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Deutsche Schule. Roberto Firmino (rechts) ist zwar Brasilianer, in Deutschland aber ist er von Hoffenheims Trainer Markus Gisdol in die Geheimisse des Pressings eingewiesen worden.
© John Patrick Fletcher/Imago

Tottenham trifft auf Liverpool: Auch die Bundesliga steckt im Finale der Champions League

In der Bundesliga wurden Son und Firmino ein wenig unterschätzt. In England reiften sie zu Stars, nun treffen sie im Champions-League-Finale aufeinander.

Sein letztes Bundesliga-Spiel hat Heung-Min Son am 15. August 2015 gegen die TSG Hoffenheim bestritten. Der Südkoreaner wurde in der 64. Minute ausgewechselt – und die Leverkusener wussten wohl damals schon, dass er nie wieder ein Heimspiel in ihrem Stadion bestreiten würde. Es war längst klar, dass er zu Tottenham Hotspur wechselt.

Womöglich hatten die Gäste aus dem Südwesten an diesem Tag ein bisschen Mitleid mit den Leverkusener Fans. Denn wenige Wochen zuvor war bekannt geworden, dass auch Hoffenheim einen technisch starken Außenstürmer an die reiche Premier League verlieren würde: Der FC Liverpool hatte sich die Dienste von Roberto Firmino gesichert.

Dass Son und Firmino vier Jahre später im Champions-League-Finale gegeneinander antreten würden, hätten damals wohl nur wenige im Leverkusener Stadion geahnt. Ein bisschen unterschätzt wurden diese beiden Spieler schließlich schon immer. Am Samstagabend (20.45 Uhr/live bei Sky und Dazn) ist es aber so weit. Dass Liverpool und Tottenham in Madrid um den größten Titel im europäischen Vereinsfußball spielen, haben beide Klubs zu einem wesentlichen Teil den ehemaligen Bundesliga-Profis zu verdanken. In der Premier League sind die einstigen Rohdiamanten Son und Firmino zu Stars geworden. Der Brasilianer Firmino hat in den vergangenen beiden Spielzeiten neun Assists und 14 Treffer für Liverpool in der Champions League erzielt. Nur Cristiano Ronaldo war an mehr Treffern beteiligt.

Für die Spurs war Son in dieser Champions-League-Saison mindestens genauso wichtig. Nachdem seine Mannschaft durch die Gruppenphase gestolpert war, hat der Südkoreaner sie durch die K.-o.- Runden getragen. Begonnen hat alles im Achtelfinal-Hinspiel gegen Dortmund, in dem Son das erste von drei Toren in der entscheidenden zweiten Halbzeit schoss. Danach traf er in beiden Viertelfinalspielen gegen Manchester City, bevor er das Heimspiel im Halbfinale gegen Ajax wegen einer Gelbsperre verpasste. Es blieb die einzige Champions-League- Partie der Saison, in der die Spurs kein Tor machten.

Im Schatten von Harry Kane und Mohamed Salah

Seit Wochen wird in England darüber spekuliert, ob Tottenhams Star-Stürmer Harry Kane fürs Finale rechtzeitig fit wird. Die viel wichtigere Personalie ist aber, ob Son dabei sein wird. Und Firmino beim FC Liverpool. In dieser Woche kehrte er nach vier Wochen Verletzungspause wieder ins Mannschaftstraining zurück. Auch wenn von fehlender Wertschätzung für Son und Firmino keine Rede mehr sein kann, stehen beide weiterhin im Schatten größerer Namen wie Harry Kane bei den Spurs oder Mohamed Salah in Liverpool.

Als Son und Firmino vor vier Jahren aus Deutschland kamen, waren nicht alle von diese Transfers überzeugt. Für Son musste Tottenham 30 Millionen Euro zahlen. Firmino wurde mit einer Ablöse von 41 Millionen Euro sogar zum damals zweitteuersten Spieler in Liverpools Vereinsgeschichte. Damals waren das noch sehr hohe Ablösesummen für Spieler, die sich noch nicht auf dem allerhöchsten Niveau bewiesen hatten.

Entscheidender Faktor. Son erzielte die wichtigen Tore für Tottenham.
Entscheidender Faktor. Son erzielte die wichtigen Tore für Tottenham.
© Adam Davy/dpa

„Als Firmino kam, dachte ich: dieser Typ hat zwar Talent und eine gute Ballannahme, aber mehr als zehn Tore in einer Saison wird er nicht schießen“, schrieb Liverpools früherer Stürmer Peter Crouch vor einem Jahr in seiner Kolumne für die „Daily Mail“. „Wie falsch kann man denn liegen?“ Firmino ist nicht nur Schlüsselspieler bei Liverpool. Er und Son gelten auch als Musterbeispiele dafür, wie sich die Vereine der Premier League in den vergangenen Jahren qualitativ entwickelt haben.

„Der Fußball hat sich durch die Laufbereitschaft von Spielern wie Son und Firmino dramatisch verändert“, schreibt Crouch. Dieses energetische Pressing haben Firmino und Son in der Bundesliga gelernt. Mit Hoffenheims Markus Gisdol und Leverkusens Roger Schmidt hatten beide in den Jahren vor ihren Wechseln Trainer, die den Fokus wie Jürgen Klopp auf Pressing und schnelle Balleroberungen legten. Ein paar Monate, nachdem Son und Firmino in England ankamen, landete auch Klopp in der Premier League.

Klopps Pressing ist anders als das von Guardiola

Ein Jahr danach kam Pep Guardiola vom FC Bayern. In der Premier League werden nicht mehr nur große Namen gesammelt und mit Geld um sich geworfen, es werden auch richtige Mannschaften geformt. Mit Klopp, Guardiola und Mauricio Pochettino haben sich die drei besten Vereine Englands ein Niveau und eine Kontinuität erarbeitet, wie es vor fünf Jahren nicht vorstellbar gewesen wäre. Auch deswegen stehen zwei von ihnen im Champions-League-Finale.

Das haben sie natürlich nicht nur dem deutschen Fußball zu verdanken. Das Pressing von Guardiola ist ein völlig anderes als das von Klopp, und Pochettino hat nie in der Bundesliga trainiert. Doch in der bunten Mischung verschiedener Fußballkulturen, die zur Zeit den Erfolg der Premier League ausmachen, ist der moderne deutsche Fußball zumindest gut vertreten. So ist auch die Bundesliga ein kleines bisschen am Finale in Madrid beteiligt. Und zwar nicht nur wegen Jürgen Klopp. Mit Roberto Firmino und dem immer noch sehr gut deutsch sprechenden Heung-Min Son wird es ja mindestens einen früheren Bundesliga-Profi geben, der sich am späten Samstagabend Champions-League-Sieger nennen darf.

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