Kolumne Berliner Fußball: Babelsberg: Wiedergeburt in Liga vier
Der SV Babelsberg 03 steckt nach dem Abstieg aus der Dritten Liga mitten in einer schwierigen Umbauphase, meistert die Aufgabe bislang jedoch sehr gut, wie unser Kolumnist findet. Doch auf die Potsdamer wartet schon die nächste schlechte Nachricht: Der beste Spieler, der mit kriminellen Taten für Schlagzeilen sorgte, steht vor dem Absprung.
Es war schon sehr traurig, als Babelsberg im Mai aus der 3. Liga abstieg. Drei Jahre lang hatten die Potsdamer gekämpft und sich trotz großer finanzielle Probleme in der dritthöchsten deutschen Spielklasse gehalten. Letztlich war es aber unvermeidbar. Wenn nicht wegen dem Tabellenplatz, dann hätte der Verein wegen der finanziellen Situation wohl trotzdem absteigen müssen. In diesem Sinne war es wie der Tod einer alten, kranken Verwandten: traurig, auf jeden Fall, aber irgendwie auch eine Erleichterung. Man weiß nicht was als nächstes kommt, schlimmer als ein aussichtsloser Kampf kann es aber nicht sein.
Es folgte eine Wiedergeburt in der Regionalliga Nordost. Bevor man aber gegen berühmte alte DDR-Vereine wie Magdeburg, Jena und Zwickau kicken durfte, musste überhaupt erst eine Mannschaft zusammengestellt werden. Das war die Aufgabe von Babelsbergs Trainer Cem Efe. „Wir hatten gar keine Mannschaft. Gar keine“, sagt der 35-jähriger Berliner. „Wir mussten alle Spieler neu zusammenholen und das war brutal schwer. Wir bekamen gefühlt 50 Absagen weil die finanziellen Aussichten bei uns sehr schlecht waren.“ Es sind nur fünf Spieler vom letzten Jahr geblieben: Zlatko Hebib, Julian Prochnow, Severin Mihm, Lucas Albrecht und der ebenso talentierte wie umstrittene Süleyman Koc.
Nach zwei Jahren voller negativer Schlagzeilen rund um seine Verurteilung als Mitglied einer Räuberbande, gelang es Koc endlich wieder durch sportliche Taten Aufmerksamkeit zu erregen. In den ersten drei Spielen schoss er zwei Tore und Babelsberg war überraschenderweise Tabellenführer.
Cem Efe rechnete aber nicht damit, dass seine Jungs dauerhaft im Aufstiegskampf mitmischen. „Die Mannschaft ist nicht erfahren genug. Wir haben viele Spieler aus der Oberliga, die nicht mal dort Stammspieler waren, demzufolge ist das ein ganz normaler Prozess.“ Seit dem tollen Start ging es jedoch nur leicht abwärts, aktuell steht Babelsberg im oberen Mittelfeld in der Tabelle und das ist auch in Ordnung. „Wir wollen am Ende zwischen Platz elf und sieben stehen“, sagt Efe.
Die Pläne des Trainers gehen weit in die Zukunft. Deshalb hat er auch sehr viele Junge Spieler verpflichtet. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 22 Jahren und mit 27 ist Julian Prochnow der Älteste im Kader. „Ich will lernfähige Spieler – das war das wichtigste Kriterium. Junge Spieler, die man formen kann“, erklärt Efe. „Es geht darum, Jungs zu finden, die technisch und läuferisch stark sind, die vorausahnend spielen können. Das ist natürlich nicht immer einfach.“ Mit den finanziellen Voraussetzungen ist es dem Babelsberg-Coach klar, dass die längerfristige Lösung die einzige Lösung ist.
Rückschläge gibt es immer und auf Babelsberg kommt schon bald ein besonders schwerer hinzu: „Süleyman Koc wird uns am Ende der Hinrunde verlassen“, verrät Efe. „Er wird zu Paderborn in die Zweite Bundesliga wechseln. Das ist zwar noch nicht zu 100 Prozent sicher, aber die Tendenz, dass es für ihn klappen wird, ist deutlich.“ Für den Moabiter Jungen mit der dunklen Vergangenheit sicherlich ein großer und wichtiger Schritt, aber für Babelsberg? „Wenn man ihn verliert, verliert man den wichtigsten Spieler dieser Mannschaft“, räumt Coach Efe ein.
Man kann den Transfer aber auch positiv sehen. Es wird eine Ablösesumme geben, die für weitere Verstärkungen verwendet werden kann. Und es gibt auch noch andere kreative Spieler im Kader. Daniel Becker, zum Beispiel, ist bei Standardsituationen sehr gefährlich und hat schon für sieben Torvorlagen gesorgt. Der Stürmer Manual Fuster kommt langsam besser in Tritt. „Es gibt viel Potential“, sagt auch der Trainer.
Ein Teil Efes Plans ist es, attraktiven Fußball zu spielen, damit die Zuschauerzahlen im Karl-Liebknecht-Stadion ansteigen. Das ist nicht nur Anreiz und Aufmunterung für die Spieler, sondern auch eine mögliche Lösung für die klammen Finanzen, die den Verein seit Jahren verfolgen. Die Babelsberger Fangemeinde ist zwar relativ klein, aber dafür ist sie sehr treu – die Zuschauerzahlen sind trotz des Abstiegs kaum gesunken. Auch wenn die loyalen Fans zuletzt drei Heimneiderlagen in Folge ertragen mussten. In Hinblick auf das kommende Spiel am Sonntag gegen Wacker Nordhausen gibt es aber Hoffnung: Der Aufsteiger hat bis jetzt alle fünf Auswärtsspiele in der Regionalliga verloren.
Bis zum Ende der Hinrunde gibt es nur noch drei Heimspiele – es wäre also mal an der Zeit, dem alten, charmanten „KarLi“ einen Besuch abzustatten, noch einmal den trickreichen „Sülo“ Koc spielen zu sehen und die Babelsberger Jungs anzufeuern.
Der Autor Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice“. Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball.
Bilder und Spielberichte von„No Dice” auf Facebook.
Stephen Glennon
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