zum Hauptinhalt
Wieder nur Zweiter. Niels Giffey (l.-r.), Johannes Thiemann und Martin Hermannsson von Alba Berlin nach der Niederlage gegen Bayern.
© Matthias Balk/dpa

Alba Berlin verarbeitet die Finalniederlage: Auf die Ernüchterung folgt der Blick nach vorne

Alba Berlin trauert nach der Finalniederlage gegen Bayern München, plant aber direkt die kommende Saison. Ob Trainer Aito Garcia Renes bleibt, ist unklar.

Große Gefühle bergen die Kraft, die Dinge mächtig durcheinanderzubringen. Vor dem dritten Finalspiel um die Meisterschaft galt das Team von Alba Berlin als eine lockere, stürmische Truppe, die auf wie neben dem Basketballfeld immer knapp an der Grenze zum aufgekratzten Überschwang steht. Bei den erfahrenen Spielern von Bayern München hätte man hingegen eher von einer beinahe schon unterkühlten Ruhe mit fließenden Übergängen ins Verbissene gesprochen.

Am Sonntagabend, es war noch nicht halb neun, hatte sich das Bild gedreht. Auf dem Parkett der Rundsporthalle am Münchner Westpark war zur Rechten ein roter Knäuel berauschter Münchner zu beobachten, die ausgelassen jubelten. Zur Linken lehnten starr aufgereiht an der Bande mit leeren Blicken etwa zwei Dutzend bedröppelte Spieler und Verantwortliche von Alba Berlin. Eine über weite Strecken starke Leistung hatte erneut nicht für einen Sieg gereicht, nach einer wuchtigen Aufholjagd holten sich die Münchner in der Verlängerung durch ein 93:88 den dritten Sieg im dritten Spiel der Finalserie.

Für Bayern war es nach dem Meistertitel im Vorjahr der erneute Triumph, für Alba die bereits dritte Finalniederlage in dieser Saison. Doch von einem emotionalen Gewöhnungseffekt konnte auf beiden Seiten keine Rede sein. Derrick Williams und Alex King vollführten Tänzchen auf dem Parkett und Bayern-Präsident Uli Hoeneß schien beinahe gerührt, als Kapitän Danilo Barthel ihm den silbernen Meisterpokal überreichte.

Anders sah das bei den Berlinern aus. „Ernüchternd, sehr ernüchternd“, empfand Albas Kapitän Niels Giffey die nächste vergebene Titelchance. Es fühle sich „genauso schlecht“ an wie in der Vorsaison, als die Berliner gar erst im entscheidenden fünften Spiel den Münchnern unterlagen. „Ich fand nicht, dass es eine Serie war, die 0:3 hätte ausgehen müssen“, sagte Giffey. „Wir haben in allen drei Spielen eine Chance gehabt. Es war nicht so deutlich, wie es am Ende aussieht.“

Ob Trainer Reneses seinen Vertrag verlängert, ist noch unsicher

Tatsächlich hatten die Berliner in allen Begegnungen an einem Sieg gekratzt. Fünf Punkte hatten dazu im ersten Spiel gefehlt, sechs im zweiten, am Sonntag hätte es vor der Verlängerung sogar ein einzelner Zähler mehr getan. In allen drei Partien hatten die Berliner zwischenzeitlich zweistellig in Führung gelegen, die Entscheidung fiel jeweils erst in den Schlusssekunden – am Ende alles wertlos: Die Münchner waren einfach abgebrühter.

„Wenn jemand, der die Spiele nicht gesehen hat, liest, dass Bayern München 3:0 gegen Alba Berlin gewonnen hat, wird er denken, dass es einfach war“, mutmaßte Trainer Reneses. „Aber das stimmt nicht.“ Die 72-jährige Trainerlegende trauerte wie auch seine Spieler den verpassten Chancen hinterher und gab sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel zwar cool wie eh und je, die brüchige Stimme ließ jedoch anderes vermuten.

