1:0-Sieg für Deutschland: Ballack schlägt Österreich
Deutschland gewinnt dank eines Ballack-Tores mit 1:0 gegen Österreich und zieht ins Viertelfinale ein. Gegen Portugal am Donnerstag muss sich das Team von Joachim Löw allerdings beträchtlich steigern. Das sagt auch der Bundestrainer. Ihm selbst droht nach einem Platzverweis eine Sperre.
Souverän sieht anders aus. Mit wenig Sinn für Ballestik, wie die Österreicher die Fußballkultur nennen, hat sich die deutsche Nationalmannschaft gestern für das Viertelfinale der Europameisterschaft qualifiziert. 50 000 Zuschauer im Wiener Ernst-Happel-Stadion sahen einen 1:0-Sieg über Österreich, das schon hätte gewinnen müssen, um sich den Traum vom Wunder von Wien zu erfüllen. Diese Gefahr aber bestand nicht ernsthaft, auch wenn die Deutschen wie schon gegen Kroatien so ziemlich alles schuldig blieben, was sie vor der EM versprochen hatten.
Michael Ballack schoss das Tor des Abends, es war ein Freistoß kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit. Und wie er das machte, sagt genug aus über den Stil, den der einstige EM-Favorit gestern pflegte. Nicht mit Gefühl oder Effet, sondern mit roher Gewalt drosch der Kapitän den Ball aus 25 Metern rechts oben ins österreichische Tor. So, als habe er alle Enttäuschung und allen Frust, aber auch alles Unverständnis über die weitgehend indiskutable Leistung in diesen einen Schuss gesteckt. "Wir konnten heute nur verlieren", sagte Ballack. "Das Spiel ist der erwartet harte Fight geworden." Die Mannschaft habe nicht locker und befreit gespielt. "Wir sind nicht der Favorit, aber wir haben weiterhin hohe Ziele." Nach seinem Tor legte Ballack beim Jubeln zwei Finger auf seinen Mund, eine Geste an das Publikum im Allgemeinen und die österreichische Mannschaft im Besonderen. "Die Österreicher haben vor dem Spiel den Mund sehr voll genommen", sagte Ballack. "Man hat schon gedacht, sie wären dreimal Weltmeister geworden und wir hätten noch nie einen Ball getroffen."
In der Runde der letzten Acht treffen die Deutschen am Donnerstag in Basel auf Portugal. "Wir müssen uns enorm steigern im Viertelfinale", sagte Bundestrainer Joachim Löw. "Unser Spiel nach vorn war nicht so, wie wir es schon einmal gesehen haben." Die Portugiesen hatten am Sonntag im bedeutungslosen Spiel gegen die Schweiz (0:2) gleich acht Stammspieler geschont, und es steht nicht zu vermuten, dass die deutsche Vorstellung ihnen drei schlaflose Nächte bereiten wird. Eine mit mehr Talent gesegnete Mannschaft als die der Österreicher wäre gestern wahrscheinlich ein kaum zu überwindendes Hindernis gewesen. Es passte zur Qualität des Spiels, dass es für die beiden Männer, die Strategie und Kultur ihrer Mannschaften zu verantworten haben, schon nach 40 Minuten vorbei war. Joachim Löw und sein österreichischer Trainerkollege Josef Hickersberger durften sich den Rest des Spiels von der Tribüne aus anschauen, und das erlebt man auf internationaler Ebene auch eher selten.
