Chaos bei der JHV des FC Bayern München: Arroganz und Doppelmoral statt Vereinsdemokratie
Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern endet mit einem Eklat und zeigt erneut, wie groß der Graben zwischen Fans und Vereinsführung ist. Ein Kommentar.
Mitgliederversammlungen von Sportvereinen sind oft ziemlich spröde Veranstaltungen. Der Vorstand feiert sich für die tollen Erfolge, Anträge werden lustlos abgenickt - schließlich wollen alle am liebsten schnell wieder nach Hause oder zumindest in die Vereinskneipe. Beim FC Bayern München ging es schon in der Vergangenheit immer mal wieder deutlich turbulenter zu, die Jahreshauptversammlung 2021 an diesem Donnerstag übertraf allerdings alles bisher Dagewesene.
Als Präsident Herbert Hainer die Veranstaltung kurz nach Mitternacht trotz zahlreicher ausstehender Wortmeldungen kurzerhand für beendet erklärte, pfiffen ihn viele Fans aus, es gab „Hainer raus“-Rufe. Uli Hoeneß wollte auf dem Podium schlichten, verließ dieses aber wieder. Wortlos! Später sagte er: „Das war die schlimmste Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe.“
Schuld daran waren einzig und allein seine Nachfolger in der Vereinsführung, die die Unzufriedenheit vieler Fans kolossal unterschätzten. Vermutlich waren die scharfen Kritiker unter den 780 anwesenden Mitgliedern (von fast 300.000) deutlich überrepräsentiert, doch es war schon erschreckend, mit welcher Arroganz das Präsidium diesen begegnete.
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Dass die Verantwortlichen den umstrittenen Antrag von Michael Ott, der eine schnellstmögliche Beendigung des Katar-Sponsorings fordert, nicht zuließen, ist dabei gar nicht mal das Hauptproblem. Mit dem Thema haben sich schon Gerichte auseinandergesetzt und stützen die Linie des Vereins, dass der Umgang mit Sponsoren Sache des Präsidiums und nicht der Mitgliederversammlung sei. Es gibt juristisch sicher auch gute Argumente für eine andere Einschätzung.
Die Art und Weise, wie die Vereinsspitze mit dieser unliebsamen Kritik umgeht, zeigt aber ein völlig verqueres Verständnis von Vereinsdemokratie. Hatte etwa die Wutrede von Hoeneß 2007, als er den Ultras bei der Jahreshauptversammlung vorwarf, sie seien selbst für ihre „Scheißstimmung“ im neuen Stadion zuständig, noch etwas von Folklore, geht es nun um Teilhabe und Mitbestimmung. Und das bei einem Kernthema des Vereinslebens: Wofür soll unser Klub stehen?
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Beim FC Bayern kann man in diesem Zusammenhang mittlerweile nur noch von Doppelmoral sprechen. Klubs wie Manchester City oder Paris Saint Germain werden aufgrund ihrer steinreichen Investoren aus der Golfregion als Gefahr für den internationalen Fußball angeführt, selbst scheut man aber jede Diskussion über die Zusammenarbeit mit Katar. Man setze auf den Dialog, heißt es dann immer wieder. Doch wenn Fanorganisationen eine Gesprächsrunde mit Menschenrechtlern auf die Beine stellen, fehlt als einziger Beteiligter: der FC Bayern.
Diese Haltung war auch am Donnerstagabend zu erkennen. Hainer forderte eine „sachliche und nüchterne“ Diskussion, beendete diese aber, noch bevor Antragsteller Ott und weitere Fans zu Wort kamen. Ja, die Veranstaltung dauerte da bereits fünf Stunden und es war nach Mitternacht. Aber vielleicht hätte sich der Vorstand dann nicht so ausgiebig für die sportlichen und finanziellen Erfolge feiern, sondern mehr Zeit für die Vereinsdemokratie einplanen sollen.
Denn auch wenn es einem Weltkonzern wie dem FC Bayern mit einem Jahresumsatz von fast 650 Millionen Euro nicht passt, ein Sportverein ist in erster Linie seinen Mitgliedern verpflichtet - nicht seinen Sponsoren.