabei könnten theoretisch auch Lukas Podolski und André Schürrle ganz vorne spielen. Realistisch ist das aber nicht. Es wird auf Götze oder Müller hinauslaufen. Die Antwort auf diese Frage ist schon deshalb entscheidend, weil die Viererkette die größte Schwachstelle der Franzosen ist. Sie ist mit exakt so vielen Über-Dreißigjährigen bestückt, wie es im gesamten deutschen Kader gibt, nämlich vier. Für Götze spricht, dass er sich gut in den Zwischenräumen bewegen kann, dass er den kantigen Innenverteidigern am Boden überlegen ist. „Er hat sich unglaublich engagiert, hat sich reingekämpft“, sagt Oliver Bierhoff. Müller kann den Franzosen vor allem mit seinen skurrilen Laufwegen wehtun. In Topform haben sich bei der EM allerdings beide noch nicht präsentiert. Aber Müllers Versetzung in die Sturmspitze hätte gleich zwei Vorzüge: Er wäre näher am Tor – und könnte auf der rechten Seite den Platz für Leroy Sané frei machen, den Löw jetzt lange genug vor der Öffentlichkeit verborgen hat.

Und sonst?

Frei nach Winston Churchill: Traue keiner Statistik, die dir nicht in den Kram passt. Die Franzosen sind seit 17 Heimspielen bei Welt- und Europameisterschaften ungeschlagen. Die letzte Niederlage kassierten sie 1960 gegen Jugoslawien – im EM-Halbfinale. Die Deutschen wiederum haben zuletzt 1958 bei der WM in Schweden ein Turnierspiel gegen Frankreich verloren. Bei einer EM allerdings sind beide noch nie aufeinander getroffen.

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