Bleibt er? Die Zukunft von Albas Trainer Aito Garcia Reneses ist noch unsicher.
Bleibt er? Die Zukunft von Albas Trainer Aito Garcia Reneses ist noch unsicher.
© Matthias Balk/dpa

Wehmut klang in seinem Saisonfazit durch, das beinahe wie eine Abschiedsrede klang: „Im Pokal und im Eurocup Zweiter zu werden, uns für die Euroleague zu qualifizieren und auch hier im Finale gegen ein gutes Bayern München zu verlieren – das hätte ich nicht glauben können, wenn mir das vor zwei Jahren jemand erzählt hätte“, sagte Reneses und ließ die Presseleute aufhorchen, als er bereits in Retrospektive über seine Zeit bei Alba sprach: „Ich habe es sehr genossen, in diesen beiden Saisons der Trainer zu sein“, sagte er. „Ich bin in Berlin und bei Alba sehr glücklich gewesen.“

Auf Nachfrage gab er jedoch zu verstehen, dass er wie angekündigt erst in den kommenden Tagen eine Entscheidung darüber treffen werde, ob er seinen Vertrag bei Alba noch einmal verlängert. „Ich muss erst noch ein paar persönliche Dinge mit dem Klub klären“, sagte Reneses.

Prominenz mit Klatschpappe. Uli Hoeneß, Vereinspräsident vom FC Bayern (r.), jubelt nach einem Treffer der Bayern neben seinem Bruder Dieter.
Prominenz mit Klatschpappe. Uli Hoeneß, Vereinspräsident vom FC Bayern (r.), jubelt nach einem Treffer der Bayern neben seinem Bruder Dieter.
© Matthias Balk/dpa

Dabei geht es Sportdirektor Himar Ojeda zufolge vor allem um den Gesundheitszustand des Trainers. Seit geraumer Zeit macht Reneses das Augenlicht zu schaffen, auch im Spiel am Sonntag trug er deshalb wieder eine Baseballkappe, die ihn gegen grelles Licht schützen soll – eine Operation ist wohl unumgänglich. Ojeda macht sich deshalb jedoch keine Sorgen und glaubt nach wie vor, dass Reneses auch in der kommenden Saison für Alba an der Seitenlinie stehen wird.

Wichtige Leistungsträger bleiben in Berlin

Das Gerüst des Teams steht bereits. Mit Luke Sikma haben die Berliner einen ihrer Schlüsselspieler langfristig an sich gebunden, auch Leistungsträger wie Martin Hermannsson und Rokas Giedraitis besitzen noch gültige Verträge. Im Finale taten sie sich aber allesamt schwer.

Klare Rollenverteilung. Peyton Siva (r.) geht im Duell mit Maodo Lo aus München zu Boden.
Klare Rollenverteilung. Peyton Siva (r.) geht im Duell mit Maodo Lo aus München zu Boden.
© Andreas Gora/dpa

Umso mehr stachen die Leistungen der jüngeren Alba-Spieler hervor, insbesondere die von Franz Wagner, der auch am Sonntag wieder lange in der entscheidenden Phase des Spiels auf dem Feld stand und sein Team mit einem Drei-Punkte-Spiel kurz vor Schluss sogar beinahe zum Sieg geführt hätte. Auch bei dem 17-jährigen Ausnahmetalent wird sich in Kürze entscheiden, ob er in Berlin bleibt oder ans College in die USA geht. „Er gehört hierher“, sagt Ojeda. „Ich glaube, er wird bleiben.“

Ab Herbst wartet mit mindestens 34 Spielen in der Euroleague ein noch größeres Pensum als schon in dieser Spielzeit auf die Berliner. An Albas Philosophie soll das genauso wenig etwas ändern wie das nächste verlorene Finale – attraktiver, flüssiger Basketball sowie die konsequente Förderung der Nachwuchsspieler sollen auch in der kommenden Saison Albas Identität ausmachen. „Wir werden das weiterhin tun“, sagt Ojeda. „Ich glaube, dass unsere Philosophie uns zum Gewinnen führt.“ Früher oder später.

Leonard Brandbeck

Zur Startseite