Bundesliga-Saisonvorschau (17): Auf Schalke stimmt der Ton
Trainer Domenico Tedesco ist zu einem Machtfaktor in Gelsenkirchen geworden. Doch der Kader der Schalker hat ein wortwörtlich kleines Problem.
Am 24. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine.
Heute Teil 17: FC Schalke 04.
Was hat sich verbessert?
Trainer Domenico Tedesco hat daran gefeilt, dass die Offensive einen größeren Schwerpunkt im Spiel der Schalker bildet. Der Fußball der Vorsaison war zwar außerordentlich erfolgreich, aber zumeist auch nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. „Wir schämen uns sicher nicht für unsere letzte Saison“, sagt Manager Christian Heidel. Für manch einen Anhänger des Klubs dürfte es aber doch etwas mehr sein. Mit der Punktausbeute waren die Fans überaus glücklich. Aber weniger mit der Art, wie die Zähler erwirtschaftet wurden. Diese Dauermaloche soll künftig mit ein wenig mehr Finesse gespickt werden. Wer jetzt aber auf ein dauerhaftes, technisch hochwertiges Flachpassspiel hofft, der dürfte weiterhin enttäuscht werden. Dafür ist der nüchterne Pragmatismus des Trainers viel zu ausgeprägt, als dass er sich auf solch einschneidende Veränderungen einlassen würde. Ein wenig mehr Fußball, ein bisschen weniger Kampf und Krampf könnten es aber dann doch sein.
Wer sind die Neuen?
Der Vizemeister musste nach den Abgängen von Max Meyer und Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld neue Lösungen finden. Omar Mascarell, von Eintracht Frankfurt gekommen, und Suat Serdar (Mainz 05) sollen die Lücke schließen. Während Mascarell mit seinen 25 Jahren schon über Erfahrung verfügt, muss der 21 Jahre alte Serdar erst noch nachweisen, dass er in der Lage ist, auf höchstem Niveau mitzuhalten und vor allem Akzente setzen zu können. Den Schalkern würde die Verpflichtung von Nationalspieler Sebastian Rudy vom FC Bayern sicherlich sofort weiterhelfen, allerdings ist auch RB Leipzig an Rudy interessiert. In der Defensive soll Salif Sané (Hannover 96) den Abgang von Thilo Kehrer nach Paris, der dem Klub mit dem Transfererlös von 37 Millionen Euro völlig unerwartet viel Luft verschafft hat, kompensieren. Und im Angriff muss es dem aus Hoffenheim gekommenen Mark Uth mit seiner guten Technik gelingen, die eher durchschnittliche Torbilanz der Schalker aufzuhübschen. Die Stärke des Schalker Kaders dürfte sich auf einem ähnlichen Niveau bewegen wie in der abgelaufenen Saison.
Wer hat das Sagen?
Domenico Tedesco hat sich innerhalb kürzester Zeit ein Standing im Verein erarbeitet, das nur sehr wenige Fußballlehrer vor ihm in der langen, turbulenten Historie am Berger Feld hatten. Der 32 Jahre alte Deutsch-Italiener bestimmt mit unermüdlicher Arbeit nahezu im Alleingang über die sportlichen Geschicke des Klubs. Er hat es nach seinem Amtsantritt geschafft, die zuvor überaus inhomogene und teilweise zerstrittene Mannschaft hinter sich zu bringen. „Der Trainer hat uns eine Identität gegeben, mit der wir Rückschläge besser wegstecken können“, sagt Kapitän Ralf Fährmann. Tedesco kümmert sich fast im Alleingang um die Auswahl und Verpflichtung der Neuzugänge. Er arbeitet bis spät in die Nacht an seinem Team, an seinen Ideen. Seine nüchterne Art empfinden die Anhänger als überaus wohltuend. Domenico Tedesco ist nicht nur ein Glücksfall für den Klub, er ist auch schon zu einem großen Machtfaktor am Ernst-Kuzorra-Weg geworden.
Was erwarten die Fans?
Die Fans sind zwiegespalten. Zum einen ist die Euphorie nach dem unerwarteten zweiten Platz aus der Vorsaison groß. Und nicht wenige Anhänger hoffen darauf, dass der FC Schalke womöglich in der bevorstehenden Saison den Fluch endlich besiegt und tatsächlich mal wieder die Meisterschale nach Gelsenkirchen holt. Zum anderen hat die von den Vereinsverantwortlichen mit großer Ausdauer immer wieder ausgerufene Bescheidenheit ihre Wirkung bei der großen Mehrzahl nicht verfehlt. Laute Töne sind derzeit jedenfalls nicht mehr zu vernehmen am Schalker Markt. „Wir wollen uns immer weiter verbessern. Alles weitere interessiert uns erstmal nicht“, ist Tedescos banale Antwort auf die Frage, wohin die Schalker Reise gehen soll. Diese unaufhörlich vorgetragene Zurückhaltung hat vielfach verfangen. Womöglich wissen Schalkes Fans gar nicht so genau, was sie von ihrer Mannschaft erwarten können.
Was ist in dieser Saison möglich?
Diese Spielzeit dürfte richtungsweisenden Charakter haben. War die vergangene Saison, in der unvorhersehbar viele Rädchen ineinander gegriffen hatten, lediglich ein Ausrutscher nach oben? Die Antwort dürften unter anderem die Auftritte in der Champions League geben, in der Schalke zusätzlich auf hohem Niveau gefordert sein wird. Der Kader wurde von Manager Heidel auf Wunsch von Trainer Tedesco aber bewusst klein gehalten. Mit insgesamt 24 Feldspielern und drei Torhütern ist die Auswahl an Profis nicht sonderlich groß für eine so intensive Saison. Es wäre überraschend, sollte das Tedesco-Team die abgelaufene Spielzeit in dieser Souveränität bestätigen können. Falls die Mannschaft sich erneut für die Champions League qualifiziert, wäre wohl ganz Schalke glückselig. Aber dafür brauchen die Schalker mehr körperliche und psychische Kraft als in der jüngeren Vergangenheit.
Und sonst?
Ist Musik drin in der Schalker Mannschaft. Beim traditionellen Vorsingen der Neuzugänge im Trainingslager in Österreich überzeugte Omar Mascarell mit „Macarena“ sängerisch und tänzerisch jedenfalls auf ganzer Linie. Suat Serdar dagegen brachte keinen (richtigen) Ton heraus und musste seinen Auftritt unter dem Gelächter der versammelten Mannschaft frühzeitig beenden. Salif Sané dagegen versuchte es auf die romantische Tour. Der hünenhafte Abwehrspieler setzte sich neben dem Billardtisch ans Klavier und gab ein kleines Konzert für den ausgewählten Schalker Zuhörerkreis. Der ein oder andere soll von so viel Feinsinnigkeit ziemlich gerührt gewesen sein. Jörg Strohschein
Morgen Folge 18: Bayern München