Löw und Hickersberger hatten sich in ihrer zugegeben großzügig bemessenen Coachingzone weiter nach vorn gewagt, als es dem Slowenen Damir Skopina in den Kram passte. Dieser war als vierter Offizieller für die Domestizierung der Außenstehenden verantwortlich. Vergeblich monierten beide Trainer, sie hätten ihre Arbeit zu tun und das ginge nun mal nicht allein von der Bank aus. Skopina gab Schiedsrichter Manuel Mejuto Gonzalez ein Zeichen, und der Spanier schickte die beiden sichtlich verwirrten Trainer auf die Tribüne. Löw machte auf dem Weg nach oben noch Station bei einer aufgeregten Frau im orangenen Kostüm. Aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mochte keinen Einfluss auf den Schiedsrichter geltend machen, den Bankverweis zurückzunehmen. Also setzte Löw sich auf die Tribüne zwischen Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff und den gesperrten Bastian Schweinsteiger. Ob Löw darüber hinaus bestraft und womöglich sogar gesperrt wird, entscheidet der europäische Fußballverband Uefa am Mittwoch (mehr zu dem Thema hier hinter diesem Link). Das Schicksal der Nationalmannschaft lag dann am Montagabend in den Händen von Kotrainer Hans-Dieter Flick.
Es fiel schwer, darin eine Schwächung zu sehen. So wie die Deutschen spielten, schienen sie ohnehin nicht empfänglich für irgendwelche Ratschläge. 20 Millionen Euro hat der DFB in die Planung und Durchführung des Projektes EM 2008 gesteckt, und man darf schon mal Kosten und Nutzen dieses Aufwandes in Frage stellen. Es schien eine Mannschaft auf dem Rasen zu stehen, die sich zuvor zufällig beim Kicken im Prater getroffen und darauf beschlossen hatte, es doch mal mit einem Länderspiel zu versuchen, warum nicht gegen Österreich. Kein Laufweg stimmte, die mit dem Berliner Arne Friedrich neu besetzte Viererkette zeichnete sich aus durch blindes Verständnis im eigentlichen Sinne des Wortes. Die als gestaltende Mittelfeldspieler vorgesehenen Torsten Frings und Michael Ballack fielen nur dadurch auf, dass der eine seine Pässe vorzugsweise ins Nichts oder zum Gegner und der andere vorsichtshalber gar keine Pässe spielte. Die Stürmer Miroslav Klose und Mario Gomez? Ja, die hatten sich auch irgendwo versteckt auf dem weitläufigen Platz.
So etwas wie Angriffsfußball war allein in den ersten fünf, zehn Minuten zu sehen, als Klose ein paar gute Szenen hatte. Einmal ließ er auf der rechten Seite zwei Österreicher stehen und passte scharf und flach in die Mitte, wo Gomez schon den Fuß zum erfolgreichen Abschluss angewinkelt hatte. Aber dem Stuttgarter geht bei dieser EM so ziemlich alles schief. Kurz vor ihm setzte der Ball auf, sprang an seinen Knöchel und von dort aus als Bogenlampe langsam und ungefährlich Richtung Tor.
Mehr war nicht, mal abgesehen von Ballacks mit Urgewalt getretenem Freistoß, aber auch den hätte ein guter Torhüter wahrscheinlich pariert, denn er schlug doch ein gutes Stück entfernt vom Tordreieck ein. Österreichs Nummer eins Jürgen Macho war einst nicht einmal gut genug für den 1. FC Kaiserslautern. Zum Schluss verstolperten Frings, Klose und der eingewechselte Oliver Neuville noch zwei passable Konterchancen, aber auch auf der anderen Seite loderte es ein-, zweimal, was vor allem am völlig überforderten Christoph Metzelder lag.
Die Österreicher gaben sich Mühe, aber mit Mühe allein kommt man bei einer EM nicht ins Viertelfinale, nicht mal gegen eine deutsche Mannschaft in der Form von gestern. Die unbedarften Österreicher setzten nicht mal ihre Geheimwaffe ein, den bald 39-jährigen Ivica Vastic, der zuletzt das 1:1 gegen Polen geschossen, das erste und bis auf weiteres einzige Tor in der österreichischen EM-Geschichte. Vastic verfolgte das Ausscheiden von der Bank aus. Vielleicht auch, weil Cheftrainer Josef Hickersberger ohnmächtig auf der Tribüne saß.
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